Erstellt am: 3. 10. 2012 - 06:00 Uhr
"Commando"
Aber da verrate ich euch nichts Neues. Das wandelnde Rätsel, das ohne jemals etwas Besonderes zu wollen, Geschichte geschrieben hat, hat im Grunde die Baustelle, auf der er gearbeitet hat bevor es so richtig los ging mit den Ramones, nie verlassen.
"Commando", die Autobiographie von Johnny Ramone, ist bei Tropen Sachbuch erschienen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Gunter Blank und Simone Salitter.
Johnny Ramone schreibt das auch klipp und klar in seiner Autobiografie "Commando": Am Bau Arbeiten oder mit einem Haufen Spinnern in einem kleinen stinkenden Tourbus durch die Lande Ziehen und dabei auch noch Songs schreiben ist im Grunde dasselbe: harte Arbeit.
"Überhaupt die frühen Songs, worüber sollten wir schon schreiben - Mädels? Wir hatten ja praktisch keine. Wir waren keine Künstlertypen oder sowas, deshalb schrieben wir über die einfachen Dinge, die wir verstanden. Wir dachten, Commies und Nazis wären komisch. Wir dachten auch, dass Pattex schnüffeln komisch war, hatten aber keine Ahnung, dass es tatsächlich noch Leute gab, die das taten. Wir schrieben diese Songs und lachten uns dabei kaputt, hielten uns aber in keinster Weise für bekloppt. Wir dachten, wir wären ein normale Rockband, aber so langsam stellte sich heraus, dass wir ein bisschen schräg waren."
Johnny Ramone stellt sich in seiner Autobiographie als durch und durch reflexionsunfähigen Typen dar. Das ist das, was man von ihm erwartet, was das Buch für mich aber nur bedingt lesenswert und amüsant macht.
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Das Lakonische ist doch alles der gleiche Scheiß. Egal, ob Johnny als Teenager Apotheken ausraubt, seine Schulkollegen und deren Eltern gleich mit verprügelt, Alk und Drogen für immer abschwört und am Bau zu arbeiten beginnt, oder ob er in Graceland als Trauzeuge mit Lisa Marie Presley die Tochter seines größten Helden Elvis zum Altar führt. Alles der gleiche Scheiß.
"Die meisten Kritiken die ich las, fand ich komisch. Manche hielten uns für Cartoon Rock Charaktere, andere versuchten die Platte zu intellektualisieren, als wäre unser Album ein gewaltiges Statement. Aber wir wollten nie etwas anderes sein als spaßiger Rock'n'Roll. Aber solange die Leute es gut fanden, ging das in Ordnung."
tropen
In "Commando" erzählt Johnny Ramone streng chronologisch sein Leben, wann er wen verprügeln musste, um ihn auf den rechten Weg zu bringen, wann seine Bandkollegen wieder einmal völlig daneben waren und er als einzig rechtschaffener Amerikaner das Ganze retten musste und so weiter und so fort. Er hat das Buch nicht geschrieben, er hat sein Leben erzählt und jemand hat es versucht in Buchform zu bringen, das merkt man beim Lesen stark.
Absolutes Highlight des Buches ist für mich diese Passage:
"Im April gingen wir zusammen mit den Talking Heads auf eine siebenwöchige Europa-Tournee. Da waren gleich zwei Stressfaktoren: die Talking Heads und Europa. Ich wäre fast wahnsinnig geworden. Am liebsten hätte ich mich umgebracht. Das Ganze war grauenhaft. Europa ist ein grässlicher Ort. Ich hasste die Hotels. Ich konnte nicht einmal von meinem Zimmer aus nach Hause anrufen. Ich musste erst in die Lobby runter und dann auf dem Zimmer auf die Verbindung warten. Ich wollte nicht ausgehen oder sonst irgendwohin. Nichts im Fernsehen. Das Essen war furchtbar, entweder dieses gekochte Zeug oder Curry. Die hatten noch nicht einmal Eiswürfel. Ich meine, wo gibt es das? keine Eiswürfel. Ich hasste Europe.
Jerry Harrison, der Keyboarder der Talking Heads, trieb mich in den Wahnsinn. Wenn man ihn etwas fragte, quatschte er dir zwanzig Minuten lang die Ohren voll. Das waren alles Intellektuelle. Tina Weymouth war unerträglich. Wenn ich meinem Roadie sagte, er solle meine Gitarre holen, sagte sie zu mir, ich solle sie selbst holen. Wir benutzten denselben Tourbus. Ich hasste diesen Bus. Wir redeten nicht viel mit ihnen. Die Talking Heads waren College-Kids und wir Straßenjungs."
Abgesehen von den Anekdoten und Weisheiten von Johnny ist das Album-für-Album-Kapitel im Anhang des Buches ein Genuss für Ramones-Fans: Johnny gibt hier seine Einschätzung zu jedem Album der Band ab. Wer es lieber bizarr-lustig bis gruselig haben will, sieht sich Johnnys All Time Top Ten Listen an. Wo er zum Beispiel seine Lieblings-Republikaner auflistet und Vincent Gallo nach Richard Nixon reiht und völlig bizarre Ansichten über Nixons Aussehen und die Bombardements von Vietnam von sich gibt.
Ich glaube ich war noch nie Fan von jemandem, der mir nach Lesen seiner Autobiographie noch unsympathischer ist als zuvor.