Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Nicht bereit für's Grab"

Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

6. 10. 2012 - 15:58

Nicht bereit für's Grab

Eine FM4 Soundpark Nacht mit B. Fleischmann, zehn Jahre Wohnzimmer Records, Bauchklang und King Electric.

Wir alle werden immer älter. Viele allerdings nur äußerlich. Innerlich strotzen manche oft noch vor Energie, Tatendrang und Mitteilungsbedürfnis, mit dem gleichen Enthusiasmus beseelt wie Kinder. All jenen im Herzen junggebliebenen ist diese Sendung gewidmet.

I'm Not Ready For The Grave Yet

Das flüstert uns b.fleischmann in der ersten Nummer "Don't Follow" mit verschmitzem Lächeln ins Ohr: "If you want to fuck a system, get out of it's bed." Der Wiener Schlagzeuger und Elektronikproduzent nahm noch nie ein Blatt vor den Mund, wenn es um politische Statements ging. Egal in welchen seiner Werke, von einer Zeile im Booklet, über gesamplete Zitate bis hin zu selbst gesungenen Texten, Bernhard bezog immer Stellung und lehnte sich in seiner Art gegen intolerante Herrschaftsansprüche auf. Insofern ist B. Fleischman auch einer der wenigen Elektronikproduzenten, die sich ganz dezidiert politisch engagieren.

Bernhard Fleischmann

Morr Music

b. fleischmann live:

  • 11.10. Postgarage, Graz
  • 12.10. Bertholdsaal, Weyer
  • 13.10. PMK, Innsbruck

Insofern kann man den Titel der neuen Platte "I'm Not Ready For The Grave Yet" als programmatische Kampfansage sehen, sich nicht kleinlaut und selbstzufrieden auf die kuschelige Couch zurückzuziehen, um den kreativen Verstand versumpfen zu lassen, sondern mit seinen kunstvoll zusammengesetzten Beatkmosaiken, clever ausgefeilten Arrangements und wundervoll sehnsüchtigen Melodiebögen Aufmerksamkeit zu erregen. Auch wenn in dem selbstkritischen "Tomorrow" mit seinem Hauch von 1980iger Elektropop gerne alles auf Morgen verschoben wird und es oftmals den kräftigen Beat in den Arsch braucht, um etwas zu unternehmen, ist Bernhard Fleischmann weit von Mottenkugelgeruch und Spinnwebenfetzen entfernt. Frisch und unverbraucht generiert der Ausnahmemusiker brodelnde Rhythmen, die sich bei Stücken wie "Who Emptied The River" unter gewagten Harmoniefolgen legen und einen hypnotischen Sog entwickeln, der einen nicht mehr los lässt. Wobei es diesmal um eine vertrocknete Beziehung geht, deren Entfremdung den anfänglich reißenden Fluss der Liebe zu einem staubig steinigen Bachbett verwandelt hat.

Bernhard Fleischmann Albumcover

Bernhard Fleischmann

Bernhard Fleischmanns neues Album "I'm Not Ready For The Grave Yet" ist auf Morr Music erschienen.

Das große Kunststück dieser neuen Platte ist, dass Bernhard Fleischmann zu seinen Elektronikwurzeln zurückgekehrt ist, ohne diese einfallslos zu kopieren. Vielmehr verbindet er all seine Erinnerungen, Erfahrungen und neu erlernten Fähigkeiten zu einem stimmigen Gesamtsound, der alle Bereiche seiner Musikalität auszuschöpfen vermag. Der Gitarre, die sein "The Humbucking Coil" (2006) im Einsatz ist, wird ebenso Rechnung getragen, wie den ersten stimmlichen Gehversuchen von "Angst Is Not A Weltanschauung" (2008), die auf der neuen Produktion neben Sprach-Samples zum einzigen Anknüpfungspunkt geworden sind. Zum ersten Mal verzichtet Bernhard auf Gastsängerinnen und Gastsänger und intoniert mit einer beeindruckenden Lockerheit und berührendem Gefühl seine songähnlichen Stücke selbst. Neben dem großartigen Titeltrack, dessen Grundlage ein Sample von einer Englisch-Lern-Platte der 1950iger Jahre darstellt, ist "Your Bible Is Printed On Dollars" musikalisch als auch textlich ein absolutes Highlight der Platte. Denn selbst wenn alle korrupten, egomanischen Wirtschaftszampanos, die ihre Bibel aus Dollars anfertigen lassen, gegenüber Künstlern wie Bernhard Fleischmann gewinnen, landen sie dann doch in der Hölle. Und dort wartet dann Fleischmann hinter den brandheißen Decks auf sie, um ihnen als DJ der Hölle richtig einzuheizen.

