Erstellt am: 17. 10. 2012 - 12:55 Uhr
Felix, mein Bruder
Als Felix Baumgartner sicher auf der Erde gelandet war, wurde er jubelnd von seiner Freundin empfangen. In einem russischen Internetforum war daraufhin zu lesen: "Diese Freundin haben sie erfunden! Sie wollen nur zeigen, dass er nicht schwul ist." Die Sexualität des Österreichers, der gerade drei Weltrekorde gebrochen hat, schien das Wichtigste für die Besucher dieser Nachrichtenplattform zu sein.
Die Russen interessieren sich nicht zum ersten Mal für Sex im Weltraum. 1963 wurde Walentina Tereschkowa die erste Frau im Kosmos. Als das passierte, kommentierten alle, wie der Flug im Weltall ihre Sexualität beeinflussen wird. Der Kosmos ist weit weg und macht uns Angst. Vielleicht kann er auch unsere wichtigste Eigenschaft beschädigen? Es wurde sogar ein Lied erfunden, das sowohl Terewschkowas Flug als auch die neuen Erfindungen der technischen Ära feierte: "Für Tereschkowas kosmische Reise, schenkte ihr Chruschtschow einen automatischen Schwanz ausnahmsweise."
Bald nach ihrer Rückkehr auf die Erde heiratete Tereschkowa den Kosmonauten Andrijan Nikolaew, der zu dieser Zeit als der erste Junggeselle im Weltraum bekannt war. Nikita Chruschtschow war ihr Trauzeuge. Tereschkowa ist inzwischen längst von Nikolaew geschieden, hat eine Tochter, die lebendig und gesund ist. Wir brauchen uns also keine Sorgen um das Erbe von Baumgartner machen.
EPA
Über die Größen aus Politik, Weltraumfahrt und Sport erscheinen immer wieder Witze, die die Komplexe von Völkern, die gerade nicht im Zentrum des Weltgeschehens stehen, widerspiegeln. Nach Baumgartners Sprung wurde auf Facebook fast mit der Geschwindigkeit des springenden Felix die Titelseite einer mazedonischen Zeitung verbreitet. Dort stand: "Felix, wir sind stolz auf dich, Sohn!" Und die Erklärung: "Sein Opa ist Mazedonier!"
Man sagt, der Artikel sei ein Scherz gewesen. In bulgarischen Medien wurde verkündet, dass Bulgaren schon in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts von der Stratosphäre gesprungen sind. Das erinnert mich an die Zeit, als in meinem Heimatland prachtvolle Feiern zum 1.300-jährigen Jubiläum Bulgariens organisiert wurden. Und um Bulgarien nicht nachzustehen, wurde in Rumänien verkündet, dass der rumänische Staat schon seit 2.400 Jahren existiere. Ich kann kein Rumänisch, deshalb weiß ich nicht, ob Baumgartner vielleicht auch rumänische Wurzeln hat.
Ich persönlich brauche gar nicht aus dem All zu springen. Mein Bruder Felix hat es schon gemacht! Wir sind stolz auf dich, Felix, alle Bulgaren, Mazedonier und Rumänen. Wir leben ja in Österreich. Und von der Höhe aus, von der Felix gesprungen ist, sieht man die Wurzel nicht.