Erstellt am: 27. 9. 2012 - 17:10 Uhr
Re-Branding European Muslims
Dana Yahalomi ist dreißig und Kopf der Forschungs- und Kunstgruppe Public Movement mit Sitz in Tel Aviv. Zurzeit ist Public Movement in Graz aktiv: Beim steirischen herbst veranstaltet die Gruppe eine Gala mit einem sehr speziellen Auftrag: "Re-Branding European Muslims". Drei bekannte Werbeagenturen werden ihre Vorschläge für eine Image-Kampagne präsentieren. Dana Yahalomi von Public Movement hat die drei Agenturen gebrieft. Und das Publikum stimmt darüber ab, welches Image dann als Kampagne in anderen Städten Europas weitergetragen wird.
Public Movement setzt Kunst in erster Linie im öffentlichen Raum um, untersucht und inszeniert. Politische Aktionen sind das Spezialgebiet der Gruppe, und die Öffentlichkeit wird dabei zu Agenten diplomatischer, sozialer und politischer Agenden. Was darf man sich darunter vorstellen? Sie laden zu Führungen durch die Straßen, die im Nationalsozialismus das Warschauer Ghetto umfassten, inszenieren Auffahrunfälle und sperren mit Volkstänzen Straßen bei den sozialen Protesten in Israel im Sommer 2011.
Dana Yahalomi von Public Movement sieht sich nicht als Aktivistin. Aber was will Public Movement mit dieser Aktion am Schnittpunkt von Kunst und Politik erreichen? Da muss man nachfragen. Von alleine erschließt sich das groß angekündigte Projekt "Re-Branding European Muslims" nämlich - noch - nicht.
Public Movement
Interview mit Dana Yahalomi
Welche Idee steht hinter dem Projekt "Rebranding European Muslims"?
Nation Branding will auch Österreich probieren
Dana Yahalomi: Seit zwei Jahren beschäftige ich mich für Branding und Nation Branding. Staaten heuern Firmen an, die mit Branding Strategien ein einheitliches und zusammenhängendes Image des Landes oder der Nation vorschlagen. Mich interessierte die Frage: Wenn man eine Nation branden kann, was branden wir als Gesellschaft dann noch alles? Welche anderen, sehr allgemeinen Bilder verwenden wir? Und es ist eindeutig: Die Tendenz, verschiedene Gruppen zu branden, die gibt es nicht nur in Europa, sondern weltweit. Auch hier beim steirischen herbst sind wir gebrandet. Jeder hier ist "lefty", alle ziehen sich in einer bestimmten Art und Weise an; wir sprechen hier über verdammt spezifische Dinge, für gewöhnlich mit einer Mischung aus Naivität, Gutherzigkeit, nicht-so-viel-Geld-verdienend, sich-auf-der-Seite-der-Gesellschaft-verstehend. In diesem Sinne ist das also auch ein bestimmtes Branding.
Public Movement
Das Sujet für die Gala "Re-Branding European Muslims" ist groß an zentralen Plätzen in Graz plakatiert. Manche Menschen finden es beunruhigend. Das Zitat Angela Merkels, dass Multi-Kulti gescheitert sei, nehme alle Hoffnung und bestätige den Status Quo in Österreich und Europa, betreffend des Verhältnisses muslimischer Menschen und der christlichen Mehrheit. War das die Reaktion, mit der du gerechnet hast?