Dass "I'm Not Ready For The Grave Yet" auch als Instrument dienen kann, um Bernhards wichtige Anliegen in den Medien zu formulieren, zeigt das lange Interview, das wir für die FM4 Soundpark Nacht geführt haben, als wir uns gemeinsam durch die neue und famose Platte gehört haben.

Zehn Jahre und kein bisschen leise

Kerstin und Lelo denken auch noch lange nicht ans Aufhören. Die Leidenschaft und der Drang, den sie vor zehn Jahren verspürt haben, als sie das Label Wohnzimmer Records gegründeten, funkeln noch immer in ihren Augen. Was als Veröffentlichung der befreundeten Band Zuka begann, entwickelte sich in dieser Dekade zu einer wichtigen und fixen Größe in der heimischen Indieszene. Wobei die oberste Prämisse der Labelbetreiber lautet: "Die Musik muss uns gefallen und überzeugen." Da ist es schlussendlich auch egal, ob eine Band ihre Aufnahme in Butterbrotpapier verpackt an Wohnzimmer Records schickt, oder mit professionell designtem auf Hochglanzpapier bedruckten CD-Faltpostercover ins Rennen geht. Wichtig war und ist bis heute nur die Musik. Und anschließend auch die persönliche Komponente, schließlich sind Wohnzimmer Records einer jener seltenen Veröffentlichungsplattformen, die einen Act nicht nur lieblos auf den Markt schmeißen, sondern viel Arbeit, Geduld und Energie in den Aufbau ihrer Künstler stecken.

Wohnzimmer Records Geburtstagsflyer

Wohnzimmer Records

Wohnzimmer Records Geburtstagsnächte:

  • 11.10.: Trashbones und The Boys You Know, Chelsea Wien
  • 18.10.: Kreisky, Paradies der Tiere und Destroyed but Not Defeated, Chelsea Wien

Daraus ergibt sich auch das breite Spektrum des Labels, wenn auch ganz deutlich ein roter Faden durch alle Produktionen führt. Angefangen von ihren Helden Kreisky über Ben Martin, Velojet und The Seesaw, über experimentellere Ansätze, wie den von Your Ten Mofo oder dem neuen Projekt Paradies der Tiere, bis zu dem internationalen Act des Hefner-Masterminds Darren Hayman reicht die Soundpalette, die sich über die letzten zehn Jahre entwickelt hat. Und so ein runder Geburtstag soll natürlich gebührend gefeiert werden. In vier Nächten im Oktober und November werden auf der Bühne des Chelsea in Wien Bands wie der Neuzugang The Boys You Know, Kreisky, Paradies der Tiere oder Destroyed But Not Defeated stehen. Außerdem erzählen Kerstin und Lelo im Soundpark Interview von den Anfängen von Wohnzimmer Records, von ihrem Blick auf die österreichische Szene und ob sich auch auf privater Ebene ihr Zugang zur Musik in den letzten zehn Jahren geändert hat.

Außerdem in der FM4 Soundpark Nacht

  • Bauchklang präsentieren uns ganz exklusive ihre neue EP "Ray", während zeitgleich der FM4 Soundpark Bauchklang-Remixkontest am Laufen ist.
  • Wir blicken zurück in den Soundpark Backkatalog und wiederholen Robert Rotifers exquisiten mit vielen moderativen Schmankerln versehenen 1990iger Jahre Mix der österreichischen Musik. Die Playlist dazu und das geniale Foto vom jungen Robert findest du hier.
  • Wir hören uns durch das beachtliche Debüt der Wiener King Electric. Hervorgegangen aus der Club- und Technoszene frönen Peter Hartwig und Chris Isepp mit ihrem neuen Projekt ganz ihrem Faible für Funk, Disco, Elektropop, und 1970ies Psychedelic. Auch Spuren von Filmmusik und entspannteren, deepen Grooves ziehen sich durchs Album.

Gewinnt 3x1 King Electric Platten

Das kunterbunte, kurzweilige und wunderschön produzierte Werk von King Electric gibt es in Vinylform zu gewinnen!

Dazu müsst ihr folgende Frage beantworten: Welcher Song von King Electric läuft derzeit in Rotation auf FM4?

Die richtige Antwort: Out of Reach

Die GewinnerInnen wurden bereits via E-Mail verständigt!

Und....

...wer seine Lauscher in der Sonntagnacht lieber am Polster deponiert, kann die Sendung ab Montag 8. Oktober Mittag sieben Tage lang hier im Stream nachhören.