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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

22. 10. 2012 - 17:04

Der Comicsehnsuchtsort "Hicksville"

"I sometimes feel I come from two places – I come from New Zealand and I come from comics" - Dylan Horrocks über "Hicksville" und die neuseeländische Comiclandschaft.

comic protrait dylan horrocks

Reprodukt/Dylan Horrocks

Selbstportrait

"Meine ersten Worte waren Donald Duck", schreibt Dylan Horrocks 2011 in der autobiographischen Vorgeschichte zur neuen Ausgabe von "Hicksville".
Sein Vater, selbst begeisterter Comicleser, hat ihn als Kind mit Comics versorgt, was in den 1970er Jahren in Neuseeland gar nicht so einfach war.
Die Comics stammten aus dem Ausland – neben exotischen Schätzen aus Amerika und Frankreich waren es vorwiegend britische Heftchen und Alben. "Tim und Struppi" waren die größten für ihn, für Superhelden hatte er weniger übrig.

Comics waren für Horrocks das Fenster in eine Welt voller Abenteuer und Rätsel, die viel lebendiger war, als alles, was er sonst kannte. Und doch war diese Welt auch geordnet, sicher, ruhig und still.

Da Dylan Horrocks selbst gerne schrieb und zeichnete, war der Comic auch bald für ihn das ideale Medium. "Comics fühlen sich an wie meine Muttersprache" meint er im Interview.
"I sometimes feel I come from two places – I come from New Zealand and I come from comics and I have two native languages – one is New Zealand English and the other is 'Comics'. And I have a complicated relationship with both."

buchcover hicksville

Reprodukt/Dylan Horrocks

Dylan Horrocks: Hicksville. Übersetzt von Marion Herbert, Reprodukt 2012

Also begann er als Teenager Comics zu zeichnen und sich mit der neuseeländischen Comicszene zu beschäftigen.

Dann aber ging er - wie so viele junge Neuseeländer - ins Ausland. In London arbeitete er in einer Buchhandlung und zeichnete nebenbei Comics. Er wollte, dass die irgendwo veröffentlicht werden. Also dachte er sich in seinen Geschichten einen Verlag aus - Hicksville Press. Betrieben von der reizenden Mrs. Hicks, einer älteren Buchhändlerin, die Comics in Kleinstauflage druckt und verlegt.

Aus Heimweh zeichnete er sich auch gleich einen Sehnsuchtsort -"It was everything I dreamed about from New Zealand."
Das Ergebnis war "Hicksville" - ein kleiner fiktiver Ort in Neuseeland, in dem jeder, vom Postboten bis zum Kellner, enthusiastischer Comicfan ist. So wie anderswo über das Wetter geredet wird, unterhält man sich in Hicksville über Comics – aber natürlich nicht über Mainstreamcomics.

In Hicksville ist die Comicwelt noch in Ordnung. Klar, dass dort fast alle auch selbst zeichnen. Einer davon ist Sam Zabel, ein netter Kerl, der aber nie lange einen Job behalten kann, weil er nur das zeichnen mag, was ihm Freude macht.
Sam Zabel sei sein Alter Ego, erzählt er im Interview. Den lasse er Dinge machen, die er sich nicht traut.

Hicksvilles berühmtester Zeichner ist Dick Burger. Der lebt superreich in einem Anwesen in Los Angeles und lässt für sich zeichnen. Ein junger kanadischer Journalist will eine Biographie über Dick Burger schreiben und reist deswegen nach Hicksville, um die Vergangenheit der Comic-Ikone zu ergründen.

Er muss aber feststellen, dass zwar jede und jeder in dem kleinen Dorf Dick Burger kennt, dass ihn aber eigentlich alle hassen und dass ihm niemand Auskunft über den berühmten Sohn des Dorfes erteilen will. Im Zuge der Geschichte deckt der Journalist das dunkle Geheimnis von Dick Burger auf.
Nur soviel – es geht um gestohlene Ideen und deren Vermarktung.

Als das Buch 1998 erschien, war es für viele Comicfans ein ersehnte Darstellung der Missstände im Comicgewerbe. Hicksville wurde zu einem Sehnsuchtsort – einer Utopie. Für viele ist "Hicksville" daher eine der wichtigsten Graphic Novels, die aufzeigt, wie die Comicbranche funktioniert.

Dylan Horrocks hat in "Hicksville" mehrere Geschichten geschickt verwoben.
Neben seinen älteren Comicstrips, die teilweise in unterschiedlichen Stilen gezeichnet sind, lässt er den jungen Journalisten immer wieder Blätter finden, auf denen Captain Cook, der neuseeländische Forscher´Charles Heaphy und der Maori-Häuptling Hone Heke Neuseeland vermessen und das Land aufteilen wollen. Hicksville ist also auch eine Hommage an seine Heimat.
Das alles in ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Zeichnungen.

Comic - captain cook u hone heke

Reprodukt/Dylan Horrocks

"Hicksville" ist weit mehr als eine Geschichte: "'Hicksville' is all about trying to make sense of my relationship with art, and commerce and comics and New Zealand. (...) So in 'Hicksville' I was exploring the history of both – the history of New Zealand and of Comics."

Die Comiclandschaft in New Zealand

Die gegenwärtige Comicszene in Neuseeland bringt Dylan Harrocks zum Schwärmen: Noch nie sei das Angebot so vielfältig gewesen, noch nie habe es so eine große Leserschaft gegeben.

Einen der Hauptgründe dafür sieht er im Internet. Dadurch hätten sich gerade für AutorInnen und ZeichnerInnen in Neuseeland viele Möglichkeiten ergeben. Nicht nur die Veröffentlichung von Arbeiten sei viel einfacher – man erreiche auch sehr leicht eine größere Leserschaft.

Dylan Horrocks erzählt etwa von Lee Chin. Die zeichnet seit einigen Jahren Webcomics und hat mit der Crowdfunding-Plattform Kickstarter ihr Buch finanziert. Eines der erfolgreichsten Projekte bei Kickstarter. Lee Chin hat dabei - noch bevor das Buch überhaupt gedruckt war - so viele Bücher verkauft, dass sie ihren Dayjob kündigen konnte und jetzt von Comics und Illustrationen leben kann.

Als typische Themen für neuseeländische Comics sieht Dylan Horrocks historische und multikulturelle Geschichten, ist Neuseeland doch von vielen Kulturen besiedelt worden. "In Oakland, where I live, there are people speaking all kinds of languages and bringing all sorts of literary cultures and artistic cultures and comics cultures together."

Für Dylan Horrocks ist derzeit das goldene Zeitalter des Comics. "There has never been a better time for drawing comics or reading comics – it is a wonderfull time for comics."

Eine umfangreiche Linksammlung hat Dylan Horrocks auf
hicksvillepress.com angelegt. Auf pikitiapress.com und fromearthsend.blogspot.com findet man einige NZ Comic News blogs.

nz comic sammlung cover

nz arts council

Hier einige Links von Zeichnerinnen und Zeichnern: