Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Fußball-Journal '12-40."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 10. 2012 - 20:12

Fußball-Journal '12-40.

Die Live-Begleitung zum WM-Quali-Match gegen Kasachstan in Wien, das absurderweise als Endspiel bezeichnet wurde, aber immer noch das Opening einer langfristigen Entwicklung war.

Auch in der aktuellen Saison begleitet das Fußball-Journal '12 (wie schon in den Vorjahren) die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das mediale Umfeld.

Heute mit der schon traditionellen Live-Analyse bei Ländermatches: WM-Qualifikationsspiel gegen Kasachstan, ab 20.30 in Wien, Praterstadion.

Marcel Kollers ÖFB-Kader:
Tor: Robert Almer (Düsseldorf/D), Christian Gratzei (Sturm) und der nachnominierte Lukas Königshofer (Rapid).

Abwehr: György Garics (Bologna/ITA), Florian Klein, Franz Schiemer (Salzburg), Aleksandar Dragovic (Basel/SUI), Emanuel Pogatetz (Wolfs-burg/D), Sebastian Prödl (Werder/D), Christian Fuchs (Schalke/D), Markus Suttner (Austria).

Mittelfeld: Yasin Pehlivan (Gaziantepspor/TUR), Veli Kavlak (Besiktas/TUR), Julian Baumgartlinger, Andreas Ivanschitz (Mainz/ D), Christoph Leitgeb (Salzburg), Guido Burg-staller (Rapid), Jakob Jantscher (Dyn. Moskau/ RUS), Zlatko Junuzovic (Werder/D) und der nachnominierte David Alaba (Bayern/D).

Angriff: Marko Arnautovic (Werder/D), Martin Harnik (Stuttgart/D), Marc Janko (Trabzonspor/TUR) und Andreas Weimann (Aston Villa/ENG).

Auf Abruf waren Andreas Ulmer, Martin Hinteregger (Salzburg), Manuel Ortlechner (Austria), Thomas Hinum (Ried), Stefan Kulovits (Rapid), Marcel Sabitzer (Admira), Deni Alar (Rapid), Patrick Bürger (Mattersburg), Erwin Hoffer (Frankfurt/D), Philipp Hosiner (Austria).

Verletzt absagen musste Heinz Lindner (Austria).
Die abrufnominierten Hinteregger und Sabitzer waren ebenso wie etwa Raphael Holzhauser (Stuttgart/D) bei der U21 aktiv.

Rücktritt: Martin Stranzl (Gladbach/D), Paul Scharner (HSV/D).
Kein ÖFB-Interesse besteht an Jonathan Schmid (Freiburg/D).

Unbeachtet: Georg Margreitter (Wolves/ENG), Ekrem Dag (Gaziantep-spor/TUR), Markus Berger (Odessa/UKR), Michael Gspurning (Seattle/US), Ramazan Özcan (Ingol-stadt/D), Tanju Kayhan (Besiktas/ TUR), Daniel Royer (Köln/D), Daniel Beichler (Hertha/D), Atdhe Nuhiu (Eskisehirspor/ TUR), Ümit Korkmaz (Ingolstadt/D), Christopher Dibon, Georg Teigl, Stefan Maierhofer (Salzburg), Mario Sonnleitner, Thomas Schrammel, Christopher Trimmel, Muhammed Ildiz, Christopher Drazan (Rapid), Christian Klem, Jürgen Säumel, Manuel Weber, Andreas Hölzl, Haris Bukva, Michael Madl, Darko Bodul (Sturm), Pascal Grünwald, Emir Dilaver, Tomas Simkovic, Alexander Gorgon, Roland Linz, Roman Kienast (Austria), Thomas Reifelts-hammer, Anel Hadzic, Marco Meilinger (Ried), Richard Windbichler, Stefan Schwab (Admira), Manuel Seidl, Manuel Prietl (Mattersburg), Jörg Siebenhandl (Neustadt) uvam

Gut an diesem Spiel war...

... dass Alaba auch im ersten Spiel nach seiner bösen Verletzung wieder voll da war; und seine Rolle als Teamleader gefestigt hat.

... dass Marc Janko funktioniert, wenn er Bälle bekommt. Dass es aber nicht sinnvoll ist, eine Taktik auf ihn zuzuschneiden, wie es viele im Vorfeld forderten - was Koller aber eh nicht gemacht hat. Seine Tore fielen bezeichnenderweise nicht aus klassischen Flanken (von denen es zuwenige gab, weil weder Harnik noch Arnautovic richtige Grundlinien-Flügel gaben.

