Erstellt am: 8. 10. 2012 - 19:12 Uhr
Porno mit Herz
Pornografie blüht im Netz auf wie nie zuvor. Dank Digitalisierung und Vernetzung hat das Geschäft mit der sexuellen Erregung große neue Zielgruppen erschlossen. Vor allem wegen Streaming-Websites ist der Zugang einfach und unkompliziert.
Das Konsumieren von Pornografie ist - von den vielen expliziten visuellen und sprachlichen Darstellungen im Pop einmal abgesehen - auch in der Durchschnittsgesellschaft längst kein Stigma mehr. Beispiele dafür sind etwa der Meme-Klassiker "The Internet is for Porn" oder auch ein Vater, der kein Problem mit Porno hat und seinen Sohn bloß vor Malware schützen möchte.
Bei all der Einigkeit darüber, dass Pornografie nichts Verwerfliches sein muss, vergisst man aber gerne, dass dahinter eine professionelle Industrie steht, die etwa auch hippe DIY-Zugänge, die aus der Gesellschaft kommen, sofort aufnimmt um damit neue Stimuli zu setzen und zusätzliche Sparten zu etablieren. Ein Startup aus Italien möchte dieses Prinzip aber nun durchbrechen und sammelt derzeit auf der Crowdfunding-Website ulele.com Geld für die Umsetzung einer neuartigen Porno-Plattform namens "come4".
Ethisch korrekter Porno
Das ist einer der Gründe, warum es das Konzept des jungen Startups "come4" aus Italien von Anfang an schwer haben könnte. Ein kleines Team rund um die beiden Jungakademiker Marco Annoni und Riccardo Zilli möchte Pornografie persönlicher und weniger schmierig behandeln. Ihre Plattform soll eine Mischung aus Social-Network- und Porno-Website werden, auf der man sich mit expliziten Inhalten austauscht, unterhält und erregt. Alleine das wirft in der praktischen Umsetzung viele Fragen auf, die etwa Missbrauch und Privatsphäre betreffen.
Geil sein und Gutes tun
Der Clou von "Come4" ist die Finanzierungsmethode. Das Startup möchte, dass auf ihrer Plattform etablierte Firmen und Akteure aus der Porno-Industrie Anzeigen schalten. Die dadurch lukrierten Gelder sollen für unterschiedliche Charity-Projekte verwendet werden. Die User als auch die Anzeigenkunden sollen darüber entscheiden können bzw. müssen, welche Institution unterstützt werden soll.
Hinter diesem Konzept steht die Schieflage zwischen den Einnahmen der Pornoindustrie und den fehlenden Geldern bei der weltweiten humanitären Unterstützung. Klingt ja gut, aber wollen seriöse Organisationen von Pornowebsites unterstützt werden?
Porn politics
"Come4" geht auch einen Schritt weiter und möchte mit ihrer Plattform eine politische Agenda setzen - auch wenn diese zum jetzigen Zeitpunkt noch vage ist. Der Zugang zu Pornografie sowie auch die geteilten Inhalte sollen "ethisch korrekt" sein. Ins Detail gehen die bisher verfügbaren Hintergrundinformationen zur Kampagne hier nicht.
Es wirkt so als würde die italienische Gruppe wirklich an ihr Projekt glauben. Der lockere Zugang zum Thema bei gleichzeitig gewissenhafter Ausarbeitung des Geschäftskonzeptes ist eine erfolgsversprechende Mischung. Aber ob sich das lang etablierte Wesen und Wirken von herkömmlicher Pornografie dadurch so leicht erschüttern lässt, ist fraglich. Vor allem dann, wenn man möchte, dass die Industrie, gegen die man wettert, einen selbst finanzieren soll.