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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

13. 10. 2012 - 16:19

Sydney Bridge Upside Down

Neuseeland präsentiert sich bei der Frankfurter Buchmesse als Ehrengast. Ein neuseeländischer Literaturklassiker wird dabei erstmals auf Deutsch präsentiert.

Ein Sommer am Rand der Welt

"Am Rande der Welt lebte ein alter Mann, sein Pferd hieß "Sydney Bridge Upside Down". Er hatte ein Gesicht voller Narben, und das Pferd war ein lahmer, alter Klepper, und ich beginne mit dem Mann und seinem Pferd, weil sie immer irgendwie dabei waren in jenem Sommer, als hier oben an der Küste die schrecklichen Dinge passierten."

NeW Zealand Autor David Ballantyne 1926-1986

Ballantyne

David Ballantyne

"Sydney Bridge Upside Down" fiel mir erstmals in die Hände, als ich noch zur Schule ging. Das ist ein Weilchen her. In meiner Umgebung gab es auch einen alten Mann mit einem Pferd. Im Sommer lud der Unmengen von Heu auf den Wagen, den das Pferd zog. Auf dem Heu oben saß seine Frau, und einmal die Woche fuhr er mit dem Pferdewagen in die Stadt. Es war die englischsprachige Originalausgabe von "Sydney Bridge Upside Down", die mir in die Hände fiel, in der unfassbar gut bestückten Abteilung für englische Bücher in einer simplen Provinzbuchhandlung. Zusammen mit "The Catcher In The Rye" von J.D. Salinger und "The Grapes Of Wrath" von John Steinbeck. Alle drei nahm ich in Angriff, Steinbeck war mir schier unmöglich, aber mit der einen deutschen Ausgabe zum Parallel-Lesen ging es letztlich irgendwie. Der "Catcher In The Rye" war für mich damals einfacher, denn davon gab es schließlich die extrem gute Bert Brecht-Übersetzung. Das half, und Salingers coming of age-Roman in der englischsprachigen Originalversion wurde zu einem erklärten Liebling.

Große Erzählkunst

Was aber war mit "Sydney Bridge Upside Down" passiert? Zur Seite gelegt, völlig vergessen und irgendwann später einmal - als ich des Englischen viel mächtiger war - wiederentdeckt, nicht zuletzt durch einen lieben neuseeländischen Freund in London, der sich immer wieder selbst auf den Arm nahm und Witze über sich und seine Landsleute - genannt sheep shaggers - machte. Umso mehr freu' ich mich, dass es jetzt erstmals eine deutsche Übersetzung von diesem Buchklassiker aus dem Jahr 1968 gibt .

"Es blitzte und donnerte bereits, als ich an die Narbe auf der linken Backe des alten Mannes denken musste. Und an sein Pferd. Als der Regen einsetzte, dachte ich an alle Bewohner von Calliope Bay, an einen nach dem anderen."

I Know What You Did Last Summer

Buchcover

Hoffmann und Campe

"Sydney Bridge Upside Down" von David Ballantyne wurde von Gregor Hens für den Hoffmann & Campe Verlag ins Deutsche übersetzt: übrigens eine sehr sensible, wirklich gelungene Übersetzung.

David Ballanytne, 1924 geboren in Auckland, Neuseeland, lebte als Kind in der abgelegenen Hafenstadt Hicks Bay, und dieser Ort ist auch die Vorlage für "Sydney Bridge Upside Down". Das Buch ist der fünfte von acht Romanen von David Ballantyne, und längst gehört es zu den großen Büchern aus Neuseeland, auch wenn der Autor sich dort erst nicht so viele Freunde damit machte. Ballantyne räumte mit dem alten Siedler-Mythos auf, porträtierte das Land - gesellschaftskritisch - als Rinderschlächter. Der alte Mann und sein altes Pferd stehen für den Verfall.

Der Ich-Erzähler Harry, ein 13 Jahre junger Mann, verbringt zusammen mit seinem kleinen Bruder und einem Freund den Sommer damit, dass er rund um und in einem alten Schlachthof herumhängt. Seine Mutter ist den Sommer über in der Stadt - und wird wohl, so spürt man das instinktiv, nicht mehr zurückkehren.

"Es gab fünf Häuser, nur noch fünf, die übrig geblieben waren aus einer Zeit, als hier viele Menschen gewohnt hatten, weil es in der Fleischfabrik viel zu tun gab."

Die Fleischfabrik steht dann auch im Zentrum von "Sydney Bridge Upside Down". Der Sommer nimmt seinen - schauerlichen - Lauf. Erst stirbt eine Schulfreundin von Harry, dann ein gewisser Mr Higgins, und Harry selbst glaubt, im Schlachthaus noch die Schreie verendender Tiere zu hören. Tickt Harry noch richtig? Ist er gar ein Mörder? Das Ende seiner Kindheit ist da, soviel steht jedenfalls fest in diesem Coming-Of-Age-Roman. Eine große Familientragödie, die so klingt, als sei sie gar nicht so weit in der Vergangenheit angesiedelt. Wunderbar zu lesen.