Erstellt am: 23. 9. 2012 - 16:50 Uhr
Meistens gibt es Regen
- Der Song zum Sonntag auf FM4
- Über "Sommer" macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.
Der Herbst kommt mit rotweinroter Schwere ins Leben. Er lässt den Wind uns lieber entgegen und die Blätter ins Gesicht wehen, als dass er ihn uns als treibende Kraft in den Rücken schickt, die helfen kann, endlich ans Ende dieser ewig langen, grauen Gasse zu gelangen. Der Sommer ist vorbei, Zeit also, sich aufs Kastanienbraten und das Ausführen der neuen Übergangsjacke zu freuen, gerne aber auch Zeit, mit der üblichen matten Melancholie und wohliger Schwermut an all die Palmen, Surfbretter und Ananas-Cocktails, die die vergangenen Monate sprühen ließen, zurückzudenken.
"Irgendwie ändern sich die Wetterbedingungen ständig", singt Der Nino aus Wien im Stück "Sommer", "und aus dem netten wird ein schlimmes, ein böses." Wenn Der Nino aus Wien aber einen Text schreibt, kann es wohl kaum einzig um das Zusammenspiel schnöder, draußen in der Welt sich abspielender Naturereignisse wie dem Jahreszeitenwechsel mit der Gemütslage tief in unseren Seelen gehen. "Sommer" handelt auch vom Sich-Verirren und vom Verlorengehen, wie das ist, wenn einem der Kopf wegfliegt und so auch fast allen wichtigen Dingen im Leben: "Du hast kein Geld mehr. Du hast keine schöne Frisur. Vielleicht brauchst Du irgendwas anderes, einen Gürtel - oder ein Schal. Schau, was geht mit Dir?"
Garfield Trummer
Die Musik zu "Sommer" kommt von Rainer Binder-Krieglstein, der nach seinem thematisch doch recht streng organisierten, wohl auf das New Weird America bezugnehmenden und so die österreichische Folklore erforschenden letzten Album namens "New Weird Austria" die neuen Platte seines Projekts Binder & Krieglstein wieder offener angelegt hat. "Jugend" heißt das Album, Binder-Krieglstein begreift hier elektronische Musik als weites Feld, das mal Richtung Dub, mal Richtung Techno und Disco, dann wieder eher ins Abstrakte gedehnt werden kann.
Einige Gäste hat der aus Graz stammende Musiker zur Mithilfe geladen: Makki, die langjährige Stammsängerin von Binder & Krieglstein, Bernhard Schnur, Effi oder Raumschiff Englmayer von Bul Bul. Im Stück "Sommer" fügen sich der ewig und zäh gestreckte Sprechgesang von Nino und der Finten legende Text hier und der träge Beat, ein müdes Klavier und ein Nebel verheißendes Sounddesign da zu einem perfekten, bitter-sweet Song of Sehnsucht, in dem die Zerknirschung und die Hoffnung gleichberechtigt funkeln."Irgendwo ist es immer Sommer. Vielleicht nicht hier und vielleicht auch nicht woanders. Aber ich glaub ich werde ihn finden." Am Ende des Songs stehen der Donner und der Regen. Es ist aber ein schöner Regen.