... dass die Personalwechsel keinerlei Bruch nach sich zogen. Weil es mittlerweile tatsächlich 16, 18, wahrscheinlich sogar 22 Akteure gibt, die man bruchfrei reinwerfen kann, Florian Klein (dem ich das nicht zugetraut hätte) inklusive.

Weniger gut an diesem Spiel war...

... wieder mitzuerleben, dass das mit dem Spielmachenmüssen weiterhin nicht funktioniert. Der österreichische Modus schafft nur ein Level und das heißt Stören, Ballerobern, Umschalten und Tempogegenstoßen. Wenn sich das ÖFB-Team einem Gegner gegenübersieht, der nicht angreift und gegen den Ball-Erobern in gefährlichen Zonen nicht existiert, dann zerfasert das österreichische Spiel wie das Rindfleisch vom Plachutta.

... die Fehlschätzung aller Offensiv-Akteure. Die bekommen kreative Freiheiten, nützen sie auch, vergessen darüber aber die Grundaufgaben. Bestes Beispiel: das trotz bester Anlagen nicht gelungene Flügelspiel. Für mich ist das ein Zeichen dafür, dass die Mannschaft die taktisch-strategischen Rückstände der letzten ÖFB-(samt Liga-)Jahrzehnte noch nicht aufgeholt hat; dass der (auch von mir) verlangte Plan B/C, den Koller den Spielern abverlangen kann, noch nicht verinnerlicht ist, noch gar nicht verankert werden kann, weil es noch an Basics fehlt.

Das sollte und müsste sich 2013 ändern. Denn da sind dann Irland und Schweden Gegner, die man weniger gut kennt und ausrechnen kann als Deutschland oder Kasachstan.

Eh ein schönes Ergebnis - aber die WM-Quali ist kein Thema

Die Vorstellung heute war brav, Alaba hat seine Extra-Bedeutung vorgezeigt, aber letztlich war der Unterschied zum Hinspiel in Astana nicht ausnehmend groß. Der Gegner war dort viel bissiger und böser, hat das ÖFB-Team mit seinen eigenen Mittel, einem quälenden Pressing gepiesackt.

Der entscheidende Unterschied war das Führungstor, dass ein noch unreifes Team, das es nicht versteht, durchgehend ein Spiel zu gestalten, von ebenjener Pflicht entbunden hat.
In Astana gelang das nicht, in Wien schon. Und dann ließ sich auf den Konter-Modus umschalten, den die Mannschaft schon ganz gut drauf hat.

Heute war kein Plan B vonnöten, deshalb gab's eine zufriedenstellende Entwicklung, und kein torloses Remis.

Aber: Glücklicherweise hat Irland heute klar gewonnen, auf den Färöern, etwas was Österreich traditionell schwerfällt. Und glücklicherweise kommt Schweden nach 0:4 Rückstand in Berlin massiv zurück und holt noch ein Remis - und weil beide in der Tabelle auch noch vor Österreich liegen, kann doch nach menschlichem Ermessen niemand mehr ernsthaft von einem Finalspiel reden oder die WM-Teilnahme verlangen wie vor dem Match.
Nur weil man sich gegen Kasachstan durchsetzt und mit vier Punkten ins WM-Quali-Jahr 2013 geht.
Das wäre doch hirnverbrannt.
Oder?

Der Rest ist kontrolliertes Schwelgen auf dem Platz

Und direkt danach (in der 71.) fällt das 3:0 - diesmal macht es Alaba selber, mit einem spitzwinkeligen Heber, nach Arbnautovic-Vorarbeit. Schön gemacht, aber mit Beigeschmack.

Denn: ein Fairplay-Team hätte abgebrochen, weil Janko im Zentrum seinen Verteidiger (Dmitrenko) niedergeknockt hat und die Hand nach oben reckte: Alaba aber auch Arnautovic haben das in der Hitze des Spiels gar nicht mitbekommen -> insofern kein Vorwurf außer an den Schiri.
Dmitrenko muss raus, für ihn kommt 5 Gurman. Der ist ein rechter Verteidiger, also rückt Alleskönner Nurdauletov, der Kapitän, ins Abwehrzentrum.

Leitgeb und Jantscher werden kommen. Ich schätze für Alaba (der nocht nicht durchspielen kann) und Harnik.
Das geht jetzt alles, weil der Kas gegessen ist.

Gelb für Nurgaliev nach Foul an Harnik in der 80. und gelb für Harnik wegen übertriebener Pöbelei; und dann die Wechsel: 18 Leigeb für 8 Alaba (in Position) und 16 Jantscher für 21 Janko - das heißt: Jantscher geht auf die rechte Seite und Harnik vor in die Spitze.

