Erstellt am: 21. 9. 2012 - 15:05 Uhr
Vom FM4 Homebase Studio ins ESM-Direktorium
Eines vorab: In dieser Geschichte geht es nicht um Sinn oder Unsinn, Fluch oder Segen des ESM.
In dieser Geschichte geht es um einen Mann, der zu den interessantesten zählt, die ich bislang kennenlernen durfte – und zwar in den ein bis zwei Jahren, in denen sich unsere Zeit bei FM4 überlappt hat.
Harald Waiglein, 44, hat bereits in den Anfangstagen von FM4 neben seiner Tätigkeit als Sänger von Bomb Circle als Reporter begonnen, später auch Moderator.
Später wechselte er in die Wirtschaftsredaktion des aktuellen Dienstes.
Als er Karl Heinz Grasser wiederholt Fragen zu seiner Homepage-Finanzierung stellt, bricht dieser das Interview ab.
Anschließend wechselt er als stellvertretender Chefredakteur zur Wiener Zeitung, von dort führt ihn seine Laufbahn schließlich ins Finanzministerium wo er unter den Ministern Pröll und später Fekter als Pressesprecher tätig ist.
Seit dem Sommer 2012 ist er auch Sektionschef im Ministerium.
Ab Betriebsaufnahme am 8. Oktober ist Waiglein nun der österreichische Direktor des ESM, abberufen und seiner Immunität enthoben kann er nur vom ESM-Direktorium oder der österreichischen ESM-Gouverneurin werden (BM Fekter).
Über den Harald Waiglein, der einst mit Bomb Circle eine Oase in der 80er-90er Wüste österreichischer Rockmusik war und dann auch in der Frühzeit FM4 mitprägte – bis zu seinem ORF-Abschied im Jahr 2005 hat Martin Blumenau hier alles sehr trefflich und erschöpfend zusammen gefasst.
„Mein“ Harald Waiglein, der übrigens vor genau 11 Jahren und 11 Tagen, also am Vorabend von 9/11, seine letzte Homebase moderierte, speist sich vor allem aus den Erfahrungen, die ich in dieser Zeit gemeinsamer Arbeit sammelte. Als ich als frisch erlöster Zivildiener meine ersten Runden als Abend-Chef vom Dienst drehte.
Radio FM4
Harald war damals schon in seinem letzten Jahr bei FM4 und moderierte eben vor allem die Homebase – damals abwechselnd mit Gerald Votava, Christian Davidek, Heinz Reich und Mirjam Unger. Eine originelle Kombi war auch in den Sommermonaten 2001 zu hören, als Harald mit David Pfister zusammen die Homebase-Parade schupfte.
Schon damals war allerdings klar, dass Waiglein, der schon in diesen letzten Jahren bei FM4 seine Miete vor allem als Wirtschaftsredakteur beim aktuellen Dienst verdiente, nicht mehr lange vor dem Mikro stehen würde.
Teilweise konnte er mit den aktuellen Titeln wenig anfangen, vor allem beim Verlesen der Ausgeh-Termine konnte er sich das eine oder süffisante Lächeln über den einen oder anderen besonders schrägen DJ-Namen nicht verkneifen.
Und schon damals mochte er nicht in Schablonen denken, was etwa in Interviews mit besonders engagierten Globalisierungskritikern, die sich damals gerade formierten, auch mal in eine sarkastisch-humoristische Richtung kippen konnte.
Im Spannungsfeld zwischen naivem Idealismus und abgeklärtem Pragmatismus war er fast immer auf der Seite der praktischen Durchsetzbarkeit.
Durchgesetzt hat er übrigens auch ein Format, über das mittlerweile nur mehr Sagen erzählt werden: Die legendäre „Harald Waigleins Doppelwatsche“.
Teils zum Entsetzen der Musikredaktion schleppte er dabei in jeder Sendung Vinyl an, Platten, von denen er meinte, dass FM4 Hörer sie hören sollten, zwischen den Songs aus der Rotation von Placebo bis Moby. Mitunter war da natürlich auch sperriges und obskures Zeug dabei, ich meine mich zu erinnern, dass bei unserem ersten gemeinsamen Dienst „Alien Sex Fiend“ am Speiseplan stand. Gespielt wurden immer zwei Songs (daher auch Doppelwatsche), in der Mitte gestaltete Harald immer eine ausladende aber hoch informative Moderation – und so schräg diese Form des „Geschichtsunterrichts“ auch teilweise war, so prägend war sie auch für seine Sendungen.
Der Harald Waiglein, den ich damals kennen lernte, war ein bisschen immer ein Fels in der Brandung – allerdings zwischen allen Stühlen.
Vielleicht war es diese dezente Kuckucksei-Anmutung und Entfremdung, die später auch dazu führte, dass er keine Homebase mehr machte, die mich damals, als jemand, der nie Tocotronic-Frisuren und Second-Hand-Anoraks trug, so beeindruckte. Ich glaube, ich fand immer schon jene Menschen spannender, die sich so gar nicht einordnen lassen. Vielleicht fühlte ich mich durch ihn als „fader WU-Student“ aber auch weniger fehl am Platz.
Was Harald Waiglein aber stets auszeichnete, egal ob Homebase Moderator oder Wirtschaftsredakteur, war auch, die Dinge ernst zu nehmen, jene Dinge die zu tun sind, möglichst gut zu erledigen.
Im eigentlichen Sinne professionell zu sein, auch wenn das schon mal heißen konnte, dass wir ein und dieselbe Vinylplatte gleich dreimal einspielen mussten.
Eine durch und durch strukturierte Arbeitsweise, die aber dennoch immer im besten Sinne „Hands on“ war.
Wie eingangs gesagt, über den ESM wurde schon vieles gesagt und er soll hier auch nicht Thema sein.
Nun, wo das Ding trotz Widerstand und mit wenig demokratischer Kontrolle aber bereits durchgepeitscht wurde, kann es wohl nicht schaden, einen seriösen und integren Fachmann mit der Expertise eines Harald Waiglein dort sitzen zu haben.
Auch wenn die Vorstellung, dass mein ehemaliger Homebase Kollege nun also steuerfrei und immun vor rechtlicher Verfolgung ist, zugegeben etwas schräg wirkt.
Und auch wenn der Journalist Harald Waiglein zu all den Begleitmusiken des ESM wohl viele gute Fragen gehabt hätte.
Hier übrigens das Audiofile von Harald Waigleins Verabschiedung am Ende seiner letzten Hombase, die er Anfang September 2001 moderiert hat.