Erstellt am: 17. 10. 2012 - 06:00 Uhr
Wer zahlt wie für digitale Inhalte?
"Festplattenabgabe jetzt!" fordern Künstler/innen-Vertreter wie die Initiative "Kunst hat Recht" und Verwertungsgesellschaften wie die austro mechana. Sie verlangen eine Erweiterung der Leerkassettenvergütung auf digitale Medien. Konkret wünscht man sich eine Pauschalabgabe auf jede - zumindest in Österreich - verkaufte Festplatte, weil das digitale Teilen und Kopieren audiovisueller Inhalte und das damit in Verbindung stehende Recht auf Privatkopien mit dem bisherigen Urheberrechtsgesetz längst nicht mehr vereinbar sei. Deshalb müsse man es auch erneuern, fordert wiederum Markus Stoff, Sprecher der Initiative für Netzfreiheit.
Schlögl und Stoff diskutieren heute (Mittwoch, 17. Oktober) im FM4-Connected-Studio. Wir haben vorab beide Gäste gebeten, uns ein persönliches Statement für fm4.ORF.at zu schicken.
Wolfgang Schlögl
Wolfgang Schloegl
Wolfgang Schlögl spielt bei den Sofa Surfers und macht mit einigen anderen Projekten Musik, auch für Theater und Film. In diesem Personenkomplex leben vier bis sechs Menschen von Musik. Das Steuerrecht sieht sie als Kleinunternehmer.
"Ich bin für solidarische Netzfreiheit, umfassenden Datenschutz, Anpassung des Urheberrechts an die derzeitigen Bedingungen (gerechtere Aufteilung von Tantiemen von internationalen Konzernen hin zu den kreativen mittelständischen Produzenten; Stichwort iTunes, Telekom, Spotify, etc.), kooperative Konzepte im Netz und Entkriminalisierung von Usern. Gleichzeitig bin ich dafür, einen unpolemischen Dialog über geistiges Eigentum in Wissenschaft und Kunst unter den sich so schnell ändernden Bedingungen zu führen. Deshalb bin ich weder bei 'Kunst hat Recht', noch der 'Initiative für Netzfreiheit' aktiv.
Bevor man über die Speicherabgabe diskutiert, hier einige Punkte zum Nachdenken: Gibt es ein geistiges Eigentum? Hat Kunst und Wissenschaft ein Recht auf geistiges Eigentum? Soll es Solidarität in einer vernetzten Gesellschaft geben? Kann eine Gesellschaft ohne Transfers existieren? Welche solidarische Haltungen sind gegenüber geistigem Kontent möglich? Kreative im Allgemeinen kämpfen an mehreren Fronten für eine gerechtere Umverteilung von immer weniger in Umlauf befindlichem Verteilungskapital. Befürworter des freien Netzes differenzieren manchmal nicht zwischen "der Industrie" (internationale Verlage, Telekom-Konzerne) und hiesiger Kreativwirtschaft (Schriftsteller, Grafiker, Fotografen und Musiker, etc.) und sprechen so dabei oft einem turbokapitalistischen Liberalismus ins Wort, denn auch im Netz gilt oft: Wer das Geld hat kauft sich seine Freiheit. Deshalb ist ganz wichtig: Können wir einen breiten Wertekonsens zwischen Usern und kreativen Produzenten erreichen?
Zur Festplattenabgabe: Natürlich soll die FPA prozentuell viel geringer ausfallen, als die Leerkassettenabgabe, da nicht nur urheberrechtlich relevante Daten abgespeichert werden. Das war ja auch schon bei CD-R und DVD-R der Fall. Es muss natürlich der Verteilungsschlüssel zugunsten der kleinen und mittleren kreativen Einheiten verschoben werden. (Problem: AKM-Verteilungsquoten, Bevorzugung von Großverlagen, etc.). Die Abgabe ist ein Transfer. Damit wird jedoch kein Kreativer durchgefüttert werden, sondern es werden u.a. Institutionen wie die Literar Mechana oder das SKE damit unterstützt. Diese sind für die jeweilige Szene unabdingbar. Mit Einführung der FPA muss auch eine weitere Entkriminalisierung der User einher gehen. Leider ist es aber mit der FPA nicht getan. Vielleicht sind sogar Festplatten bald nur noch Fußnoten der Technologiegeschichte. Ein für mich viel dringenderer Handlungsbedarf herrscht bei Cloud-Technologien und Streaming-Diensten, mit denen zur Zeit Telekom-Konzerne versuchen, junge Abonnenten zu lukrieren. Kreative Werke werden hierfür als Köder benutzt, der kommerzielle Nutzen bewegt sich dort für Kreative im Promillebereich."