Der letzte Wechsel dann in der 83.: 10 Khairullin für 13 Nurgaliev. Khairullin hatte im Hinspiel auf der linken Seite gut ausgesehen; ihn draußen zu lassen war nicht Beraneks bester Schachzug.

Dann noch ein Arnautovic-Schuss knapp drüber, Gelb für Kavlak wegen Kritik in der 87., und ein paar gute Szenen mehr. In der 93. macht dann Martin Harnik endlich sein Tor im offiziellen Wettbewerb, nach gefühlten 30 vergebenen Großchancen (Assist Arnautovic). Schön. Und ein 4:0-Sieg, wenn er auch zu hoch ausfiel.

Das erwartete zweite Tor fällt dann auch noch rechtzeitig

In die 2. Halbzeit startet das ÖFB-Team deutlich konzentrierter, schließt damit wieder etwa an Minute 30 an und lässt die zwischenzeitliche Schwächephase vergessen. Ich habe schon seit dem Führungstor keine Zweifel daran dass sie dieses Match nach Hause spielen werden, mit zumindest noch einem Tor. Nach Alabas Shortranger aus Minute 47 schafft Harnik es dann fast in Minute 51. Und nach einer Superkombi Fuchs-Arnautovic (53.) rutschen gleich drei am Stanglpass vorbei.

Die erste Karte sieht Bogdanov für ein Foul an Harnik in der 56.
Der erste Wechsel passiert bei Österreich. 3 Dragovic kommt in der 59. Minute für 15 Prödl, den wohl ein Wehwehchen plagt. Das erstemal in der WM-Quali haben die Secondos jetzt eine Mehrheit im ÖFB-Team (neben Dragovic sind Kavlak, Alaba, Junuzovic, Arnautovic und Harnik ja keine "echten Österreicher" im Stracheschen Sinn...).

An das erwartete zweite Tor habe ich länger nicht mehr gedacht - und genau da kommt es. 62. Minute, wieder ein weiter Cross von Alaba, wieder von halbrechts und wieder nickt Janko den Ball rein.

Danach wieder eine Harnik-Großchance und ein Milchgesicht bei den Kasachen: 14 Islamkhan ersetzt den schwachen 20 Shakhemtov. Da bekommt die nächste Generation schon Spielpraxis.

Alles easy, aber: die Inkohärenz dieses Teams wird sichtbar

Weil Deutschland gegen Schweden schnell 2:0 führt und weil Löws Team zuletzt Irland böse paniert hatte: es ist trotzdem nicht angebracht diese Gegner deshalb als leicht schlagbar einzuschätzen und mit der ersten WM-Quali-Führung im Rücken schon wieder von Brasilien zu träumen.

Gegen Halbzeit-Ende übernimmt Kasachstan die Initiative, schafft ein wenig Ballbesitz, aber keine Gefahrenmomente.
Diese Spielphase hat auch damit zu tun, dass sich Kavlak-Alaba ausruhen und keine Mit-Vorstöße unternehmen.

Fuchs spielt statt dem immer wieder ins Zentrum ziehenden Arnautovic linker Flügel, während Harnik einen echten rechten Flügel macht. Fuchs ist es auch, der hin und wieder von der Grundlinie flankt; Junuzovic/Arnautovic probieren es mit Flachpass-Kombis durch die Mitte.

Das ist alles wie bisher unter Koller: nicht schlecht, im Ansatz gelungen, in seiner Ausbaufähigkeit auch mit gutem Potential gesegnet. Aber dann auch doch ein wenig unkohärent und durcheinandergemischt.

Diese Art der Improvisation kann sich das deutsche Team, können sich Reus, Müller und Özil leisten - ihren ÖFB-Konterparts hingegen fehlt (noch) die Basis der Selbstverständlichkeit dieser Bewegungsabläufe.

Und dann befreit die Führung sie vom Spielmachenmüssen

Im Gegensatz zum Hinspiel kommen die Österreicher oft an die Grundlinie, wo sie dann Flanken auf Janko schlagen wollen. Harnik bringt in der 15. einen spitzwinkeligen Ball rein, Junuzovic' Tiefflugkopfball landet beim Tormann.

Die Kasachen spielen ein deutlich weniger aggressives Pressing als im Hinspiel, erst nach der Mittellinie, nicht schon im Aufbau. Sie gehen nicht die Innenverteidiger an, die in Astana die meisten Ballkontakte hatten - deshalb geht deutlich mehr.

