Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Economy Death Match: Sparen, sparen, sparen!"

Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

4. 10. 2012 - 11:57

Economy Death Match: Sparen, sparen, sparen!

Macht das Spardiktat Europa kaputt?

Zwei Monate war unser Schrift gewordener Boxkampf nun auf ungeplanter Sommerpause, hätte man diesen Sommer allerdings völlig isoliert in Selbsthypnose verbracht – man würde kaum merken, dass so viel Zeit vergangen ist.

Denn die großen Themen, die uns tagaus tagein medial beschallen haben sich nur marginal weiterentwickelt, geschweige denn verändert. Noch immer ist die Krise nicht restlos in Österreich oder Deutschland angekommen, dennoch steigert sich die vermeintliche Panik in einer endlosen, selbstreferentiellen Rückkoppelung.

Mit einem Echo-Raum vergleicht etwa Slavoj Zizek die Situation, in der jeder vor den endlosen Weiten des Netzes sitzt und nur das findet, was ihn in seiner schon vorhandenen Weltsicht bestärkt. Besonders auffällig wird dieses Eingraben in ideologischen Schützengräben und das intellektuelle Versteckspiel hinter den Wänden des Lagerdenkens bei all den Fragen die sich um das Thema Ökonomie, Krise und generell Wirtschaft drehen. Denn auch wenn die Analyse, dass „die Ökonomie genau so wenig eine Wissenschaft sei wie etwa Rockmusik“ aus verschiedensten Perspektiven nachvollziehbar sein mag, hilft sie uns trotzdem nicht über die Notwendigkeit von Lösungsansätzen hinweg.

Trotz täglich auf uns losgelassenen Horrormeldungen wie Hunger in Spanien oder Malaria in Griechenland, scheinen die meisten Menschen über die Tragweite dessen was da passiert kaum, oder nur sehr unzureichend informiert zu sein.

Gerade auch bei politisch und gesellschaftspolitisch interessierten Menschen ist man bisweilen erstaunt, welche Probleme es macht, all diese Informationen zumindest einzuordnen und einen fragmentarischen Überblick zu erhalten. Kein Wunder, haben doch die meisten im Laufe ihrer Schulbildung und universitären Laufbahn einen weiten Bogen um alle ökonomischen Fragen gemacht und leider auch machen können.

Während gerade eine tägliche Turnstunde gefordert wird, bis zum Erbrechen wildeste Integralrechnungen gelehrt werden und die lateinischen Namen der Bausteine einer Zelle unterrichtet werden, ist man nach acht Jahren AHS oft schon mit simplen Begriffen wie „Inflation“ oder „elastische Preise“ überfordert. Beziehungsweise müssen derartige Grundlagen nun mühsam nach erarbeitet werden, auch Journalisten ächzen – und die Sachbuchverlage jubeln.

Da unsere Probleme mit Geld, Wirtschaft und Schulden aber nicht weggehen wenn wir nur lange genug den Kopf in ein Konglomerat aus popkultureller Ablenkung und gesellschaftlichen Orchideenthemen stecken, wird es wohl notwendig sein, sich wenn schon keine Meinung, dann wenigstens einen Überblick zu verschaffen – außer natürlich man mag das Feld weiterhin jenen „Experten“, Karrieristen und Politdarstellern überlassen, die schon bislang eher suboptimale Ergebnisse servierten.

In diesem Sinne wollen wir in dieser Ausgabe von "Economy Death Match" ein bisschen was von dem Diskurs abbilden, der tausende Menschen in den Städten Frankreichs, Spaniens oder Portugals demonstrieren lässt und noch immer zahlreiche Talkshows füllt: Die Sparpolitik. Führt sie uns in den Abgrund? Oder nicht? Oder führt sie uns zwar in den Abgrund, aber besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende? Zur Illustration hauen wir (Paul Pant und ich) uns hier und jetzt die stereotypen Watschen um die Ohren – Austerität, pro oder contra?

CONTRA

Es ist ein bisschen tatsächlich so, wie das Jean Ziegler ausdrückte, als er letzte Woche in Wien war. Die neoliberale Doktrin, also der Glaube, dass mit Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung eine bessere Welt geschaffen werden könnte, sucht sich neue Opfer, der Dschungel schreitet auf Europa vor.

Auch wenn davon auszugehen ist, dass nur die Dümmsten diesen längst widerlegten Quatsch auch wirklich selbst glauben. Jedenfalls scheint es ihnen, den Eliten aus Politik und Wirtschaft, als taugliches Mittel noch mehr Reichtum in noch weniger Händen zusammen zu raffen. Viele Jahrzehnte hat man das vor allem mit den Ländern und Menschen der Entwicklungsländer getan. Die großen Konzerne und ihre Helfershelfer aus Regierungen, IWF, WTO und Weltbank haben diese Länder sanft gezwungen Regulierungen abzubauen und ihre Märkte zu für Exporte zu öffnen – obwohl jeder weiß, dass Staaten in der Entwicklung geschützt werden müssen, nicht umsonst haben etwa die USA oder England in der Zeit ihres größten Aufstiegs massiven Protektionismus betrieben.

