Erstellt am: 14. 10. 2012 - 16:53 Uhr
Weich Weiterkommen in den 90ern
Die Lyrics zu ihrer neuen Single hat El Perro Del Mar aus dem Film "Paris is Burning", einer wegweisenden Dokumentation über die New Yorker Ballroom-Szene aus dem Jahr 1990: "Solitude's my best friend, the one who sees me cry. Tells me I will never need another man to keep my head up and walk on by." heißt es da. Harter Tobak, ein bisschen verbittert, durchsetzt mit Selbstbeschwichtigung und dem einen Funken Hoffnung - im Original im Film gesprochen von dem mittlerweile verstorbenen Drag Artist Dorian Corey. Man muss das alles aber nicht wissen, um "Wak On By" zu verstehen oder immerhin gut zu finden. Die schwedische Musikerin Sarah Assbring war mit ihrem Projekt El Perro Del Mar bislang vornehmlich für glitzy Singer/Songwritertum und geschniegelten Pop aus der Schule Burt Bacharach oder Phil Spector bekannt, mit "Walk on By" verortet sie sich jetzt nicht nur textlich, sondern auch soundtechnisch überdeutlich in den späten 80ern und ganz frühen 90ern, als House mit Pop flirtete, sexy Allianzen mit HipHop einging und an den Außenrändern im Mainstream ankam.
El Perro Del Mar
Ein weich schlingernder Breakbeat, ein geradezu "klassisches" Housemotiv, ein Bass federt unaufdringlich, trotzdem betont funky im Hintergrund. Darüber haucht El Perro Del Mar uns und vor allem auch sich selbst wieder und wieder wie unter wonnebringender Hypnose stehend dieselben Zeilen zu: "Keep My Head Up And Walk on By." Ein Lied als Loop, der die Vorwärtsbewegung und das Weiter im Text, auch das Weiter-Wollen und Weiter-Müssen, in Struktur übersetzt. Man kommt aber eben auch nie irgendwo an. Irgendwann quäkt dann eine traurige Melodika.
Der Song zum Sonntag auf FM4 in Kooperation mit der Presse am Sonntag.
Zu den eingesetzten Sounds aus einer Zeit von vor über zwanzig Jahren wird überhaupt keine Haltung aus der Distanz eingenommen, und zum Glück schon gar nicht eine öde "ironische". Dies ist ein Song, der es ernst meint. Aus der werkgetreuen Nachstellung einer Sound-Ästhetik entsteht Neues. "Walk On By" schwebt und pulsiert in einem Kosmos mit Saint Etiennes "Only Love Can Break Your Heart", "Dub Be Good To Me" von Norman Cooks Beats International, dem ersten Album von Neneh Cherry, "Wishing on a Star" von Fresh 4 oder auch den ganz frühen Massive Attack. Aus deren Überhit "Unfinished Sympathy" hat El Perro Del Mar auch gleich noch die entscheidenden Zeilen stibitzt und in ihren Song eingepasst, damit es noch einmal ganz klar wird, dass das hier eine Labour of Love ist. "Like a soul without a mind / In a body without a heart / I'm missing every part."
Dazu gehört das Video. Esoterische Farbspielereien, wie aus einer ganz alten Chill-Out-Fernsehsendung aus dem tiefsten Nachtprogramm, als das Internet noch nicht erfunden war. Dazu trägt El Perro Del Mar oversized Klamotten, wie das vielleicht irgendwann einmal modern war und also jetzt auch wieder ist. Und sie schreitet voran, wippend im Groove, und blickt säuerlich in die Zukunft.