In der 24. Minute dann das frühe, eh schon späte Tor: ein Janko-Kopfball zappelt im Eck. Der Cross kam von Alaba, Harnik drückte den Verteidiger weg.

Jetzt passiert dasselbe was bei einer Führung in Astana geschehen wäre: das ÖFB-Team wird befreit agieren und nachsetzen. Denn jetzt geht es nicht mehr nur ums Selber-Machen und Gestalten, jetzt ist wieder der Tempo-Gegenstoß angesagt.
Und den kann Österreich.

Guter Schuss Arnautovic, dann Stangenroller Alaba (28.) - es ist was los. Die Lochpasses, die knapp nicht ankommen, aber im Ansatz gut und schlau und gefährlich sind, mehren sich.

Spielanpfiff ist um 20 Uhr 37 und es sieht so aus:

Österreich wieder in rot-weiß, die Kasachen in ungewohntem gelb. Der Schiri ist ein junger Däne. Es ist fast ausverkauft, 43.000 Zuschauer.

Die Kasachen wie erwartet: Nurgaliev spielt hinter Gridin in einem 4-4-1-1, Shakhemtov ersetzt Khairullin links, Mukhtarov spielt statt Rozhkov in den Innenverteidigung.

Und, weil es in fast allen Print-Previews falsch zu sehen war: in der Abwehr spielt Kapitän Nurdauletov wie schon in Astana recht und Kirov links. Kirovs Nummer 2 hat den kollektiven Irrtum verursacht, ist mir schon klar - aber jeder, der beim Hinspiel einmal kurz hingeschaut hat, konnte wissen, wie es wirklich ist.
Das aber interessiert niemanden.
Im Print-Mainstream, vor allem am Boulevard regiert, was die Beschäftigung mit den gegnerischen Teams, den Fremden, den Ausländern betrifft, immer noch die schiere und blanke Ignoranz, also der Lokalchauvinismus, der Anti-Journalismus.

Die Kasachen stehen so:
6-4-19-2;
7-23-8-10;
13;
11.

Bogdanov (8) lässt sich gern aus dem Mittelfeld direkt vor die Abwehr zurückfallen, ich würde das System aber trotzdem nicht als 4-1-3-2 oder 4-1-4-1 bezeichnen, dazu ist die Mittelfeldkette, für die neben dem blonden Korobkin auch die hängende Spitze Nurgaliev viel arbeitet, im Normalfall zu geschlossen.

Beim ÖFB-Team spielt Alaba im Zentrum halblinks neben dem halbrechten Kavlak. Immer einer der beiden drängt auch mit nach vorne. Arnautovic steht ivanschitzmäßig nicht gerade auf der linken Flanke, Harnik hingegen besetzt die recht gut. Und kriegt in der 9. Minute die erste Schusschance.

Österreich taktisch, nach Nummern:
17-15-4-5;
19-8;
11-10-7;
21.

Dass Österreich drückt und die Kasachen hinten stehen, muss ich nicht extra erwähnen. Da ist Kreativität gefragt - und Arnautovic' Solo in der 13. Minute deutet das an.

Die Aufstellungen mit ein wenig Überraschungs-Effekt

Koller bringt etwas überraschend Klein für Garics; das hätte in Astana niemanden gestört - nach der dort guten Leistung von Garics ist es jetzt ein bisserl komisch. Klein ist, so glaubt Koller, offensivstärker. Hm.
Alaba kommt statt Baumgartlinger, nicht statt seinem Ersatzmann Kavlak. Das ist ein offensives Zeichen - keine Doppel-Sechs, sondern eine Doppel-Acht, mutig.
Offensiv sind auch die außen in der Mittelfeldreihe: Harnik und Arnautovic, nicht Jantscher und auch nicht der gern in die Zentrale ziehende Ivanschitz.
Janko als Center, bei diesen Flügeln durchaus logisch.

1 Almer; 17 Klein, 15 Prödl, 4 Pogatetz, K-5 Fuchs; 19 Kavlak, 8 Alaba; 11 Harnik, 10 Junuzović, 7 Arnautović; 21 Janko.

Ersatz: 23 Gratzei, 12 Königshofer; 2 Garics, 3 Dragović, 22 Schiemer, 13 Suttner; 14 Baumgartlinger, 18 Leitgeb, 16 Jantscher, 6 Ivanschitz, 20 Burgstaller; 9 Weimann.
Yasin Pehlivan muss als Spieler Nr 24 auf die Tribüne, seine Nummer 8 hat Alaba übernommen.