Aber darum geht es nicht, es geht um Absatzmärkte, willfährig unterstützt und finanziert von Staaten und Banken – bis die betreffenden Länder so unter ihren Schulden ächzen, dass sie sogar die grundlegendsten sozialen Standards kürzen müssen.

Die Folge dieser ganzen Veranstaltung ist eine Schere die im Tempo einer Exponentialfunktion auseinandergeht und eine Verteilung von Einkommen und Vermögen die den Boden bereitet auf dem Gewalt gedeiht.

Denn der kleine Bevölkerungsanteil, der schon vor Beginn der Krise im Jahr 2008 die Hälfte des Vermögens gehalten hat, ist in den Jahren der Krise noch reicher geworden, sowohl die Vermögenszuwächse des Top-Prozents als auch die Einkommenszuwächse der Manager von ATX-notierten Unternehmen steigen jedes Jahr im zweistelligen Prozentbereich während überall anders bestenfalls Stagnation herrscht.

Das hauptsächliche Problem dieser Krise, die fälschlich Schuldenkrise genannt wird, ist, wie etwa auch der Ökonom Stefan Schulmeister meint, die falsche Allokation von Geld.
Trotz Wachstums hat die Masse der Bevölkerung, also die Arbeitnehmer, nichts von diesem Wachstum gehabt. Die Produktivität ging fast vollständig in den Faktor Kapital, unter dem Motto „lassen sie ihr Geld für sich arbeiten“ hat man sich dabei völlig verrannt, denn nur Menschen können arbeiten. Wenn allerdings immer mehr Geld in die Casinos von Geld- und Kapitalmarkt fließt und immer weniger in die Taschen der Menschen, sinkt nicht nur die Kaufkraft sondern damit auch der Konsum und damit natürlich auch die Steuereinnahmen.

Um diesen Einbruch zu verkraften hat man jahrelang auf kreditfinanzierte Stimulation gesetzt, nicht nur Staaten, auch private Haushalte – das war speziell das Problem der USA wo die Blase stark über Eigenheim-Kredite befeuert wurde. Die Banken, die mit den neu überarbeiteten Rechnungslegungsvorschriften tun und lassen konnten was sie wollten, hat das gefreut, es war die Zeit der Riesengewinne.

Jetzt am Ende, wo die Blase geplatzt ist, muss natürlich wieder die öffentliche Hand die Folgen der Party beseitigen – und sich damit noch weiter in Schulden stürzen, die Folgen sind bekannt.

Versucht man nun also, diese Lage damit zu lösen, dass man mit „Sparen“ diese riesigen Berge an Außenständen abbauen will, die sich mit der Zeit durch Zinseszinsen zu wahren Himalayas auftürmen – dann gleicht das dem Versuch ein brennendes Atomkraftwerk mit einer Bazooka-Spritzpistole zu löschen.

Die Lösungen müssen andere sein, ein richtiger Schritt war sicher die Erklärung der EZB unbegrenzt Anleihen zu kaufen um den Zinsdruck von den betroffenen Ländern zu nehmen, aber auch das wird nicht reichen.

Bevor nach Griechenland die nächsten Kandidaten unter die Räder kommen ist es also höchste Zeit:

  1. Der Deregulierung einen Riegel vorzuschieben und gewisse Finanzprodukte schlichtweg zu verbieten
  2. Schulden großflächig abzubauen, am besten geht das mit einer fairen Besteuerung jener die bislang profitierten – also empfindlichen Steuern auf Vermögen, Erbschaften und Transaktionen
  3. Der Entmachtung des Bankensektors durch direkte Staatenfinanzierung per Zentralbank, strengere Buchführung, Zerschlagung systemrelevanter Banken und Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken

Über 65 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg, nach all den Jahrzehnten rasanten Reichtums, nach all dem Wachstum, ist nicht einzusehen, dass nun Errungenschaften wie die 5-Tage Woche oder der Kündigungsschutz erneut zur Diskussion stehen, obwohl die teilweise VOR dem zweiten Weltkrieg erkämpft wurden. Wie hat Jean Ziegler auch gesagt: „Die neoliberalen Märchen glaubt doch kein Mensch mehr!“.

Dann wird es aber endlich Zeit, auch so zu handeln.

PRO

Es kommt wirklich nicht oft vor, dass ich in Verlegenheit bin, mit Noam Chomsky jenen Mann zu zitieren, der sich als Sprachwissenschaftler zu einem Ökonomen erklärt, aber da hat er recht: Schulden sind eine Massenvernichtungswaffe.
Oft, so etwa auch bei der bizarren Maischberger-Diskussion mit Stronach und Lafontaine, kommt von den trotz prolongierter Erfolgslosigkeit noch immer recht lauten Mainstream-Keynesianern das Argument: Ein Staat ist kein Betrieb, BWL ist was anderes als VWL.

