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Pia Reiser

Filmflimmern

1. 10. 2012 - 11:12

Ballermann

In "Schutzengel" schießt Til Schweiger mit schweren Geschützen und Onelinern um sich. Noch fragwürdiger als das Actiondrama ist allerdings Schweigers Werbepakt mit der Bundeswehr und "Bild".

Heiner Lauterbach spielt mit, Herbert Knaup ebenso wie Moritz Bleibtreu. Und der Rest ist Schweiger. Wenn man jedesmal, wenn der Name "Schweiger" im Vorspann auftaucht, einen Schnaps kippen würde, hat man, wenn "Schutzengel" beginnt, einen ordentlichen Damenspitz. Regie, Co-Drehbuchautor, Produzent, Mitarbeit am Schnitt und Hauptrolle: Til Schweiger. An der Seite seiner Tochter Luna wagt er sich als Regisseur in Genres, in denen er sich immer wieder in Deutschland aber auch in Hollywood als Schauspieler versucht hat: Action, Abenteuer, Drama. Große Erfolge waren aber meist nur die Komödien.

Er, der mit den Komödien "Keinohrhasen", "Zweiohrküken" und "Kokowääh" dem deutschen Kino wahre Box Office Wunder beschert hat, fährt in "Schutzengel" wortwörtlich andere Geschütze auf; wenn er sich nicht gerade durch eine Slow-Motion-Action-Szene ballert, dann wird mit Verbalmunition über die Leinwand geschossen, bis die Phrasenkasse klingelt. Aber reden ist an sich gar nicht so das Ding von Max, dem ehemaligen KSK-Soldanten, in dessen Strickpullis und grimmige Mienen Schweiger hier schlüpft. Max soll im Rahmen eines Zeugenschutzprogrammes auf Waisenkind Nina (Luna Schweiger) aufpassen. Nina hat nämlich beobachtet, wie Waffenhändler Heiner Lauterbach jemanden abgeknallt hat. Nachdem die erste Zeugenschutzprogramm-Wohnung in Schutt und Asche geballert wurde, bevor noch das Team von "Schöner Wohnen" sie zu Gesicht bekommen hat, sind die beiden Schweigers auf der Flucht durch ein nächtliches Berlin, das sich als amerikanische Großstadt zu verkleiden versucht.

Til Schweiger in "SChutzengel"

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Sirene statt Tatütata

Denn Schweiger ist zwar zurück von seinem Hollywood-Ausflug, hat aber ein Stück Tinseltown mitgebracht und wirft seinem Genrebastard ein Mäntelchen über, das aus Stars&Stripes genäht wurde. Die Polizeisirenen heulen wie in Gotham City - das ist in Til Schweiger Filmen seit "Knockin' on heavens door" so - das würde einfach "besser klingen als Tatütata", so Schweiger. Max und Nina landen außerdem in einem beinhah menschenleeren, amerikanischen Diner und die Dialogbrocken hat wahrscheinlich auch ein kautabakkonsumierender Highway-Sherriff irgendwannmal auf den Asphalt gespuckt. Geflucht wird hier wie auf einer Bierkutscher-Convention, das patente Waisenkind ruft irgendwann einem Polizisten zu, dass er eine Muschi auf Toast sei und wenn die deutsche Sprache nichts mehr hergibt, so raunt Max am Telefon Bösewichten zu: " You fucked with the wrong people".

Heiner Lauterbach

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US-Vorbilder

Auch abseits der Sprache sucht Schweiger die Nähe zu Stereotypen des US-Thrillers. Der Polizeichef trinkt, das Justizsystem ist korrupt, Nebenrollen werden in dem Moment erschossen, in dem sie telefonisch erfahren, dass sie Vater werden. Getaucht ist das ganze in die blaugraue, entsättigte Farbwelt, die seit den "Bourne"-Filmen im Actiongenre der letzte Schrei ist. Zum Schreien sind auch die Dialoge, die Nina und Max in den wenigen ruhigen Momenten auf der Flucht vor einer Armee an Killermaschinen führen. "Du - wie ist das, Krieg?" fragt das Waisenkind, aber Max, wortkarger Einzelgänger, möchte da nicht drüber sprechen. Tut er dann aber doch, was ziemlich praktisch ist, da seine Erläuterungen dann später als Voice Over über eine schier endlose Schießerei-Szene gelegt werden können.

til schweigen in "Schutzengel"

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It ain't over. Til, it's over.

