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Pia Reiser

Filmflimmern

9. 10. 2012 - 10:48

Amerika! Freiheit! Jesus!

Will Ferrell und Zach Galifianakis verstricken sich in "The Campaign" in eine Schmutzkübel-Wahlkampagne. Über politische Satire und die Komik der Politik.

Die US Demokraten waren immer die fescheren Lackel auf der Leinwand, die Republikaner das bessere Komödien-Ausgangsmaterial. Von Michael J. Fox als Alex Keaton mit der Nixon-Brotdose in "Family Ties" bis zum Simpson'schen Tingel Tangel Bob, selbst das Fernsehen wusste die konservative Attitüde stets komödiantisch zu nutzen. Dann kam die Tea Party und trieb US Komödianten zu neuen Höchstleistungen an. Von Tina Feys Sarah Palin-Imitationen bei Saturday Night Life bis zu Jennifer Garner als Butterfigurenschnitzerin in "Butter". Im Falle von Michele Bachman wird die Überhöhung beinahe unmöglich, Komödiantin Kristen Wiig gibt - ebenfalls im Rahmen von "Saturday Night Live" ihr bestes, doch Bachmann selbst ist ihre beste eigene Satire.

Moderate Republikaner hingegen funktionieren nun auch als Serien-Identifikationsfiguren, wie zB Jeff Daniels als News Anchor in der Krise in Aaron Sorkins "The Newsroom". So ändern sich die Zeiten. Die Demokraten hingegen sind schon längst nicht mehr die hübschen Hegel, sondern schauen zB in Jay Roachs Komödie "The Campaign" reichlich dämlich aus dem Sakko.

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America! Freedom! Jesus!

Motch Brothers

Der wunderbare Will Ferrell spielt mit Seitenscheitel aber ohne politische Agenda einen Phrasendrescher und Blender namens Cam Brady. Ein Abgeordneter der Demokraten, der Volksnähe und Zupackqualitäten vorgaukelt und weiß, dass man ohnehin nur "Jesus, Freedom, America" predigen muss, um Wahlen zu gewinnen. In seinem Fall ist es noch einfacher, da er bereits zum fünften Mal als Abgeordneter kandidiert und zum fünften Mal ohne Herausforderer. Nur hat er - und das ist fatal in der amerikanischen Politik - die Rechnung ohne die Koch Brothers gemacht. Die hören in "The Campaign" auf den Namen Motch Brothers; John Lithgow und Dan Aykroyd sind in die Zweireiher und Mascherl der stink- und einflussreichen Fädenzieher geschlüpft. Die Motch Brothers brauchen eine republikanische Marionette, um ihren Plan, North Carolina an China verkaufen zu können und dann chinesische Arbeitskräfte in neu erbauten Sweatshops zu beschäftigen, umsetzen zu können. Insourcing heißt das Zauberwort, erklären die Motch Brothers nicht ohne Stolz.

JOhn Lithgow und Dan Aykroyd

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Ärger als die Blues Brothers: Die Motch Brüder

Das China Syndrom

Mitt Romneys "Outsourcing" war auch für "The Simpsons"-Autoren ein gefundenes Fressen: Homer votes 2012 auf Youtube

Erst im Juni geriet Mitt Romney in die Schlagzeilen, weil er als CEO von Bain Capital dafür gesorgt hat, dass Jobs nach China ausgelagert wurden. Obama nannte Romney in Wahlvideos einen "Outsourcing Pionier". Chinakritik haben sich sowohl Romney als auch Barack Obama auf die Wahlkampffahnen geschrieben und so sitzen zahlreiche Seitenhiebe von "The Campaign" so gut wie die Anzüge der Motch Brothers.

Deren republikanischer Kandidat Marty Huggins (Zach Galifianakis) muss seine geliebten Haustiere, zwei stetig hechelnde Möpse im Wahlkampf gegen Golden Retriever eintauschen, da die aus China stammende Hunderasse für einen angehenden Politiker nicht tragbar wäre. Und als Marty eine Geschichte mit dem Titel "Rainbowland" findet, die sein Gegenspieler Cam Brady als 8-jähriger verfasst hat, bläst er sie zum kommunistischen Manifest auf. Bei der öffentlichen Diskussion macht sich Hysterie breit. "We don't wanna go to Rainbowland" brüllt das echauffierte Publikum, mit rotem Kopf, nahe an der Hysterie. Eine der besten Szenen der Komödie.

