Erstellt am: 6. 10. 2012 - 17:36 Uhr
Musik mit Haaren, Beats, Bumm-Tschak
Das kleine Cafe Dogenhof an der Praterstraße hat einen sehr, na gut, eigenen Charme - das ist hier letztes Jahr schon versucht worden ein bisschen zu erläutern. Allgemein, immer und zu jeder Saison, als Kleinstaustragungsort für das Waves Festival dann doch deutlicher. Den Freitagabend eröffnet ebendort der sensible elektronische Liedermacher Frostfelt von den Färöer-Inseln - was dem wohl nicht wegen dem Waves Festival anwesenden Stammgast, den die Frau Wirtin "Herrn Poldi" nennt, ein überraschendes, kaum zu enträtselndes akustisches Eindringen in den Lebensraum darstellt: "Wie schauma aus in unser (sic) Haus?", spricht er laut und deutlich in sein Bierglas. "A Wahnsinn!" und "Tua Weider!". Er hat ja auch ein bisschen recht: Auf Tonträger durchaus spannend und verschachtelter gestaltet, ist es in der Livedarbeitung schon ein sehr nordisches, zerbrechliches Singen, Surren und Leiden, das Herr Frostfelt da an seiner Orgel zelebriert.
Patrick Muennich
Richard Taylor
Alle Geschichten vom Waves Festival
Im Odeon ist die wirklich feine englische Songwriterin Lucy Rose mit ihrer akustischen Gitarre am Werk, wer aber an diesem Abend vielleicht schon genug von nettem Folk-Pop und Lagerfeurmusik mit Bart hat, wird am Freitag im Bauch des Badeschiffs bedient. Dort gibts es nämlich Beats. Zweimal von zwei sehr guten russischen Acts, die man sich wird merken wollen: Einmal von Mujuice, der rappelige Elektronika von der putzigen Wald- und Wiesen-Sorte aus seinen Geräten kitzelt, deren Bass aber schon auch gerne am frühen Abend zum Tanzen einlädt. Zum anderen von DZA, der seine Maschinchen-Musik eher Richtung experimentellem Instrumental-HipHop deutet. Zwei echte, wie man sagt, Entdeckungen.
Der Star des Abends im Badeschiff ist jedoch Sun Glitters. Dass der immerhin schon mittelberühmte Produzent aus Luxemburg sehr gerne My Bloody Valentine hört, kann man in jedem zweiten Interview mit ihm nachlesen und auch sehr gut aus seiner Musik heraushören. Sun Glitters setzt die im Shoegazing mit Gitarren und Effektgeräten betriebenen Ideen der Soundverwaschungen, des Vernebelten elektronisch um. Unter die weich wie Samtdecken fallende Klangflächen legt er freundlich polternde Beats und schönes Geknusper. Das alles ist sehr wunderbar, erinnert aber auch da und dort allzu stark an all die vielen Nostalgie-Musiken der jüngeren Vergangenheit, die sich alle so überdeutlich auf das schottische Producer-Zweigestirn Boards of Canada beziehen. Im Hintergrund laufen passend ausgebleichte Chillwave-Visuals im Instagram-Style. Mehr noch als an die gute Musik von Sun Glitters wird man sich aber vielleicht an die Tatsache erinnern, dass der Mann einen Ziegenbart im Gesicht spazieren führt. Ist es ironisch?
Simone Elmsteiner
Mona Hermann
Vernebelte Musik der anderen Sorte gibt es im Flex, dort nämlich ist eine Band mit echten Gitarren, Orgel und langen Haaren zugange: Das Londoner Quintett TOY, das gerade erst sein richtig gutes, schlicht "TOY" betiteltes Debütalbum veröffentlich hat, pflegt eine Vorliebe für Sechziger-Jahre-Psychedelik, für Protopunk, für Velvet Underground und deren kühl-entrückte Strenge, für Noise-Pop und den motorisch gerade laufenden Rythmus des Krautrock. Auf Platte fallen zwischen den mächtigen Soundwänden von TOY auch zwei, drei richtige Pop-Songs ab, live verlässt sich Band hauptsächlich auf die überwältigende Gitarrenbreitseite und kommt fast schon im Spacerock von Hawkwind oder den Spacemen 3 an. Das ist im besten Sinne erdrückend, aber auch ein wenig eintöning. Kontroverse: TOY sind die besseren Horrors.
In der Fluc Wanne sind zwei Bands des superen Berliner Labels Morr Music zu Gast. Bernhard Fleischmann, für den war die Anreise dann doch nicht so weit, mit neuem Album und davor Fenster. Über die jetzt nun wirklich Berliner Band Fenster und ihr sehr gutes Debütalbum "Bones" wurde hier schon berichtet. Live sind Fenster, mittlerweile zum Quartett angewachsen, eine kleine, unaufdringliche Sensation. Die bestmögliche Form von Indie-Pop mit raffinierten Schlenkern und der genau richtigen Dosis von Artiness, dargeboten von spezialsympathischen Menschen. Inklusive Instrumententausch, sowas kommt immer gut. Diese Band sollte und müsste berühmter sein.
Richard Taylor
Die feisten schwedischen Rocker von The Soundtracks Of Our Lives können mit einem ihrer letzten Konzerte vor der Bandauflösung das Flex überraschend gut füllen, wer danach in der Freitag Nacht noch zu elektronischer Beat-Musik über den Dancefloor gleiten möchte, dem bieten sich die französische, erotisch-ruppige Variante von Kavinsky in der Fluc Wanne oder, etwas filigraner gearbeitet, Gold Panda und Addison Groove in der Pratersauna. Wer soll denn das alles verdauen können?
Heute noch zum Beispiel: HVOB, UMA, DENA, The Pharmacy, Pantha Du Prince, Bunny Lake, Siluh Records im Fluc, Gravenhurst.
David Avazzadeh