Erstellt am: 4. 10. 2012 - 17:28 Uhr
Den Schwarm aufschrecken
Michael Paeck, Geschäftsführer von Cliffhanger Productions, kann sich glücklich schätzen. Im August lief die Crowdfunding-Kampagne für sein Herzensprojekt, einem Remake des Rollenspielklassikers "Shadowrun", erfolgreich aus. In 30 Tagen haben 6.003 Backer (=Spender) auf der Plattform Kickstarter knapp 560.000 Dollar gespendet. 60.000 Dollar mehr als für das Projekt veranschlagt.
"Glücklicherweise gab es noch genug Shadowrun-Love da draußen", sagt er und schmunzelt zufrieden in sich hinein. Wir sitzen auf einer weißen Couch im Büro des Unternehmens, an den Wänden hängen Poster aktueller Computerspielproduktionen wie Jagged Alliance Online, im Hintergrund das Tastaturenklappern und Mausklicken der Programmierer.
Für Michael Paeck war es eine logische Entscheidung auf Crowdfunding als Finanzierungsmethode zu setzen. Klassische Publisher (=Geldgeber) glaubten nicht mehr an die Marke Shadowrun. Die letzten Remakes des Spiels, beispielsweise auf der Xbox 360, fanden am Markt nur wenig Anklang. Als Jordan Weisman, der Erfinder von Shadowrun, im Frühling diesen Jahres selbst ein Remake des Spiels – Shadowrun Returns – auf Kickstarter finanzierte, war es für Cliffhanger Productions klar, es selbst zu versuchen.
Weltmarktführer Kickstarter
Kickstarter ist die derzeit weltweit größte Crowdfunding-Plattform. Mit Sitz in den USA gestaltet es sich schwierig als beispielsweise Europäer ein Projekt über diese Plattform laufen zu lassen. Zwingend erforderlich sind ein Wohnsitz und ein Konto in den Vereinigten Staaten. Hat man diese Anforderungen erfüllt, profitiert man von der Popularität und Reichweite von Kickstarter. So hat beispielsweise Amanda Palmer ihr Album auf Kickstarter finanziert und dabei ein Vielfaches an der ursprünglich veranschlagten Summe eingenommen (allerdings nicht ganz ohne Probleme).
Seit der Gründung von Kickstarter 2009 wurden insgesamt 72.945 Projekte auf der Plattform ins Leben gerufen und 367 Millionen Dollar gespendet. Sieht man sich dazu im Vergleich die Zahlen der deutschen Crowdfundingplattformen an, ist leicht zu erkennen, dass dieses Finanzierungsmodell im deutschsprachigen Raum noch in den Kinderschuhen steckt. Bis zum April 2012 wurden an die 1000 Projekte auf deutschen Plattformen initiiert. Gespendet wurde etwa eine Million Euro.
Doch wie viele Projekte werden auch erfolgreich abgeschlossen? Kickstarter hat lange Zeit sowohl genaue Zahlen, als auch Projekte die zu keinem erfolgreichen Abschluss fanden, auf ihrer Website und auch in den Ergebnissen der Suchmaschinen verborgen. Bis ein Blogger darauf aufmerksam machte, und Kickstarter nun genaue Statistiken veröffentlicht.
Demnach werden nur etwas über 40% aller Projekte erfolgreich abgeschlossen. In Deutschland sind es rund 32 Prozent. Crowdfunding ist per se ist also kein Garant für eine erfolgreiche oder einfache Finanzierung. Die Bloggerin Jiane Pi hat Kickstarter deswegen einer Analyse unterzogen und mittlerweile existiert auch die „Crowdfunding Bible“ von Scott Steinberg als freier Download.
Werbung vor dem Start
Das Destillat beider Veröffentlichungen zum erfolgreichen Crowdfunding findet sich auch in der Strategie von Cliffhanger Productions wieder: Die Werbung beginnt nicht erst mit dem Start des Projekts auf einer Crowdfundingplattform. Ein großer Teil der Crowd muss schon im Vorfeld darauf aufmerksam gemacht werden. Social Networks wie Facebook sind eine geeignetes Medium dafür.
Jiane Pi errechnet für ein Projekt in der Reichweite von 10 Facebookfreunden eine Erfolgschance von 9%, bei 100 Freunden steigen die Chancen auf 20%, und bei 1000 Freunden auf 40%. Die Wiener Softwareentwickler hatten es hierbei vergleichsweise leicht, ihre Produktion stand bereits im Stadium der Pre-Production, es gab also jede Menge Inhalt, der bereits im Vorfeld einer Crowd auf Facebook vorgestellt wurde. Außerdem gingen die Softwareentwickler eine Kooperation mit Jordan Weisman ein. Gegenseitig beworben sie ihre Projekte. Im Moment hat Shadowrun Online knapp 4000 „likes“.
Weitere Ergebnisse der Kickstarter-Analysen: Projekte mit einer kürzeren Laufzeit (also 30 anstatt 60 Tagen) haben eine höhere Chance erfolgreich zu sein. Wenig überraschend sinkt die Chance auf ein erfolgreiches Projekt mit der Höhe der Zielsumme. Und: Projekte, die mit einem Video vorgestellt werden, haben eine 22% bessere Chance erfolgreich zu sein. Cliffhanger Productions haben gleich acht Videos mit Updates, Erklärungen und Aufrufen auf ihrem Kickstarterprofil veröffentlicht. Dabei hatten sie prominente Unterstützung vom Schauspieler Jeff Rickets.
Goodies für die Backer
Jeder Backer erhält für seine Spende, je nach Höhe, eine Gegenleistung. Je attraktiver diese sind, umso wahrscheinlicher eine Spende. Im Fall von Shadowrun gehen die Leistungen von einem gratis Wallpaper bei einer 3-Dollar-Spende, über Drachenstatuen, bis zum Gratiszugang zum Spiel und T-Shirt. Ein Backer soll sogar 10.000 Dollar gespendet haben. Für diese User wird ein eigener Song komponiert, ihr Gesicht wird das eines Endgegners zieren usw. "Der Typ wird von uns nur noch als Rockstar bezeichnet", sagt Michael Paeck und lacht.
Finanzierungsalternative oder Marketingtool?
Am Donnerstag, den 4. Oktober (heute!) um 19 Uhr wird Michael Paeck gemeinsam mit anderen erfolgreichen Crowdfundern im Wiener MuseumsQuartier (quartier21) im Zuge der Subotron-Veranstaltungsreihe "Pro Games" über diese neue Finanzierungsmöglichkeit diskutieren. Titel der Veranstaltung: "Crowd-Funding: Finanzierungsalternative oder Marketingtool?"