Markus Stoff
Markus Stoff
Markus Stoff ist Sprecher der Initiative für Netzfreiheit. Diese setzt sich für die Förderung der Freiheiten des Bürgers im Netz und die Wahrung der Bürgerrechte auf digitaler Ebene ein. Ihre Themen sind unter anderem Vorratsdatenspeicherung, ACTA, Urheberrecht und Netzneutralität.
"Zwischen dem gesellschaftlichen Alltag und den Geschäftsmodellen der Unterhaltungsindustrie klafft eine riesige Kluft. Nicht zuletzt die Kontroverse um ACTA zeigte dies überdeutlich. Um diese Kluft wieder zu schließen, ist ein breiter gesellschaftlicher Diskurs rund um das Urheberrecht dringend nötig. Kreative und Konsumenten müssen einen neuen Interessenausgleich für das digitale Zeitalter finden.
Aber leider ist von einem breiten Diskurs nichts zu sehen - vielmehr ist das genaue Gegenteil der Fall. Über einseitige Gesetzgebungsprozesse wird mit Gewalt versucht, das Rad der Zeit zurückzudrehen. Unzeitgemäße Geschäftsmodelle einer sterbenden Industrie sollen so künstlich am Leben erhalten werden. Nach ACTA zeugen aktuell die Forderungen nach einem Leistungsschutzrecht und einer Festplattenabgabe von dieser einer Demokratie nicht würdigen Vorgehensweise.
Die Forderung nach einer Festplattenabgabe ist der aktuelle Brennpunkt in dieser Debatte und in ihrer realitätsverkennenden Ausgestaltung auch sinnbildlich für die ganze Diskussion. Um nicht missverstanden zu
werden: Pauschalabgaben sind nicht generell negativ, sie können eine Möglichkeit darstellen, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber und den Rechten der Konsumenten zu schaffen. Schon mit der Leerkassettenvergütung ist man diesen Weg gegangen, indem man durch diese Pauschalabgabe die Vervielfältigung zum persönlichen Gebrauch erlaubte. Der damals geschlossene Deal bedeutet nicht weniger, als die Anerkennung der Realität, dass sich das Teilen von Inhalten nicht verhindern läßt.
An dieser Realität hat sich bis heute nichts geändert. Nur die Art und Weise, wie Inhalte geteilt werden, unterscheidet sich von damals. Aber nicht etwa, weil sich die zugrundeliegende Motivation oder das Unrechtbewußtsein geändert hätten, sondern weil sich die Möglichkeiten dazu verbessert haben. Wir befinden uns also in der selben Situation wie damals, als die Kassette eingeführt wurde und die Musikindustrie in Panik "Hometaping kills Music" skandierte. Doch anstatt sich zusammenzusetzen und den Deal von damals zu erneuern, wurden die Konsumenten erneut kriminalisiert und die Privatkopie ausgehöhlt: das Umgehen von Kopierschutzmaßnahmen (wie sie z.B. auf DVDs und Bluerays üblich sind) wurde verboten, während die Unterhaltungsindustrie "Raubkopierer sind Verbrecher!" skandierte.
Update vom 17. Oktober, 14 Uhr: Der Text von Markus Stoff wurde an dieser Stelle ein wenig erweitert.
Ein wirklich zeitgemäßes Urheberrecht darf keine privaten Nutzer für ihr Medienverhalten kriminalisieren und zur Zensur von Informationen führen. Eine Überwachung des Internets auf Urheberrechtsverletzungen ist nur mit einer Zensurinfrastruktur nach dem Vorbild Irans, Chinas oder Syriens machbar.
Eine Festplattenabgabe, eine Kulturflatrate oder auch Ideen wie die Kulturwertmark könnten dazu dienen, die Privatkopie zu modernisieren und das Teilen von Inhalten wieder zu erlauben. Flankierend müsste man auch ein Urhebervertragsrecht einführen, um die Künstler gegenüber den Verlagen zu stärken. Die aktuelle Forderung nach einer Festplattenabgabe stellt jedoch leider nichts anderes als den Versuch dar, sich die systematische Kriminalisierung seiner Fans auch noch vergüten zu lassen.
Eine vergebene Chance.
Diskussion live in FM4 Connected
Weiterlesen auf help.ORF.at: "Neue Diskussion über Festplattenabgabe"
Markus Stoff und Wolfgang Schlögl waren in FM4 Connected zu Gast und diskutierten das Für und Wider live im Studio.