Ich wollte auf dem Plakat abbilden, was wir erkennen. Es geht nicht um den Moment, in dem tatsächlich ein neuer Gedankenprozess einsetzen soll, sondern darum, die Lage darzustellen und zwar ambivalent. Es ist nicht so, dass das Plakat die Aussage Merkels als richtig bestätigt. Das Plakat kritisiert diese Feststellung der deutschen Bundeskanzlerin aber auch nicht. Ich wollte Raum für Interpretation lassen. Der Satz markiert ein Ende: Multi-Kulti ist gestorben. Aber was wäre, wenn wir ein Gedankenexperiment machen und uns vorstellen, Merkel hat Recht. Vielleicht ist Multi-Kulti absolut kaputt, und es ist unmöglich, sich weitere einhundert Jahre Islam in Europa mit derselben Herangehensweise vorzustellen. Es ist wichtig, dass wir uns von dieser Vorstellung von Multi-Kulti als den einzigen Weg des Zusammenlebens, an den Grenzen voneinander, trennen. Wie können wir diese Vorstellungen neu denken? Vielleicht braucht es dafür einen tristen Moment und einen Moment der Verzweiflung, aber ich glaube wirklich, dass das nicht das Ende ist. Und wenn Merkel falsch läge: Gäbe es dann 26 Prozent, die für die FPÖ stimmen und Menschen, die sich organisieren, um gegen Minarette vorzugehen? Wir können nicht so tun, als ob Angela Merkel verrückt wäre und wir alle die Wahrheit gepachtet hätten.
Du hast die FPÖ erwähnt. Bislang gab es kaum Wortmeldungen zum Projekt. Es ist, als ob jeder Angst hätte, missverstanden zu werden, politisch inkorrekt zu sein. Wie gehst du mit politischer Korrektheit bei diesem Projekt um?
Ich bewege mich wirklich auf meinen Zehenspitzen und versuche so gut ich kann, eine entsprechende Terminologie zu finden, zu schaffen und zu verwenden. Es ist höchst heikel, aber das heißt nicht, dass wir uns damit nicht befassen oder uns nicht darüber unterhalten sollten. Klar, ich hatte einige schlaflose Nächte, ob ich tatsächlich das Richtige mache. Wenn Menschen von "Re-Branding Islam" sprechen, springe ich! Darum geht es überhaupt nicht. Es geht nicht um eine Religion, sondern um die Vorstellung von Bürgerschaft, von Staatsangehörigkeit. Europäische Muslime sind Bürger dieser Region, und sie teilen somit demokratische Pflichten und Rechte. In diesem Sinne interessiert mich Re-Branding. Es wäre auch etwas komplett anderes, wenn ich über Muslime in Ländern des Nahen Ostens sprechen würde. Darum geht es nicht bei diesem Projekt.
Und ich hoffe, dass sich Menschen äußern werden. Mir ist klar, dass der Zeitpunkt schwierig ist und alles was ich sage, kann sowohl für wie gegen dich verwendet werden. Von der rechten wie von der linken Seite. Ich denke nicht, dass die Linken sich unbedingt auf das Projekt stürzen und "Halleluja!" rufen.
Public Movement
Ist es nicht eine absolute Anmaßung zu erklären: "Ich mache ein Kunstprojekt, um ein neues Image für die Muslime in Europa zu schaffen"?
Es hat etwas von Anmaßung, aber ich präsentiere kein neues Image für Muslime, auch kein neues Image für europäische Muslime. Das ist nicht Teil des Projekts. Wer mit dieser Erwartung zur Gala kommt, wird enttäuscht. Es geht um das Erweitern eines Image, nicht darum, sich auf eines festzunageln. Public Movement sind ja nicht die ersten, die sich in diesem Re-Branding versuchen. Muslime und Nicht-Muslime, Interessengruppen und politische Parteien haben es versucht. Die Rechten wie die Grünen. Die Grünen versuchen auch ein bestimmtes Bild von Immigration zu re-branden. Das Einzige, was ich versuche, ist, in diesen Diskurs einzudringen und zu schauen, ob wir ihn durch dieses Projekt destabilisieren oder erweitern können. Was passiert, wenn man mit Branding-Strategien im Kontext von Kunst operiert? Ich will nicht ein weiteres Gute-Absicht-Projekt initiieren. Public Movement will mehr konzeptionell fragen: Was ist dieser Prozess des Brandings, des Re-Brandings? Und wer re-brandet wen? Wie wirkt sich das auf uns aus? Es geht also sieben Schritte zurück und die Vision ist eine andere.