Coach Miro Beranek haten neben Schmidtgal und Engel drei neue Ausfälle: mit Ostapenko und Nuserbajev fehlt der erste Angriff, mit Rozhkov ein Innenverteidiger.

Außerdem muss Khairullin auf die Bank, dafür kommt Gridin wieder von Anfang an, nicht natürlich der in manchen Boulevard-Previews genannte Shabalin, der ja schon fürs Hinspiel ausfiel.

22 Sidelnikov; K-6 Nurdauletov, 4 Mukhtarov, 19 Dmitrenko, 2 Kirov; 7 Konysbaev, 23 Korobkin, 8 Bogdanov, 20 Shakhemtov; 13 Nurgaliev; 11 Gridin.

Die Bank: 12 Tsirin, 1 Loginovski; 5 Gurman, 18 Shonko, 10 Khairullin, 14 Islamkhan, 16 Tazhimbetov.

Das postastanische Comeback der Personalempfehlung

Nach dem enttäuschenden Ergebnis im Hinspiel, einer Wiederholung des vorjährigen 0:0, brach das übliche Destruktions-Wetter über Fußball-Österreich herein.

Da aktuell niemand an den Einberufenen, an der Koller-Philosophie oder an der Einstellung der Mannschaft herummäkeln kann (selbst die populistischsten Expertenclowns wagen das nicht, weil die Fußball-Öffentlichkeit für diese abgedroschenen Volten nicht mehr blöd genug ist), wird auf einen Klassiker der Küchenpsychologie aller Hobby-Teamchefs zurückgegriffen: man gibt Personalempfehlungen.

Die Kronen-Zeitung empfiehlt Dragovic statt Pogatetz, dazu Jantscher und Janko. Österreich findet Arnautovic voll Scheiße, die Privat-TV-Experten machen Ivanschitz runter und alle wollen den noch keinesfalls fitten Alaba.

Frenk Schinkels empfiehlt keine Änderung der Philosophie, aber eine des Systems: er will ein 4-1-4-1, übersieht dabei geflissentlich die Tatsache, dass das Kollersche 4-2-3-1 mit Alaba bzw seinem Ersatzmann Kavlak sowieso einen Achter neben Baumgartlinger, den einzigen echten Sechser, stellt. Andere Tipps sind noch dummdreister.

Aber auch ernstzunehemende Analytiker pochen darauf, dass ein Stoßstürmer Janko in Astana den Sieg gebracht hätte. Dass Janko vor Jahresfrist ebendort nicht funktioniert hatte (und auch damals ließ Interimscoach Ruttensteiner ein 4-2-3-1 nach heutiger Prägung auflaufen) und dass die Hättiwari-Position wenig bringt, lassen wir einmal dahingestellt.

Ich bin ein Freund des Janko-Einsatzes; ich bin aber kein Freund der monokausalen Schnellschüsse und allzu simplen Personal-Erklärungen.

Das ist kein Endspiel, das ist immer noch die Eröffnung

Die wenigen Stimmen, die tiefer schürfen und von Koller mehr taktische Umstellungen und ein Umschalten auf einem Plan B oder C fordern, haben im Prinzip recht. Damit hätte das Match in Astana eventuell gewonnen werden können.

Bloß: so weit ist das ÖFB-Team nach einem Jahr Grundlagen-Schaffung einfach nicht. Die Schuld daran dass das so lange dauert, tragen die Verbands-Verantwortlichen, aber vor allem die letzten Teamchefs, die mit jahrzehntelangen Versäumnissen für einen Rückstand gesorgt haben, der eben nicht so schnell aufzuholen ist.

Damit übersehen aber auch die (wenigen) seriösen Kritiker eines: die Erwartzungen, dass sich die ÖFB-Truppe für Brasilen 2014 qualifiziert, sind nicht nur übertrieben, sondern in ihrer unüberlegten Geschwätzigkeit nachgerade verantwortungslos.

Diese Quali-Campaign 12/13 dient dazu, sich für die Euro 2016 einzuspielen. Gegen Deutschland ist kein Kraut gewachsen, gegen Schweden und wohl auch gegen Irland wird es schwer, Platz 2 ist kaum möglich und selbst wenn wäre im Playoff Endstation.
Denn die aktuelle junge immer besser werdende Mannschaft ist ein Versprechen für die Zukunft, aber keine Aktie für die Gegenwart.
Österreich ist nicht Belgien.
Vielleicht in zwei Jahren dann.

Deshalb gibt es heute kein Endspiel, sondern den dritten Teil einer Eröffnung.
Nicht mehr und nicht weniger.