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Martina Bauer

Geschriebenes und zu Beschreibendes. Literatur und andere Formate.

7. 10. 2012 - 17:28

Yates Fan? Einer werden? Bitte hier klicken.

Zeitgleich mit der deutschen Erstübersetzung von Richard Yates´ 1978er Romans "Eine gute Schule" ist auch eine wunderbare Biografie über ihn erschienen.

Richard Yates, Buchcover "Der fatale Glaube an das Glück" von Rainer Moritz

DVA Verlag

Rainer Moritz ist Autor, Kritiker und Leiter des Literaturhauses Hamburg. Ausschnitte aus seiner "Liebeserklärung" an Richard Yates, erschienen bei DVA, hier.

"Doch auch schwächere Yates-Bücher sind besser als die meisten Nicht-Yates-Bücher."

Solcherart proklamiert Rainer Moritz in seiner Biografie über den Schriftsteller, und die meisten Fans von Richard Yates würden in diesen Lobeschor wohl miteinstimmen. Ich eigentlich auch.

Der Autor selbst scheint diese Meinung freilich nicht ganz geteilt zu haben. Soll er doch erwogen haben, Bücher aus seiner Werkliste zu streichen. Besonders der zweite Roman "Eine besondere Vorsehung" war, so heißt es, kein Liebkind von Yates. Die Geschichte einer eigenartigen Mutter-Sohn-Beziehung und die Wirren des Zweiten Weltkriegs, in die der Sprößling noch 1944 gerät. Ein Buch übrigens, zu dem auch ich keinen wirklichen Zugang gefunden habe. Aber bleiben wir beim Wesentlichen.

Realist

Richard Yates ist ein packender Roman-Autor, ein Gott der Kurzgeschichten; präziser wie prägnanter Erzähler und Sezierer, ein Kind seiner Zeit und einer, der hinter die Fassaden blickt.

Biograf Rainer Moritz meint im Interview, was ihn fasziniere, sei, "wie ein realistischer Erzähler amerikanische Familien beschreibt, die meistens in den 50er Jahren leben und man aber doch das Gefühl hat, dass es um Probleme geht, die uns alle angehen. Eben um dieses Yatessche Dauerthema, dass er Menschen beschreibt, Mittelklassenleute, die oft in der Vorstadt leben, die sich vom Leben das Größte und Schönste erträumen - sich selber auch überschätzen, die anderen gering schätzen - und dann meistens böse auf die Nase fallen. Diese Kraft, die Yates in einem ganz schlichten Stil schafft. "

Autor Richard Yates

Jerry Bauer

Damit ist das Universum, in dem sich Richard Yates´ ProtagonistInnen - aber auch er selbst - bewegen, recht gut abgesteckt. Es ist ein oft glückloses, glückfreies. Eines, in dem die Illusion an den Klippen der Realität zerschellt. Folgerichtig hat Rainer Moritz seine Werkschau auch "Der fatale Glaube an das Glück" genannt.

Eine gute Schule

Yates hat gewissermaßen sein Leben lang, sein Leben im Geschriebenen abgearbeitet. Natürlich müsse man da vorsichtig sein, warnt Moritz, aber in der Tat könne man Yates Leben von den 1930er bis in die 70er an den Büchern und Erzählungen nachschreiben.

Wobei das soeben, erstmals auf Deutsch erschiene "Eine gute Schule" besonders stark autobiografisch gefärbt ist. Ein Coming of Age Buch, das Yates´ eigenen Internatsaufenthalt von 1941 bis 44 thematisiert. Voll von Schulinterna, Bubenrangeleien, Außenseitertum und Homoerotik. Aber auch vom Zweiten-Weltkrieg-Schatten. Am Anfang hatte Yates übrigens noch Klarnamen im Text, Schulinsassen erkannten sich sofort wieder. Das Vor- und Nachwort ist zudem in Ich-Form verfasst und gilt als Hommage an Yates´ Vater. Alles sehr nahe am Leben.

Sprungbrett, Buchcover Richard Yates "Eine gute Schule"

DVA Verlag

Richard Yates´ "Eine gute Schule" ist in der Übersetzung von Eike Schönfeld bei DVA erschienen.

Diese gute Schule ist bzw. war übrigens nicht wirklich eine - nicht einmal ein Schulsportteam konnte man sich leisten. Doch für seinen Protagonisten Bill Grove und für Richard Yates selbst war sie es. Beide finden dort zu sich selbst - und das heißt:
Zum einen zum Rauchen. Der spätere Kettenraucher Yates (nur eine seiner Süchte) wusste nie, wohin mit Händen und Fingern - die Zigaretten lösten dieses Problem; er posierte sogar vor dem Spiegel, um mit Glimmstengel möglichst gut auszusehen.
Zum zweiten fand Yates über die Schülerzeitung zum Schreiben. Ihm war klar, dass er Schriftsteller werden wollte oder müsste.

P.S.

Was derzeit noch nicht in den deutschsprachigen Yates´ Kosmos übertragen ist, sind zwei Romane, Drehbuchmaterial und einige Erzählungen (aus dem Nachlass). Und vielleicht käme ja noch eine kleine Ausgabe mit seinen Essays und Interviews, meint Biograf Rainer Moritz, den ich zum Schluss noch um Yates in SMS-Form bitte: "Ein großartiger, amerikanischer Erzähler, der mit dem Realismus, den er hatte, Innenleben von Menschen einzigartig beschrieben hat und der ein furchtbares tragisches Leben geführt hat."