Zach Galifianakis und Dylan McDermot

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Zach Galifianakis spielt Marty Huggins auf der nach oben offenen Galifianakis-Skala des Wahnsinns sehr zurückhaltend. Marty ist ein verschrobener Familienvater, Leiter des Tourismusbüros und Besitzer unzähliger hässlicher Pullover, die Billy Cosby eine große Freude bereiten würden. Die Entwicklung von Martys Figur läuft wenig überraschend ab, wie Galifianakis sie aber spielt, die Hände im Schoß gefaltet und die Stimme manchmal in die fistelnde Höhe von Truman Capote schraubend, ist eine reine Freude.

Zach Galifianakis in "the campaign"

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Ein Bart als Bedrohung

Auch Ferrell glänzt, als Inspiration für den ehrgeizigen Brady gibt er den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten John Edwards an. Mit dem hat Brady nicht nur den Hang zum Seitensprung gemein, sondern vor allem den akkuraten Seitenscheitel. Hair is everything, sagt Regisseur Jay Roach im Interview, you can't really run for president without great hair. Endlich sagt das mal wer. Cam Brady macht sich um seine Haare mehr Gedanken, als um ein Wahlprogramm abseits der Floskelei. In einer wunderbaren Szene, die leider nur im Trailer zu sehen ist, erläutert er seinem Wahlkampfmanager Jason Sudeikis die Grandesse seiner Haarpracht: "My hair is so strong, it could lift a car off a baby if it had to".

Will Ferrell und Jason Sudeikis in "the campaign"

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Die Gesichtsbehaarung seines Kontrahenten, Martys Schnauzer, nutzen die Brady'schen Campaign-Manager als Chance für einen Gegenschlag. So ein Bart sei quasi der Mitgliedsausweis für die Al Qaida. Ein Argument von ähnlicher Dämlichkeit wie die Aussagen bei Straßenumfragen vor der Präsidentenwahl 2008, dass Obama nicht wählbar sei, weil sein Name ähnlich wie Osama klingen würde, oder die zahlreichen Verschwörungstheorien, dass Barack Obama dem Islam angehöre. Oder gar der Antichrist sei.

Mitt Romney oder Montgomery Burns

"War has got rules. Mud wrestling has rules. Politics has no rules". Das Zitat önnte vom dumpfen Ehrgeizling Cam Brady stammen, tut es aber nicht. Mit diesem Zitat von Ross Perot, das dem Film vorausgeht, stellt "The Campaign" gleich klar, dass die echte Welt sehr oft schon selbst nahe an der Satire sei. Immer wieder tauchen im Netz Zitatlisten auf, die Aussagen von Politikern mit Verbalauswüchsen von Monty Burns aus "The Simpsons" oder Ron Swanson aus "Parks & Recreation" versammeln. Nicht immer kann kann man auf Anhieb einen Burns von einem Romney trennen. Auch die Koch Brothers können offenbar manchmal Film und Realität bzw Zach Galifianakis und seine Filmfigur in "The Hangover" nicht wirklich unterscheiden. Als der Schauspieler in einem Interview die Brüder als creepy bezeichnet, geben sie zurück, dass man kein moralisches Werturteil von jemandem annehmen soll, der obszöne Gesten mit einem Affen aufführe.

"The Campaign" läuft seit 5. Oktober in den österreichischen Kinos

Angesichts solch verwirrender Zeiten versteht man, dass der Vater von Marty Huggins, ein Republikaner wie aus dem Lehrbuch, sich in "The Campaign" zurückgezogen hat. Er angelt und lässt seine asiatische Hausangestellte mit breitem Südstaaten-Akzent sprechen, weil ihn das an die gute alte Zeit erinnere. Wie meinte schon Ned Flanders, ebenfalls ein Konservativer bis in die Schnurrbartspitzen: "I wish we lived in a place more like the America of yesteryear that only exists in the brains of us Republicans."

Will Ferrell in "the campaign"

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Schlangentanz

Zeilen wie diese wünscht man sich manchmal in "The Campaign", dennoch macht der entgleitende Wettstreit Spaß und das liegt an den Meistern des awkward Humors, Will Ferrell und Zach Galifianakis. Wenn Ferrell von Schlangen umschlungen ekstatisch tanzt oder Galifianakis versucht, wie Burt Reynolds zu sprechen, dann verzeiht man "The Campaign", dass das beste komödiantisches Pulver bereits in der ersten Hälfte verschossen wird. Mir fällt Raul Rudd ein, der in "Parks and Recreation" den trotteligen Republikaner Bobby Newport spielt und dessen Wortspiel man - dank des Filmtitels - auch auf "The Campaign" ummünzen kann: I don’t know why they call it a campaign, because up until now it’s been a cam-pleasure.