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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

3. 10. 2012 - 15:47

Fußball-Journal '12-38.

Class of '90/'91. Was wurde aus zwei nunmehr ins Erwachsenen-Stadium entlassenen ÖFB-Jahrgängen?

Auch in der aktuellen Saison begleitet das Fußball-Journal '12 (wie schon in den Vorjahren) die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das mediale Umfeld.

Heute mit einem Blick auf den seit gestern neu aufgestellten ÖFB-Nachwuchs.

Der U21-Kader für den Test gegen das Team der Demokratischen Republik Congo am 12. 10. in Melk und am 15. 10. gegen Ungarn in Parndorf.

Der nach dem EM-Out neu strukturierte Kader umfasst in Vorbereitung auf 2013 nur noch die Jahrgänge '92 und '93, wo das die U21 respektive die U20 sein werden.

Tor: Samuel Radlinger (Hannover/D), Richard Strebinger (Werder/D), Christoph Riegler (St.Pölten). Auf Abruf: Lukas Waltl (Sturm).

Abwehr: Patrick Farkas, Lukas Rath (Mattersburg), Kevin Wimmer (Köln/D), Martin Hinteregger (Salz-burg), Lukas Spendlhofer (Inter/ITA), Matthias Maak (Neustadt), Thomas Weber (Admira). Auf Abruf: Stefan Petrovic (Neustadt), Florian Neuhold (Sturm).

Mittelfeld: Raphael Holz-hauser, Kevin Stöger (Stuttgart/D), Tobias & Florian Kainz (Sturm), Gernot Trauner, Marcel Ziegl, Robert Zulj (Ried), Robert Völkl (Liefering), Marcel Sabitzer (Admira), Marcel Ritzmaier (PSV/ NED). Auf Abruf: Simon Piesinger (Innsbruck), Daniel Offenbacher (Neustadt), Konstantin Kerschbaumer (St.Pölten), Julian Erhart (Altach).

Angriff: Marco Djuricin (Regensburg/D), Michael Gregoritsch (Hoffen-heim/D), Toni Vastic (Bayern/D). Auf Abruf: Philipp Prosenik (Milan/ ITA), Srdan Spiridonovic (Austria), Marco Heil (Kalsdorf).

David Alaba spielt bereits beim A-Team.

Weitere 92er-Kandidaten: Christoph Knasmüllner (Ingolstadt/D), Alexander Aschauer, Moritz Moser (Burghausen/D), Christian Pauli (Osnabrück/D), David Schloffer (Sturm), Bernhard Janeczek (Gladbach/D), Radovan Mitrovic (Utrecht/NED), Rafinha (Toledo/BRA), David Jelenko (Horn), Florian Maier (BW Linz), Daniel Gremsl (Hartberg), Daniel Luxbacher (Lustenau), Christoph Domig (Altach) uam...

Weitere 93er-Kandidaten: Dejan Stojanovic (Bologna/ITA), Andreas Pfingstner (Rostock/D), Seifedin Chabbi (Hoffen-heim/D), Dominik Burusic (Admira), Eric Zachhuber (Altach), Marvin Potzmann, Francis Enguelle (Matters-burg), Julian Rupp, Pius Simma (Lustenau), Patrick Haas (Horn), Jannick Schibany, Gerald Peinsipp (St.Pölten), Marco Rosen-felder (Lens/F), Jesse Darko (Cardiff/ENG), Erich Marscheider (Houston Dynamo/USA) uam...

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Die U 17 (Jahrgang 96) spielt seine EM-Quali in Schwaz/Hall (Tirol): am 10.10. gegen Zypern, am 12.10. gegen die Färöer und am 15.10. gegen die Schweiz.

Die U19 (Jahrgang 94) testet am 10.10. in Montenegro ehe sie im November in ihre EM-Quali in Ungarn (Gegner: die Hausherren, Bulgarien und Andorra) geht.

Die U18 (Jahrgang 95) testet am 15. 10. in den Niederlanden.

Die U16 spielt am 5. und 8. 10. zwei Tests gegen Deutschland und am 30. 10. und 1.11. zweimal in Belgien.

Wirklich wichtig ist es dem ÖFB nicht.
Es gibt bis dato keine Aussendung, keine Medieninfo und auch keine lancierte Meldung.

Wirklich wichtig ist es auch dem A-Teamchef nicht.
Der erwähnte zwar, anlässlich seiner gestrigen Kader-Nominierung, als die Sprache auf Andreas Weimann, Raphael Holzhauser und das ÖFB-Nachwuchs-Team kam, seine Beobachter-Tätigkeit - das U21-Team und die Besonderheit der den Journalisten in der Pressemappe mitgelieferten Kader-Nominierung für zwei Testspiele würdigte er aber keines Wortes.

Ist auch nicht sein Job - könnte man meinen.
Ist es eigentlich doch.
Der sportliche Verantwortliche der A-Nationalmannschaft hat die Nachwuchs-Teams des Verbands zumindest mitzudenken. Und bedeutsame Einschnitte zu vermelden; vor allem dann, wenn es sonst keiner tut. Es ist nämlich die Aufgabe, ja die Verpflichtung des ÖFB, einen Umbruch zu vermelden, Bilanz zu ziehen und zu legen.

Der große Schnitt im U21-Team

Also: nach der verherzogten und vergregoritschten EM-Qualifikation des U21-Teams setzt man jetzt den Schnitt, bereitet sich auf die neuen Alteraregelegungen ab 2013 vor: der Jahrgang 1992 wird dann die neue U21, der von '93 die neue U20 bilden.
Die Jahrgänge 90/91, die bislang noch als Nachwuchs galten, werden hiermit ins Erwachsenen-Alter entlassen.

Die "Produkte" der vielen Akademien, der fleißig arbeitenden Leistungszentren, der Landesverbände, der vielzitierten Jugendarbeit der Vereine sind keine graue amorphe Masse, sondern ein recht übersichtliches Häufchen. Vielleicht gerade so viele "Abgänger", wie ein recht kleiner Markt verträgt.

Und natürlich ist die Qualität wichtiger als die Quantität.

Schauen wir uns einmal die beiden Jahrgängen an...

Class of 90:

Mit Daniel Royer (Köln/D) hat nur ein 1990 Geborener den Sprung ins öffentlichkeitswirksame Ausland geschafft. Sechs weitere Akteure haben bereits ins oder ans Nationalteam herangeschnuppert, kamen auf Länderspiele, Nominierungen oder Einladungen: Deni Alar, Christopher Drazan (Rapid), Heinz Lindner (Austria), Christopher Dibon (Salzburg), Jörg Siebenhandl (Neustadt) und Stefan Schwab (Admira).

Dazu kommt ein gutes Dutzend Spieler, die bei Bundesligisten mehr oder weniger gute Figur machen: Christoph Kröpfl, Philipp Hütter (Sturm), Thorsten Schick (Admira), Maximilian Karner (Ried), Christopher Wernitznig, Marco Köfler, Markus Egger (Innsbruck), Dario Tadic, Stefan Rakowitz, Dominik Hofbauer, Thomas Kral, Christoph Freitag (alle Neustadt) und Michael Sollbauer (WAC).

Verstärkt gilt das auch für die 1. Liga: Dieter Elsneg, Manfred Gollner (KSV), Benedikt Zech, Daniel Schöpf, Philipp Hörmann (Altach), Jan Zwischenbrugger, Lukas Kragl (Austria Lustenau), Michael Popp, Stephan Zwierschitz, Marcel Holzmann (St.Pölten), Thomas Hopfer, Thomas Helly (Hartberg), René Felix, Cem Tosun (Lustenau), Thomas Höltschl (BWLinz), Dominik Rotter (Vienna), Kevin Fend (Grödig) oder Philipp Zulechner (Horn).

Ins medienunbeachtete Ausland haben sich Florian Hart (SönderjyskE/DEN) und David Harrer (Vaduz/LIE) verzogen. Pirmin Strasser probiert es bei Almeria in der spanischen 2. Liga.

Jonathan Schmid, der bei Freiburg eine immer bessere Figur macht, kommt aus der französischen Fußball-Schule, wäre wegen seiner Doppelstaatsbürgerschaft aber durchaus ÖFB-technisch ansprechbar.

Die Class of '90 hat also etwa 40 Absolventen.

Class of '91

Der 91er-Jahrgang kommt ein wenig spektakulärer daher: mit
Aleksandar Dragovic (Basel/SUI) und Andreas Weimann (Aston Villa/ENG) verfügt er über zwei Vorzeige-Kicker auf dem großen internationalen Parkett. Dafür sind diese beiden aber auch die einzigen Teamspieler.

Andere Legionäre wie Manuel Sutter (St. Gallen/SUI), Robert Gucher (Frosinone/ITA), Marcel Büchel (Cremonese/ITA), Christian Bubalovic (Rudar Velenje/SLO), Dominik Kirschner (Hércules Alicante/SPA) sind großteils unter dem ÖFB-Radar durchgeflogen.

In den Bundesliga-Teams sind zwar mehr 91er gemeldet, kriegen aber deutlich weniger Spielpraxis als die 90er: Stefan Hierländer, Georg Teigl (Salzburg), Michael Schimpelsberger, Muhammed Ildiz, Lukas Grozurek, Thomas Dau (Rapid), Emir Dilaver, Lukas Rotpuller, Remo Mally (Austria), Christian Klem (Sturm), Marco Meilinger (Ried), Daniel Schütz (Innsbruck), Richard Windbichler, Stephan Auer (Admira), Thorsten Röcher, Manuel Prietl (Mattersburg), Roland Putsche (WAC) oder Mahmut Imamoglu (Neustadt) sind zumeist noch im Aufbau.

Das gilt auch für die 1. Liga: Mario Grgic, Philipp Wendler (KSV), Michael Ambichl (St.Pölten), Lukas Hinterseer, Markus Pink (Vienna), Philipp Huspek (BWLinz), Luca Tauschmann, Kevin Krisch, Daniel Rossmann (Hartberg), Stefan Stangl, Sandro Gotal, Philip Petermann (Horn)...

Auch die Class of '91 kommt auf an die 40 Absolventen.

Aufälligkeiten in der Analyse

Auffällig ist die breite Streuung. Jeder nominelle Profi-Klub einen 90/91er mit dabei. Rapid und Neustadt, St.Pölten und Hartberg sind die Klassenbesten.

Die Karrierewege folgen keinem Muster, sondern sind zumeist dem Zufall überlassen.

Das hat zum einen durchaus mit den Entwicklungsschritten zu tun, die bei Teenagern und jungen Männern schub/stoßweise passieren können, zu tun.

Allerdings ist auch der Auswahl-Blick des ÖFB kritisch zu hinterfragen.
Beispiel Momo Ildiz: der wurde als 16jähriger mit einem Spezial-Förderpreis gewürdigt, kam inn weiterer Folge bei der U17 und der U18 zu Einsätzen. In der U19 verliert sich seine Spur. Für die U20-WM wurde er von Andreas Heraf nicht einmal ignoriert - jetzt, mit 22, gilt er als großer Rapid-Hoffnungsträger.

Beispiel Manuel Prietl: der Mattersburger Defensivspieler fiel bis vor einem Jahr offenbar niemandem großartig auf, ehe er dank Landsmann Gregoritsch ein paar U21-Matches bekam.

Beispiel Marcel Büchel: der Vorarlberger Spielmacher galt als 18jähriger als Supertalent, wurde dann aber - wegen seines als zu anstrengend empfundenen Vater-Beraters - mit dem Signet "schwierig" behängt und nie mehr berufen. Büchel gehört aktuell dem Serie A-Verein AC Siena.

Im Land Gebliebene vs. Jung-Legionäre

Der Anteil der Abgänger, die sich schon im Ausland umgeschaut haben, beträgt etwa ein Viertel (neben den bereits als Legionären Ausgewiesenen sind das auch Hofbauer, Schimpelsberger, Dau, Elsneg, Holzmann, Rotter, Hierländer, Imamoglu oder Krisch).

Das ist nicht wenig - im Vergleich zu den Classes of '92/'93, dem neuen U21-Team aber noch gar nichts: dort erreicht man innerhalb der engeren Focusgruppe eine Auslandserfahrungsquote von etwa 40% (was immerhin einem Medium auch eine Meldung wert war).

Das nativistische Gerede davon, dass man als Kicker in den Umbruchs-Jahren (also zwischen 18 und 21) lieber in den heimischen Ligen bleiben und sich ja nicht im gefährlichen Ausland (das voller Ausländer und womöglich fremden Erfahrungen ist!) umtun soll, hat sich also als a) falsch und b) (glücklicherweise) auch fruchtlos erwiesen.

Eine Nationalmannschaft aus den Classes of '90/'91 würde so aussehen:

H. Lindner (J. Siebenhandl); Hart, Dragovic, Dibon (Windbichler), Klem; Teigl (Hierländer), Ildiz (Prietl), Schwab (Elsneg), Drazan (Royer); Alar, Weimann.

Witzig, dass sich hier dieselben Schwächen wie beim A-Team manifestieren: hinten an den Seiten und vorne im Angriff. Dass sich diese Schwächen durchziehen, liegt auch an den Ausbildungs-Strukturen und der ausbaufähigen Kommunikation im Nachwuchs-Bereich. Von einer grundlegenden Gesamt-Philosophie, die in Sonntagsreden zwar angekündigt wird, aber auch ein Jahr nach der Koller-Bestellung und der gleichzeitig stattfindenden Neuorientierung noch immer nicht existiert, keine Rede.
Der Fisch stinkt, wie immer, vom Kopf her.
Kein Wunder, dass sich niemand befassen will.