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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

30. 9. 2012 - 15:58

Emo

Der Song zum Sonntag: Brolin - "NYC"

Kann sich noch jemand an Youth Lagoon erinnern? Diesen jungen, schwächlich hauchenden Mann aus Boise, Idaho, der zuhause im Kinderzimmer an Billig-Keyboards und Drum-Machines verschüchterten Sehnsuchts-Pop bastelt? Dem mit seinem zauberhaften und putzigen Debüt-Album "The Year of Hibernation" vergangenes Jahr dann doch nicht der große Durchbruch gelungen ist? Leider kennen ihn viel zu wenige, und auch wenn man jetzt nicht unbedingt davon ausgehen muss, dass der ebenfalls noch sehr junge Londoner Produzent Brolin mit dem Werk von Youth Lagoon vertraut ist, so hat er es sich dennoch mit seinem ersten veröffentlichten Track klangästhetisch in der gleichen Ecke gemütlich gemacht wie der Amerikaner.

Brolin NYC

Brolin NYC

Ein verhuschter und gemurmelter Gesang, der große Geheimnisse vom Leben und der Liebe zu verraten scheint, holpernde Beats, eine kleine Pianomelodie - mehr braucht es meistens nicht um glücklich zu leiden und sich nach der weiten Welt zu sehnen. Wo bei Youth Lagoon aber eher die Provinz und die Verwurzelung im US-amerikanischen Indie mitschwingen, ist bei Brolin die Großstadt, das Urbane Thema; zudem lässt das Sounddesign in seinem Stück "NYC" auf nicht bloß rudimentäre Kenntnis britischer Tanzmusiken schließen. Die Art, wie hier die Beats gesetzt sind, legt die Vermutung nahe, dass Brolin schon einmal von diversen Post-Dubstep-Derivaten gehört hat. Eventuell auch von James Blake.

Biografische Umstände sind bei Brolin wieder einmal nicht bekannt, er ist ein Produzent, der sich in Nebel hüllt. Am Anfang des Stückes "NYC" steht ein kurzes Knistern, dann erzählt uns Brolin sogleich, wie es sich manchmal anfühlen kann: "Life is short, even when you're ten feet tall." Brolin zieht es in dem Song nach New York City, die Wunderstadt, immer wieder nuschelt er "run away" und scheint in jedem Atemzug die Gewissheit gleich mit zu liefern, dass man eventuell auch anderswo nicht unbedingt immer glücklich werden muss. Es ist die am schönsten verregnete Wehmuts-Musik, die sich dieser romantische Stubenhocker Brolin da für alle jungen und alten Schmerzens-Girls und -Boys in "NYC" zusammengeträumt hat. Und dann ist da auch noch ein Xylophon.