Erstellt am: 3. 11. 2012 - 05:00 Uhr
Schau genau
Man braucht schon eine extreme Liebe fürs Detail, wenn man fingernagelgroße Figürchen in unscheinbaren Gegenden in Szene setzt. Wohl wissend, dass sie kaum Beachtung finden, der Wind sie wegbläst, ein Tier mitnimmt oder dass gar jemand drauf steht.
Der Street-Artist Slinkachu, geb 1979 in Devon, betreibt sein Projekt "Little People in the City" seit 2006.
Es sind ruhige, unaufdringliche Installationen, die sich unauffällig in das Stadtbild einfügen sollen. Im Vergänglichen, in dem, was leicht zu übersehen ist, liegt ein Reiz dieser Arbeiten. Seine Figuren würden für die Isolation und Einsamkeit in Großstädten stehen, erklärt der britische Street-Artist Slinkachu in einem Interview. Wie die meisten Street-Artists möchte auch er möglichst anonym bleiben.
Umso erfreulicher, wenn er seine Arbeiten dokumentiert, wie in seinem Blog (little-people.blogspot.co.at) oder in seinen Büchern "Kleine Leute in der großen Stadt", "Big Bad City" und in dem vor kurzem erschienen "Kleine Leute in der weiten Welt". Darin versammelt er eine Auswahl von Arbeiten aus den letzten zwei Jahren, für die der 33 jährige mehrere Länder bereist hat. Manche Installationen hat er eigens für das Buch angefertigt.
Slinkachu/Cadeau
Auch wenn die kleinen Installationen wie Spielereien wirken, sind sie keineswegs zufällig. Der jeweilige Ort ist wichtig: der Sandhaufen könnte in jeder beliebigen Großstadt sein – ist aber in Katar, der Schulweg auf dem Stacheldraht führt am District Six in Kapstadt entlang und die schwer bewaffneten Polizisten fotografieren sich in Athen.
Erst fotografiert kommt dieses Spiel zwischen Detailaufnahme und dem großen Ganzen zur Geltung. Während die Detailaufnahme durchaus unterhaltsam sein kann, zeigt die Totale dann wortwörtlich einen völlig anderen Blickwinkel. Der Perspektivenwechsel fasziniert und verwundert.
Leicht irritierend und befremdlich sind die Titel und noch mehr deren Übersetzungen. Ob "Unbeschwerter Einkaufsbummel" (im Orig. "Branded") oder "Die kleinen Strolche" (Orig. "Boy's Own Adventures") - auf diese ironischen, zynischen oder einfach nur platten Titel kann man gut verzichten. Diese Arbeiten sind so stark, die wirken für sich. Die schärfen nicht nur das Denken, sondern auch das genaue Schauen. Vielleicht hat man ja mal das große Glück und sieht eine Installation von Slinkachu in der Originalumgebung.
Im Nachwort schreibt Slinkachu, dass er gerne mal in Kabul arbeiten würde. Aber "ein befreundeter Fotograf, der häufig dort unterwegs ist, warnte mich davor. Er meinte, meine Arbeitsweise - eine halbe Stunde auf der Straße zu liegen - wäre eine allzu freundliche Einladung für Kidnapper."