Einfallslosigkeit

Das Problem ist nicht, dass Schweiger sich an US-Thrillern orientert, das Problem ist die plumpe Herangehensweise, die sich so krampfhaft um badass Bösewichte und knallharte Action bemüht, dass sie beinahe satirisch wirkt. Weil Schweiger Ben Afflecks "The Town" gefällt, flackert ein Filmausschnitt daraus in "Schutzengel" über einen Fernsehschirm. Das ist an sich eine Hut-zieh-Methode, die Regisseure gerne anwenden, aber sie steht auch exemplarisch für die inszenatorische Einfallslosigkeit und die Überzeugung, alles ausbuchstabieren zu müssen. Das Publikum hat erst verstanden, wenn minutenlang mit dem Zeigefinger drauf gedeutet wurde, davon geht "Schutzengel" aus. Auch davon, dass Geschichten gut ausgehen sollen. Schweiger kann an "Leon - Der Profi" z.B. das Ende nicht ausstehen. Ebensowenig das von "Le Professionnel" mit Jean Paul Belmondo. Können die Guten nicht auch mal überleben, fragt sich Schweiger im Interview mit dem "Stern".

Til und Luna Schweiger in "Schutzengel"

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Clinch mit dem Feuilleton

Weitaus kreativer als in der Erzählhaltung zeigt sich Schweiger, wenn es um die Bewerbung seines Filmes geht. Mit Filmkritikern liegt er seit Jahren im Clinch. Vor kurzem ließ er über die deutsche Presseagentur ausrichten, dass das nichts mehr werden würde mit ihm und dem Feuilleton. Seit "Keinohrhasen" gibt es keine Pressevorführungen von seinen Filmen - oder nur für einen kleinen Kreis. Schweiger hat es satt, Publikumshits zu produzieren und in der Presse nur Häme zu ernten. Statt auf die Filmkritik setzt er bei "Schutzengel" nun auf die deutsche Bundeswehr. Bereits im Juni wurde der Film deutschen Soldaten in Afghanistan gezeigt und deren Statements für einen eigenen Trailer verwendet. Für die Bild schreibt Schweiger exklusiv "Mein Afghanistan", ein Tagebuch über seinen Aufenthalt. Von "Scheiße ist das heiß hier" bis zu "Ich liege mit meiner Freundin Svenja im improvisierten Doppelbett eines klimatisierten Containers – und wir können nicht schlafen." Wer für wen Werbung macht, da sind sich Schweiger und die Bundeswehr nicht ganz einig. Verteidigungsminister Thomas de Maizière stellt fest, dass Schweiger Werbung für die Bundeswehr macht, nicht die Soldaten Werbung für den Film.

"Schutzengel" läuft seit 27.09.2012 in den österreichischen Kinos

Häme

Der Werbepakt mit Bundeswehr und Bild sorgt nun im Feuilleton für noch mehr Häme, Bosheit spritzt aus den Rezensionen, man diagnostiziert Luna Schweiger die "Ausstrahlung eines Vollmondes" und lacht darüber, dass der Film als Kandidat für Deutschlands Beitrag im Rennen um den Oscar für den besten nicht-deutschsprachigen Film eingereicht wurde. Das hat wieder nicht geklappt, macht nix, Schweiger plant ohnehin schon das englischsprachige "Schutzengel"-Remake namens "Guardian" und vielleicht ruft er dann doch auch noch den eigenen Filmpreis ins Leben, wie er es 2008 angekündigt hat, als "Keinohrhasen" bei der "Lola" noch nicht mal nominiert wurde.

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Auch wenn man die Schweiger'sche Unternehmungslust, dass der deutsche Film sich in fremde Genregewässer begibt, unterstützen möchte, so ist doch bei "Schutzengel" nicht viel mehr dabei herausgekommen als eine holprige Geschichte mit hölzernen Dialogen, die nach ihren US-Vorbildern greift und dabei ordentlich auf die Schnauze fliegt. "Zuerst ist es schlimm, aber dann gewöhnt man sich daran", beschreibt Max Nina den Krieg. Ähnliches gilt für "Schutzengel". Bis auf den Nebensatz.