Erstellt am: 20. 10. 2012 - 22:03 Uhr
Blödmaschinen
Wenn über den heimischen Film gejammert wird, dann meistens über die emotionale Vergletscherung, die viele Figuren unheildräuend gefangen hält. Die beinahe unvermeidlichen, desolaten Stimmungen, die wie Gewitterwolken über etlichen Produktionen zu schweben scheinen. Die puristische Herangehensweise in Sachen Bild und Ton, von starren Kamera-Einstellungen bis zum völligen Verzicht auf Filmmusik.
Wenn bei all der Kritik am strengen Autorenkino made in Austria, zu der ich mich natürlich auch bekenne, der Mangel an jeder Art von Witz und Ironie ein Schlüsselargument ist, dann wird dabei etwas Wichtiges vergessen. Der wundeste Punkt der heimischen Regisseure ist eigentlich genau der Humor.
Erwähnt werden sollte: In den gelungenen Fällen – nur um schnell "Indien" zu nennen und überhaupt die meisten Produktionen, in denen Josef Hader eine tragende Rolle spielt - schließt sich das aus dem Kabarett kommende Kino allerdings mit dem Tristesse-Film auf eine im besten Sinne tragikomische Weise kurz. Während umgekehrt ein verbitterter, unproduktiver Weltekel die öden Kabarettkinoabgründe als auch die Trauerspiele des Autorenfilms eint.
Ich will jetzt weder Titel noch Akteure aufzählen, aber die Geschichte des zeitgenössischen österreichischen Kinos ist eng verknüpft mit nervtötenden Kabarettfilmen voller peinlicher Pointen und dämlicher Scherze. Ähnliche wie unsere Nachbarn in Deutschland, wo wiederum allerseichteste romantische Komödien die Cineplexe verstopfen, können wir nur neidisch in angloamerikanische Länder blicken, ins Götterreich der Comedyvirtuosen, vom Frat Pack über die Judd Apatow Produktionen bis zu den Geniestreichen aus dem Umfeld von "Saturday Night Life" und der Posse rund um Simon Pegg und Nick Frost.
All diesen erwähnten und anderen Protagonisten (Hallo Ricky Gervais und Stephen Merchant an dieser Stelle!) gelingt es, die Lächerlichkeit und Armseligkeit der alltäglichen Existenz mit Humor bloßzustellen, mit derben, infantilen und überdrehten Mitteln. Gleichzeitig umarmen sie den Menschen an sich und bieten sich als Waffe, Medizin und Therapie gegen die Härten des Lebens an.
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Splatterday Night Fever
Zurück zu den heimischen Fehlschlägen und Abstürzen: Durfte bislang "Kottan ermittelt: Rien ne va plus" das Gütesiegel der "schlechtesten österreichischen Komödie der Nachkriegszeit" tragen (ein Satz, den ich in meiner Erinnerung der hochgeschätzten Kritikerlegende Hans Langsteiner zueigne), ist nun mit "Friday Night Horror" ein Nachfolger aufgetaucht.
Dabei hat die Grundidee definitiv Potential. Man nehme vier junge Burschen, nennen wir sie Molti, Spotzl, Pichla und Eigi, die in der Reality-Arena des Privatfernsehens regelmäßig die Sau rauslassen. Die ihre weiblichen Fans erniedrigen und sich selber auf endlosen, geschickt inszenierten Sauftouren zum Trottel machen. Und dann geraten die postpubertären Provinzdisco-Könige plötzlich an einen heimischen Serienkiller und aus dem Saturday Night Fever wird eben ein Friday Night Horror.
So eine Geschichte schreit geradezu nach der Mockumentary-Ästhetik, die (um meinen Kollegen Markus Keuschnigg zu zitieren) zu einer der zentralen formalen Gestaltungsmittel unserer Tage geworden ist. Es wäre aufgelegt gewesen, der (Wirklichkeit suggerierenden) Bildsprache der Erfolgs-TV-Show zu folgen, sie aber inhaltlich Schritt für Schritt zu unterlaufen und um sarkastische Witze und bitterböse Einblicken ins Tourleben der Disco-Marionetten zu erweitern.
Wer jetzt nicht sofort weiß, worauf ich hinauswill, sei auf das Kino-Gesamtwerk von Sacha Baron Cohen verwiesen, unter besonderer Berücksichtigung der Reality-Passagen in "Borat" und "Brüno". Eine filmische Annäherung mit der dazugehörigen Digital-Wackelkamera wäre auch mit minimalsten Budgets ("Friday Night Horror" wurde mit nur 200.000 Euro produziert) realisierbar gewesen. Nur ein Maximum an großartigen Ideen hätte es gebraucht, um, wie Großmeister Baron Cohen, die niedrigsten Instinkte gleichzeitig zu bedienen und zu reflektieren.
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Fasching in Frauenkleidern
Noch ein potentielles Vorbild für diese Art der entgrenzten Teenie-Horror-Blödelei kommt mir in den Sinn, weil erst unlängst gesehen. Sogar "Piranha 3DD", die völlig stupide Parodie der Parodie, mit ihren großbusigen Schauwerten, Blut- und Beuschel-Sauereien und BummBumm-Soundtrack-Beats, lässt mittendrin immer einen Hauch von Selbstreflexion aufblitzen. Und sei es nur in der köstlichen Figur von David Hasselhoff, der hier die Medienbrutalität und seine eigene Karrierestagnation treffend torpediert.
Aber komplette Fehlanzeige. "Friday Night Horror" bietet nichts von alledem. Regisseurin Barbara Gräftner tappt in die Schlimmste aller Fallen: Sie scheint ihr Thema in keinster Weise ernst zu nehmen (eine Grundvoraussetzung für supere Komödien) und verpackt die umschwärmten Vollkoffer-Buben in eine faschingsmäßige Klamaukklamotte.
Zu dem letzteren Begriff passt auch eine Optik, die mit Found Footage flirtet, aber eigentlich so aussieht, als ob eine Unterstufenklasse pingelig einen richtigen Spielfilm drehen und selber schneiden will. Dazu ein Verständnis von Crossdressing, dass an Männer in Frauenkleidern in Schlagerfilmen der Nachkriegszeit ebenso denken lässt, sowie an Karnevalsumtriebe in Kleinststädten.
Das Ergebnis erinnert an die unlustigsten Tiefen des erwähnten Kabarettkinos, übertrifft aber noch alle diesbezüglichen Kinokatastrophen. Molti, Spotzl, Pichla und Eigi sind definitiv noch die bemühtesten Darsteller in diesem Reich der Schmierenkomödianten und Overacting-Spezialisten, die gerade noch als Statisten bei Drahdiwaberl-Comeback-Shows durchgehen würden.
Während Barbara Gräftner mit ihrem Mundl-Film "Echte Wiener 2" wirklich für Schmunzeln und Wehmut zugleich sorgte, produziert sie diesmal nur die reinste Fassungslosigkeit. "Friday Night Horror" ist nicht so schlecht, dass es wieder gut ist. Er ist so schlecht, dass einem schlecht wird.
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