Ihr Argument: Auch wenn jede Hausfrau nicht mehr ausgeben kann als sie einnimmt, ist der Staat als unsterbliches Geschöpf eben keine Hausfrau, sprich, er kann sich immer weiterverschulden. Aus dem Ruder läuft das Ganze erst dann, wenn die Zinslast aus dem Ruder läuft. Wenn alte Schulden nur bedient werden können in dem man neue Schulden aufnimmt, ganz wie in einem Pyramidenspiel.

Also jetzt.

Jetzt heißt das natürlich nicht, dass ein Staat nie und nimmer Schulden machen soll, die Frage ist aber wofür und wie lange.
Zur Finanzierung staatlicher Agenden steht dem Staat und seiner Zentralbank (auch wenn das in Europa aktuell etwas komplizierter ist) neben Krediten auch die Geldpolitik zur Verfügung. Seit wir nicht mehr mit Goldmünzen bezahlen, die ihre Nominale wert sind, kann eine Zentralbank durch Hebel die Geldmenge ausweiten. Seit jegliche Golddeckung, spätestens mit dem Ende von Bretton Woods, aufgegeben wurde sind dabei Tür und Tor geöffnet.

So hätten sich die USA wohl schwer getan ohne Anwerfen ihrer Notenpresse die Unsummen zu finanzieren, die sich in den letzten Jahren durch Bankenrettungen oder Kriege ansammelten.
Das geht nur mit ungedecktem Papiergeld.

Das Problem dabei: Irgendwann bricht das Kartenhaus zusammen, irgendwann strebt der innere Wert so einer Währung, die durch nicht als durch Vertrauen auf Rückzahlung gedeckt ist, gegen Null. Wenn der Dollar also die Leitwährung ist, könnte man statt der Feststellung „Gold ist auf einem neuen Rekordhoch“ auch sagen „der Preis des Dollars ist gemessen in Gold massiv gesunken“.

Das Geld wird also weniger wert, betroffen davon sind allerdings nicht nur „die Reichen“ wie uns das die Linke oft weismachen will – sondern vor allem die kleinen Sparer, Arbeiter, Angestellte und kleine Unternehmer – kurz alle, die für ihr Geld Leistung erbringen müssen.
Die großen Vermögen hingegen haben weniger Angst, sie besitzen erstens reale Werte wie Immobilien und sind zweitens flexibel und beweglich.

Nein, Geldentwertung durch Geld drucken ist und bleibt eine Enteignung des Durchschnittsbürgers, so wie schon Keynes einst die glorreiche Idee hatte, den Arbeiter nicht weniger Lohn zu zahlen, sondern kraft Inflation einfach ihre Kaufkraft zu senken.

Und genau das soll also auch jetzt passieren: Eine Umverteilung von den Gläubigern zu den Schuldnern, von fleißig zu verschwenderisch.

Seit vielen Jahrzehnten kaufen sich die politischen Parteien ihre Wählerklientel mit teuren Wahlgeschenken, ob das ineffiziente Wohlfahrts-Staaten, Subventionen für die Landwirtschaft, Militärausgaben oder überflüssige Prestigeobjekte sind.
Da sich der Staat mit so viel Geld einmischt wird am Ende jedes Gleichgewicht, jede natürliche Allokation von Preisen, Gütern und Investitionen zerstört – die Folgen davon beginnen wir jetzt zu spüren, wir stehen am Beginn einer Welle der Verarmung.

Allerdings sind wir von dieser langen Zeit mit pump-finanzierter Verschwendungssucht durch die staatliche Schuldenmaschine schon so gehirngewaschen, dass wir gar nicht mehr erkennen können, dass es kein Menschenrecht auf so etwas wie Filmförderung oder Mindestsicherung gibt.
Was jetzt passiert ist demnach keine richtige Krise, sondern die Bereinigung von Jahrzehnten falscher Anreize.

Zu hoffen steht, dass dieser Umbruch ohne große Verwerfungen über die Bühne gehen kann, schmerzlos wird es sicherlich nicht. Und die Idee sich vor diesen Umbrüchen durch noch mehr kurzfristige Schuldenmacherei zu „retten“ erhöht bloß die Fallhöhe und darf getrost als Schwachsinn bezeichnet werden.

Wenn es dann allerdings einst geschafft ist, könnte man sich überlegen, wie man künftig verhindern kann, dass Staaten durch Missbrauch des Geldsystems die Weltwirtschaft an die Wand fahren.

Ein echter Marktpreis für Geld, also eine Abkehr vom per Dekret und planwirtschaftlich festgelegten Leitzins, wäre dann übrigens auch ein guter Schritt.

Economy Death Match

Paul Pant und ich schlüpfen in die Rollen der Streitenden und legen Zahnschutz und Suspensorium an. Im verbalen Boxring schlagen wir uns die Argumente um die Ohren. Und wer dabei die besseren Argumente hat entscheidet ihr. Discussion welcome!

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar