Erstellt am: 2. 10. 2012 - 22:34 Uhr
Brain Power für den Tycoon
Ich habe einen Termin mit dem Staatsrechtler Prof. Klaus Poier, der die Stronach-Forschungsgruppe an der Uni Graz leitet, und bin etwas knapp dran. Wo befindet sich die rechtswissenschaftliche Fakultät am Gelände der Uni Graz? Der Student, den ich nach dem Weg frage, macht Jus, das trifft sich. Und er kann sich vorstellen Frank Stronach zu wählen, weil der hätte viel für Graz getan.
Seit 2003 unterhält Stronachs Automobilzulieferkonzern Magna mit der Fakultät für Maschinenbau der TU Graz eine Public-Private-Partnership, die ein Masterstudium in Produktionswissenschaft und Management anbietet.
"Das ist ein Win-Win und als solches ist es auch formuliert." sagt dazu die Sprecherin der TU Graz.
TU Graz
Mit Hilfe des Jus-Studenten finde ich zum ReSoWi-Zentrum der Uni Graz: eine steil geschwungene Glasfassade hinter einem schilfumwachsenen Fischteich. Hier wünsche ich dem Jus-Studenten viel Glück bei seiner Prüfung. Im Lift treffe ich dann Professor Klaus Poier. "Es gibt viele Vorschläge von Frank Stronach, was er verändern möchte. Wir waren sehr frei auszuwählen und Akzente zu setzen." sagt er.
So befasst sich die Grazer Stronach-Forschungsgruppe mit einer möglichen neuen zweiten Kammer des Parlaments, einer Art "Bundesrat neu". Eine Studentin hat in ihrer rechtswissenschaftlichen Abschlussarbeit Frank Stronachs Vorschlag einer gesetzlichen Verankerung der Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmensgewinn auseinandergenommen. Ihr Fazit: die Idee ist mit den derzeitigen österreichischen Verfassungsbestimmungen nicht vereinbar.
Teresa Rothwangl Uni Graz
Die Unternehmensphilosophie des Lean Managements, des "schlanken Managements" setzt Stronach auf den "schlanken Staat" um. Da passt es, dass sein eigenes "Institut für sozialökonomische Gerechtigkeit" ein schlankes Institut ist: mit nur drei Mitarbeitern. Die Arbeit des Think Tanks ist effizient an fünf Universitäten outgesourced. Die Uni Graz, die TU Wien, die WU Wien, die Uni Innsbruck und die Uni Linz sind die content provider, die mit insgesamt 900.000 Euro bis 2014 Stronach-Forschung betreiben.
Fragen der Sozialreform und der Demokratiereform stehen im Zentrum der Forschungen. Zu den weiteren Stichworten gehören: Schuldenabbau, Steuerpolitik, Schulreform, Gesundheitsreform, Verwaltungsreform, Massenkommunikation und Teledemokratie. Stronach möchte offenbar nicht nur die Politik, er will das ganze Land gründlich umkrempeln.
Weil ich die Idee von Demokratieforschung an der Technischen Universität Wien am fragwürdigsten finde, schaue ich in die Floragasse 7 in Wien, Wieden. In dem Gebäude werden Mäusegehirne gescannt und Photonen fliegen durch Quantenkaskadenlaser. Wo sonst könnte ein großer Wurf für die Demokratie der Zukunft gelingen?
"Ich möchte bitte zu Professor Gornik." sage ich zu dem stämmigen Portier am Eingang. "Festkörper?" fragt er mich und für einen Moment weiß ich nicht, was ich sagen soll. "Ja." Stronachs Demokratieforschung findet am Institut für Festkörperelektronik statt. "Erster Stock." Eine Weile irre ich durch Gänge, die mit zauberhaften Grafiken und eingerahmten Halbleiter-Nano-Strukturen geschmückt sind und endlich treffe ich Professor Erich Gornik, den langjährigen Vizepräsidenten des Forum Alpbach.
Demokratieforschung 2012
"In Zeiten wie diesen, wo es den jungen Menschen wirklich an den Kragen geht, muss man auch als Universitätslehrer was tun." sagt der Professor. Beim 200-Jahr-Jubiläum der TU Graz sei er zufällig mit Stronach am selben Tisch gesessen und gefragt worden. Eine Grundidee der Stronach-Demokratieforschung sei es "dass wir ein Modell der Demokratie entwickeln, das nicht auf normalen Wahlen beruht, sondern auf so genannten Vertrauensstimmen." Nur Leuten, denen man vertraue, gebe man eine Stimme. Durch ein System würden die Stimmen dann "nach oben akkumuliert". Man könnte drei oder vier Vertrauensstimmen abgeben, je nach Fähigkeiten, zu verschiedenen Themen. Was nach Science Fiction klingt, werde gerade im Computer programmiert und demnächst an Schulen zu Schulsprecherwahlen ausprobiert.
Mit dem allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrecht haben die Modelle nicht mehr viel gemein. "Wir versuchen eine Demokratie auf Fähigkeiten aufzubauen. Es ist wahrscheinlich eine Illusion, aber wenn man keine Illusionen hat, keine Zukunftsideen, die auch abstrus sein können, dann kommt man ja nicht weiter." so Gornik.
Demokratieforschung.at
Dadurch, dass sich Stronach im Wahlkampf befindet, wird seine Sponsorentätigkeit an den heimischen Universitäten von Kritikern gegen ihn verwendet. Angelika Gruber (VSStÖ) vom ÖH-Vorsitz-Team empört sich: "Wenn hier ein alter Mann kommt, der seine Vorstellungen von Demokratie gleich einmal in den Forschungsauftrag hineinschreibt, dann wird dementsprechend herauskommen, was er gerne hätte."
Der Rechtsprofessor Poier hält dem entgegen, dass Stronach es liebe, Widerspruch gerade von jungen Menschen zu bekommen und sich sehr über Kritik freue. Die Universitäten seien gesetzlich sogar dazu angehalten Drittmittel von Unternehmen und Privatpersonen einzusammeln. Stronach sei ein wohltätiger Mäzen, die Forschungsergebnisse würden veröffentlicht und stünden dann der Allgemeinheit zur Verfügung.
Dagegen wendet Angelika Gruber ein, dass Drittmittelgeber immer eigene Interessen hätten und Einfluss auf die Universität nehmen würden. Die fremdfinanzierte Auftragsforschung an den Unis würde sowohl Grundlagenforschung als auch universitäre Lehre verdrängen, was zum Nachteil der Studierenden sei.
Der technische Demokratieforscher, Professor Gornik, ist in dieser Frage übrigens auch der Meinung, dass Drittmittel nicht die Lösung der universitären Unterfinanzierung seien. "Wenn eine Firma Ihnen einen Auftrag gibt, dann ist ja der Auftrag genau kalkuliert. Da bleibt nichts übrig."
Sind die Forschungskooperationen für die Universitäten also bestenfalls ein Nullsummenspiel, so lohnen sie sich vielleicht für den Milliardär.