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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

25. 9. 2012 - 14:12

Journal 2012. Wo Stronach richtig liegt.

Huhn und Korn: Frank Stronach zeigt die größte Schwäche des politischen Journalismus auf; weil er er ist, schaut aber keiner hin.

Wie immer in geraden Jahren erscheint das "normale" Journal 2012 spärlicher - ganz im Gegensatz zur Täglichkeit des Journal 2011.

Das klassische Fußball-Journal '12 begleitet wieder Bundesliga und Cup, ÖFB, Nationalteam, das europäische Geschäft, den Nachwuchs, das oft irrlichternde Umfeld und hat vor allem die Euro '12 gecovert

Die "normalen" Einträge erscheinen anlassbezogen. Der heutige Anlass ist ein Interview mit Frank Stronach.

Den aufbrausenden, selbstherrlichen und mit grotesker Grandezza über seine Inkompetenzen hinwegwischenden transatlantischen One-Trick-Opa angesichts seiner verheerenden öffentlichen Auftritte aufzublatteln ist wahrlich keine Kunst. Das kann jeder - so leicht macht es uns Frank Stronach.

Inmitten dieses von allen intellektuell einigermaßen fitten und politisch interessierten Menschen aktuell betriebenen Hobbys steckt aber eine kleine Wahrheit; kein Kern, eher ein vielleicht sogar unabsichtliches Nebenprodukt.
Und eine Konsequenz.

Die Konsequenz ist, dass die Menschen, die es nicht gewohnt sind, sich politisch zu äußern, und Entwicklungen vielleicht nur instinktiv und sicher nicht analytisch wahrnehmen, diesen Nebenkern erspüren, ihm einen geziemlichen Teil ihres Unbehagens mit der politischen Landschaft zuordnen und sich deshalb Stronach anschließen, oder zumindest nicht verschließen werden.

Nochamal, das ist jetzt wirklich eine sehr negative Frage...

Der Kern, das Nebenprodukt ist, das Stronach - ich unterstelle einmal: unabsichtlich - die Ungereimtheiten in einem ganz wichtigen Bereich sichtbar macht.
Und so kommt es, dass der transatlantische Konsulent implizit die aufblattelt, die sich jetzt am Aufblatteln seiner Person verlustieren. Und in the long run damit den sicher wichtigeren Beitrag zur politischen Kultur leistet.

Stronach erklärt den aktuellen österreichischen Journalismus zur unguten, mieselsüchtigen Plage. Wenn er sich gegen "negative Fragen" sträubt, die nur Zeitverschwendung seien, dann ist das zum Teil ein peinliches Schutzhands gegen harte Beschüsse, zum anderen Teil aber auch eine glaubwürdige, von authentischem Ekel getriebene Wehrhaftigkeit gegen einen lüsternen Glatteis-Journalismus, der nur die niedersten Instinkte anspricht.

Wie gesagt: das passiert alles ohne politische oder gar ideologische Absicht. Stronach ist diesen sehr österreichischen Häme-Zugang nicht gewohnt.
Er kennt zweierlei, und zwar aus seiner angloamerikanischen Erfahrungswelt: die Kriecher und Schleimer aus den willfährigen, letztlich zu PR-Dienstleistern abgesackten Medien einerseits; und die durchaus knallharten, aber immer im Grundton der Seriosität an Inhaltlichem interessierten Qualitäts-Medien des uns diesbezüglich so fernen Kontinents.

Der Glatteis-Journalismus und wer davon profitiert

Dort kommt es nicht vor, dass man ihn abprüft, ob er die Namen seiner Kandidaten kennt; bzw. würde ihm der Hinweis auf die Pressemappe reichen. Dass man sich genau auf diese seine Schwächen draufsetzt, ist er, der Wirtschaftskapitän, der sonst über endlose Schleimteppiche schreitet, nicht gewohnt.

In Österreich ist es allerdings mittlerweile Usus, nur noch in Schwächen hineinzubohren, und sich mit Häme auf Verheber und Versprecher draufzusetzen. Das gilt hierzulande dann bereits als investigativ.

Natürlich ist dieser Grundton der Häme nicht die Schuld des Journalismus. Er wurde von politischen Glücksrittern und Populisten in die politische Kommunikation eingeführt, bis sich finalemente niemand mehr entziehen konnte. Die Ursprungs-Idee der Populisten war es, sich dadurch einer inhaltlichen Befragung entziehen zu können. Und damit hatten sie, langfristig, Erfolg. Es gibt keine inhaltliche Auseinandersetzung mehr. Bestes Beispiel der letzten Zeit: die Scheinaufdeckung der Wolf-JVP-Mitgliedschaft.

Die Politik-Journalismus-Blase hat sich auf eine rein formale orientierte Auseinandersetzung geeinigt, die teilweise kunstvoll, wie in alten höfischen Riten zelebriert wird.

Das herkömmliche Interview ist sinnlos geworden

Das Politiker-Interview ist in einer schrecklichen Fratze erstarrt.
Es hinterlässt Politiker, die sich ausschließlich um Formalismen und Selbstvermarktung kümmern und gar nicht mehr in die Verlegenheit kommen, sich inhaltlich auseinandersetzen zu müssen. Es hinterlässt Journalisten, die im Glauben an die Bedeutung von Aufblattl-Hinweisen gar nicht mehr auf die Idee kommen ein inhaltliches Gespräch (und Gespräche sind es, die wir brauchen, keine Interviews) zu führen. Und es hinterlässt ein Publikum, das daraus im besten Fall noch jahrmarktähnliche Belustigung ziehen kann, sich meist aber angewidert abwendet. Es hinterlässt nur Verlierer.

Newcomer Stronach spürt das.
Und setzt sich, mit seinen sprachlich nicht genügenden Mitteln zur Wehr. Benennt den negativen, grauslichen Grundton. Und ist damit aktuell der einzige, der in dieses erstarrte Match zwischen Politikern und Journalisten eindringt; mit einer menschlichen Regung und damit als (zufälliger) Anwalt des Publikums.

Natürlich ist es wichtig, Geschäftsleute wie ihn über seltsame Immobilien-Transfers, uneingelöste Versprechungen und dubiose Übertritte zu befragen, auch hart. Wenn sich das allerdings mit dem provinziellen Glatteis-Journalismus, den sich die Branche von den Populisten hat aufdrängen lassen, mischt, verliert es in der Sekunde seine Kraft.

Dass es just der genauso populistisch agierende Nochamal-Großvater aus Weiz ist, der diese größte Schwäche des heimischen Journalismus augenfällig macht (was natürlich dazu führt, dass dieser implizite Hinweis gar nicht erst zur Kenntnis genommen wird) ist ein Treppenwitz; aber ein guter.