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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

26. 9. 2012 - 20:05

Supersolides Jingle-Jangle

The Fresh & Onlys werden sauber: Auf "Long Slow Dance", ihrem vierten Album, hat sich die Band aus San Francisco fast zu Ende perfektioniert.

Seit den letzten vier, fünf Jahren ist in San Francisco eine "Szene" am Brodeln, die es ausnahmsweise einmal auch wirklich verdient als solche bezeichnet zu werden: Der Stadtteil Haight-Ashbury als Zentrum von Batik sowie der bekifften Rebellion in den späten 60ern und das weltschwere psychedelische Hippie-Erbe im Allgemeinen stecken ihr zwar noch in den Knochen, sie aber hat sich eher die rotzigere Variante des Gitarrenrocks als bevorzugte Ausdrucksform erwählt.

Mit Bands und Acts wie Ty Segall, den Thee Oh Sees, den Sic Alps oder auch - etwas außen stehend und ihr eigenes Ding rollend - den leider schon wieder aufgelösten Girls sind da durchaus freundschaftlich und beruflich verbandelte Menschen unterwegs, die ihre kleinen, aus dem Ärmel geschüttelten Pop- und Rock-Bonbons zwar vornehmlich in der Garage und in der Rumpelkammer an altertümlichen Gerätschaften aufnehmen, dabei aber selten die zwingende Catchiness außen vor lassen.

Diesem Flechtwerk an neueren Garagenbands entspringen auch The Fresh & Onlys, denen jetzt mit ihrem vierten Album "Long Slow Dance" doch einiges mehr an Aufmerksamkeit als bisher zuteil werden sollte. Am klassischen Rockband-Instrumentarium Gitarre, Gesang, Bass, Schlagzeug und noch einmal Gitarre haben The Fresh & Onlys in den vergangenen drei Jahren drei ziemlich okaye bis sehr schöne Alben zusammengeklopft. Auf "Long Slow Dance" wird jetzt der schon mit dem Vorgänger "Play it Strange" eingeschlagene Weg der behutsamen Behübschung und Polierung des Sounds weiterverfolgt. Gibt es etwas Schlimmeres für eine dem Bierdosen-Keller entsprungene Rock'n'Roll-Band als jetzt schön langsam erwachsen, "reifer" und weich zu werden?

Die Fresh & Onlys haben sich ihre Rohheit und die Energie bewahrt, einzig: Heute kann man die ganzen schönen Lieder, die sich die vier Herren da Tag ein, Tag aus ausdenken, auch richtig gut hören. Eine gute Produktion, die im Falle von "Long Slow Dance" Phil Manley von den zärtlichen Berserkern Trans Am besorgt hat, heißt hier nicht Tand, Lametta und elektronische Auffrisierung, sondern, dass eine Gitarre so klingt, als würde sie geradewegs aus einem Gitarren-Verstärker kommen und unser Ohr benetzen. Nackt und direkt stehen diese herrlichen Pop-Songs von "Long Slow Dance" vor uns.

The Fresh & Onlys

The Fresh & Onlys

An Frisuren und Bärten den Sound erkennen: The Fresh & Onlys

"Long Slow Dance" ist in erster Linie, und wesentlich deutlicher als bei vielen anderen Bands, das tatsächliche Zusammenspiel von vier Musikern - und nicht bloß das Werk eines bis zweier genialischer Songwriter. Fast schon die Beatles. Gut nachhörbar und auch ohne mürrisches Gesicht von Bandseiten selbst definieren sich die Fresh & Onlys als Produkt ihrer Einzelteile und Referenzen. Man kann hier hören, was hier gehört wurde. Alles und jeder ist immer das Kind seiner Einflüsse, hier treten die Schatten der Vergangenheit jedoch nicht als diffuse Ahnungen, sondern prominent erkennbar aus den Songs hervor. Das an sich ist weder schlecht, noch gut.

The Fresh & Onlys

The Fresh & Onlys

"Long Slow Dance" von den Fresh & Onlys ist bei Souterrain Transmission erschienen

Gitarrist Kyle Gibson gibt den Wave-Dandy britischer Prägung, dem es The Cure, XTC und Echo & the Bunnymen angetan haben, Bassist Shayde Sartin ist großer Freund von Motown, Soul und R'n'B und bringt so elastischen Funk in die Garage, Drummer Wymond Miles ist durch die Punk- und Hardcore-Schule von Dischord gegangen und Sänger Tim Cohen sieht sich eher im klassischen kalifornischen Folkpop wie dem der Byrds verwurzelt. Das alles buchhalterisch aufzudividieren ist natürlich ein veritabler Humbug, weil hier jeder jeden durchwirkt. Und alle vier Musiker die Smiths großartig finden. Man kann das hier aber alles mit großer Lust herausfühlen und körperlich erfahren. Genauso wie Roy-Orbison-Balladen und frühen Collegerock der bimmelnden, klirrenden und polternden R.E.M. oder der Replacements.

Aus der Zusammenführung der Summanden entsteht auf "Long Slow Dance" weit mehr als die sprichwörtliche Summe. Wir haben es hier mit einer Band und mit einem Album zu tun, die, weil sie so klingen wie vieles, so klingen wie kaum jemand sonst im Moment. Allein, die calexico-haften Mariachi-Bläser im "Executioner's Song", nein, die hätte es nicht unbedingt auch noch gebraucht.