Alle Geschichten vom steirischen herbst:
Die Gala sagt wohl mehr über die Sicht der weißen, christlichen Mehrheit, die das Publikum des steirischen herbst wohl ist, aus? Schließlich werden die Besucher der Gala über das Siegerprojekt bestimmen.
Gut ein Drittel der Besucher der Gala sind muslimisch. Das verändert die übliche Relation. In Graz ist nicht ein Drittel der Bevölkerung muslimisch. Doch ob sich das auf das Voting der Kampagnenpräsentationen auswirken wird, kann ich nicht sagen. Vielleicht wählen christliche und muslimische Besucher ja auch dasselbe Sujet.
Thomas Rodahl Dedekam
Was antwortest du, wenn jemand das Projekt so kommentiert: "Das ist genau das, was wir brauchen: eine jüdische Künstlerin, die europäischen Muslimen erklärt, wie sie sein sollen".
Das mache ich ja überhaupt nicht. Alles, was ich tue, ist, einen Raum zu organisieren, in dem diese Debatte vielleicht - und ich erhoffe mir das von ganzem Herzen - ein Stück neuen Horizont schafft. Public Movement gibt keine Antworten. Es geht nicht um harte Politik."Re-Branding European Muslims" ist ein Versuch, den Diskurs, die Worte und die Bilder zu verschieben, die man gewohnt ist, wenn es um Politik geht. Mir ist klar, dass es das Risiko gibt, dass das Projekt missverstanden wird.
Warum überhaupt dieser Fokus auf Religion?
Das Projekt fokussiert nicht Religion. Wir sprechen über eine bestimmte Art von Partnerschaft von Menschen, die in denselben Städten wohnen und unterschiedliche Backgrounds haben. Das Projekt macht nicht eine bestimmte Gruppe aus und sagt: Diese sind Muslime und jene nicht. Menschen definieren sich komplett unterschiedlich: Muslime von Herkunft und Haus aus sozusagen, Muslime durch die Religion, Muslime aufgrund der Tradition, Muslime aus Solidarität..
Aber "muslimisch" steht doch im Titel der Kunstkampagne.
Ja, aber Public Movement geht es nicht und nur um Religion. Ich bin jüdisch, heute ist Jom Kippur und ich dürfte nicht vor dir essen (isst während des Interviews Obst).
Wenn es nicht um Religion geht, was bedeutet das für dich, muslimisch zu sein?
Das weiß ich nicht. Ich kann nur sagen, was es heißt, jüdisch zu sein: Es ist das, womit du dich assoziierst. Es ist nicht fair, von Menschen - ob sie nun Christen, Muslime, Juden oder Buddhisten sind - zu verlangen, dass sie wurzellose Kosmopoliten sind. Du bist immer irgendwo verwurzelt, das kommt immer mit dir mit. Wir machen das ständig: Identifizieren und einrahmen, identifizieren und einrahmen. Festgesetzte Bilder, die ganze Zeit über. "Re-Branding European Muslims" versucht, einen gegenüber diesen Bildern misstrauisch zu machen. Auskommen werden wir nie ohne diese Einrahmungen, aber wir können die Formen ändern.
Wäre ein Projekt wie dieses in Israel möglich, ein "Rebranding Israeli Muslims"?
Branding-Strategen sind meist Außenstehende. Wally Olins wird da nach Österreich eingeladen, Polen engagierte einen jüdischen Spanier für Nation Branding. Eine gewisse Distanz ist dafür einfach erforderlich. Es wäre viel komplexer für Public Movement, das in Israel zu machen - zudem als israelische Staatsbürger mit mächtigen Beziehungen zu den arabischen Israelis.
Und das ist auch gleich die Antwort, warum Public Movement nicht ein "Rebranding European Jews" startet?
Genau. Außerdem: Die Gala ist eine Aufführung einer Gala. Die Branding-Strategen spielen sich quasi selbst, das Publikum gibt ihre Kunden. Und jene Kampagne, für die sich die Mehrheit ausspricht, wird Public Movement nach Malmö mitnehmen müssen. Das Projekt geht weiter.