Erstellt am: 10. 10. 2012 - 13:07 Uhr
Abraham und die Vampire
Als der große amerikanische Filmregisseur und Drehbuchautor mit österreichischer Herkunft Billy Wilder am Anfang der 1980er Jahre bereits seinen letzten Film gedreht hat, bekam er einen Vorschlag von einem großen Hollywoodstudio. Der Altmeister sollte nur die Skriptprojekte des Studios lesen und seine Meinung abgeben, ob daraus auch ein guter Film werden kann. „Ich kündigte den Job nach weniger als einen Monat, obwohl sie mir Geld fürs Nichtstun gaben“, erzählt Wilder in seinen Memoiren, „was immer ich zum Lesen bekam, war nur Mist. An Anfang flogen Autos aus drei Metern Höhe, danach flogen sie von zehn Metern und am Ende müssten sie sich von einem Wolkenkratzer hinstürzen. Das Studio kaufte trotzdem alles. Ich war vollkommen überflüssig.“
Diese Worte des Regisseurs vom “The Apartment” fielen mir ein, als ich neulich „Abraham Lincoln: Vampirjäger“ gesehen habe. In diesem Film kämpft der 16. Präsident der USA gegen Horden von Blutsäugern, die den Kern der Armee der Konföderierten im amerikanischen Bürgerkrieg bilden. Mit einer Axt rottet Abe sie aus, ohne dass sich sein Zylinder auch nur ein Zentimerchen verschiebt. Lincoln tut das, weil ein Vampir seine Mutter gebissen hat, als er noch ein Kind war. Außerdem unterstützen die Vampire die Sklaverei in Amerika

Centfox
Als ich erfahren habe, dass es so einen Film gibt, fand ich das lustig. Ich dachte, dass die Autoren die Weltgeschichte mit Humor betrachten wollten. So etwa wie Tarantino mit seinen „Inglorious Basterds“, wo ein amerikanisches Sonderkommando im zweiten Weltkrieg Hitler tötet. Lincoln ist aber todernst beim Vampirentöten. Ich suchte vergebens nach einem Witz in diesem Film. Am Ende fragte ich mich nur, wer zum Teufel braucht so was?

warner
In den letzten Jahren wurden wir von Comicverfilmungen überflutet. Jedes Jahr wird ein neuer „Marvel“-held ins Kinoleben gerufen, um gegen das Böse zu kämpfen. Anscheinend sind jetzt die Comichelden ausgelaufen und man braucht geschichtliche Persönlichkeiten, die über Superkräfte verfügen. Nach Abraham Lincoln, der Vampire mit einer Axt jagt, erwarte ich Otto von Bismarck, der mit einem spitzen Stab und Knoblauch um den Hals Werwölfe aus dem Schwarzwald erlegt. Oder Vaclav Havel, der sowjetische Zombies mit silbernen Kugeln, die er selbst gegossen hat, niederschießt.

österreichisches filmmuseum
Am Ende kann ich nur ein Gebet aufsagen: “Oh du, Billy Wilder, der du vom Himmel schaust! Gib deinen lebenden Kollegen Verstand! Lass sie „Sunset Boulevard“ schauen, um ihn nicht wie die Hauptprotagonistin zu verlieren. Lass sie „Manche mögens heiß“ schauen, um alles, sogar Marilyn Monroe, mit einem Sinn für Humor zu betrachten. Lass sie „Sabrina“ schauen, um ihre Menschlichkeit nicht zu verlieren! Amen!“