Erstellt am: 29. 9. 2012 - 17:48 Uhr
Ein kleiner Gebärdensprachen-Kurs
Zur Gebärdensprache ist die hörende Elke Schaumberger per Zufall gekommen - durch einen Ausflug mit der Schule nach Linz. "Dort wurde in einem Museum in jedem Raum eine andere Sprache gezeigt - und eine davon war die Gebärdensprache. Das war das erste Mal, dass ich die Gebärdensprache ordentlich wahrgenommen habe." Dann hat sie Kurse gemacht, sich weitergebildet und intensiv mit der Gebärdensprache beschäftigt. Heute ist sie Gründerin und Mitglied von Dolmetschserviceplus, einem Netzwerk von Gebärdendolmetscherinnen. "Am faszinierendsten war für mich die Dynamik, die die Sprache hat."
Ihr Lieblingswort in der Gebärdensprache? Flirten. "Da sieht man richtig die Schwingungen, die Chemie zwischen den Menschen."
FM4 / Olja Alvir
In der Gebärdensprache hat jeder Mensch einen Gebärdennamen, der sich mit der Zeit und dem Hineinwachsen in die Community entwickelt. Das kann ein äußeres, markantes Merkmal sein, oder etwas, wofür man bekannt oder beliebt ist. Elke heißt auf Gebärdensprache wie das Zeichen für Zwilling - weil sie eine Zwillingsschwester hat, die ihr sehr ähnlich sieht.
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Wenn man sich vorstellt, deutet man die Wörter mein (mit der Hand auf die Brust), Name (mit dem Daumen eine "Aufschrift" auf der Stirn deuten) und den eigenen Namen. Wenn man (noch) keinen Gebärdennamen hat, dann buchstabiert man den eigenen Namen im internationalen Ein-Hand-System.
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Einer der größten Irrtümer über Gebärdensprache ist immer noch, dass sie international sei. "Ich muss oft erklären, dass es nationale Gebärdensprachen gibt." Die österreichische Gebärdensprache, französische Gebärdensprache und so weiter - jedes Land hat seine eigene Gebärden-Standardsprache. "Dazu gibt es auch noch regionale Varianten und Dialekte", betont Elke Schaumberger. Innerhalb Österreichs sind zum Beispiel die Wochentage in den einzelnen Gebärdensprachen-Dialekten komplett anders. Die allgemeine Gebärde für "Österreich" sieht aus wie ein Adler. Aber in Wien heißt Österreich anders: Es ist eine Bewegung, als würde man mehrere kleine Kreise nebeneinanderlegen.
FM4 / Olja Alvir
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Man versteht sich natürlich trotzdem. "Mittlerweile kann ich anhand der Gebärden auch schon ganz gut sehen, woher jemand kommt." Für unseren kleinen Sprachkurs zeigt Elke die Gebärde für "Danke": "Es wäre schon irgendwie nett, wenn jeder zumindest das könnte."
FM4 / Olja Alvir
Wenn Sprecher verschiedener Gebärdensprachen aufeinandertreffen, einigt man sich auf die sogenannte "International Sign". Sie ist eine etwas limitierte Form, die etwa bei internationalen Treffen verwendet wird - die "lingua franca" der Gebärdensprache. Das kann manchmal notwendig sein, denn die kulturellen Unterschiede werden auch in der Gebärdensprache sichtbar und das ein oder andere Missverständnis ist möglich. In Asien beispielsweise ist die Vergangenheit vorne: Die Gebärden, die anzeigen, dass etwas in der Vergangenheit liegt - gestern, vorgestern - gebärdet man nicht nach hinten, hinter die Schulter, wie in Europa, sondern nach vorne. Denn in Asien ist die Vergangenheit grundsätzlich etwas, das man jederzeit ansehen kann, woran man sich erinnern kann, das offenkundig "vor" einem liegt - daher vorne.
FM4 und die Hauptbücherei präsentieren gute neue Bücher
Am Montag, dem 01. Oktober 2012 um 19 Uhr ist Vea Kaisers "Blasmusikpop" dran. Elke Schaumberger wird auf die Initiative von FM4, Gebärdensprache und moderne Literatur zusammenzubringen, die Lesung simultan in Gebärdensprache übersetzen. Wie sie den Titel in die Gebärdensprache übersetzen wird, bleibt bis dahin noch ein Geheimnis. Dafür zeigt sie uns den Titel eines anderen, sehr bekannten Buches.
FM4 / Olja Alvir
Vor einer Simultan-Übersetzung liest sich Elke natürlich das Buch durch. "Die bei der Lesung vorgetragenen Passagen muss ich mir dann ganz genau und sehr intensiv anschauen." Die Herausforderungen dabei, Literatur zu übersetzen, liegen laut Elke Schaumberger größtenteils in Sprachspielen, Wortschöpfungen und Witzen. "Natürlich kann man solche Dinge nie eins zu eins in eine andere Sprache übersetzen, sei es jetzt Englisch oder Gebärdensprache." Sie muss sich also bei manchen Stellen Kniffe überlegen, die die Nachricht für Gebärdensprecher verständlich machen. "Die Gebärdensprache ist ja visuell und arbeitet sehr viel mit Bildern. Ich betreibe dann eine Art Kopfkino und überlege mir, wie man das visualisieren könnte." Da kann es manchmal schon sein, dass man sich etwas vom deutschen Text entfernen muss. "Da muss man zwangsläufig auch ein bisschen kreativ sein." Aber die Herausforderung mache gerade den Reiz aus.