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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

20. 9. 2012 - 23:50

Fußball-Journal '12-34.

Um gleich gegen fatal-falsche Legendenbildung zu wirken: Wieso Rapid seinen Euro-Auftakt völlig verdient verloren hat.

Auch in der aktuellen Saison begleitet das Fußball-Journal '12 (wie schon in den Vorjahren) die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das mediale Umfeld.

Heute mit einer leider nötigen Klarstellung zum Euro-League-Match Rapids gegen Rosenborg.

Ich hab zwar nicht so schnell damit gerechnet, aber: es hat ja so kommen müssen.
Das großartige Match des ÖFB-Teams gegen Deutschland, das alle Welt zurecht Lob regnen ließ, wird hergenommen, wird missbraucht. Für haarsträubende Vergleiche, zum Zweck der massenverblödenden Legendenbildung.
Und das bei der erstbesten Chance, nach einem Match, das genau gar keine Ähnlichkeit mit dem WM-Quali-Match aufweist, mit dem eben zu Ende (und in die Hose gegangenen) Europa-League-Auftaktspiel von Rapid. Dem durch die Böllerer von Saloniki verursachtem Geisterspiel gegen Rosenborg BK aus Trondheim, Norwegen.

Der Trainer des exzellent geführten Traditionsklubs aus dem Norden, der Schwede Jon Jönsson, hatte vor der Partie gemeint, er wäre auf alle Eventualitäten vorbereitet, hätte für jede Matchsituation einen Plan, von A bis C.
Das Spiel lief dann so, dass er Plan A durchspielen konnte.
Es wäre an Rapid gelegen den Hebel umzulegen, zumindest auf einen Plan B.

Missbrauch und Massenverblödung

Nur: den hat die Mannschaft nicht. Ich würde meinen: noch nicht. Immerhin hat es Trainer Schöttel geschafft nach den völlig planlosen Pacult-Jahren so etwas wie eine Einser-Philosophie einzuführen; also das Beherrschen eines Plan A.

Das was Rapid (und auch den anderen österreichischen Vereinsmannschaften) auf das Level auf dem sich das (von den diversen "Experten" krass fehleinge-/unterschätzte) Team von Rosenborg befindet, fehlt, ist genau das: Plan B und C.

Nach dem Rückstand nämlich war Rapid nicht imstande sich auf die neuen Bedingungen einzustellen. Schöttel unternahm nicht nur während des Spiels (obwohl seine Rufe heute gehört worden wären) aber auch in der Halbzeit nichts.

Diese strategische Fehlleistung zeigt ballverliebt.eu in seiner sehr guten Analyse meiner Meinung nach zu wenig drastisch, weil sie Ildiz und vor allem Heikkinen hinter Prica platzieren, wo sie doch die meiste Zeit vor ihm herumstanden.

Die Analyse von abseits.at thematisiert vor allem die Ideenlosigkeit des starren Rapid-Systems.

Viel zu lange Zeit hielt er an seinem starren, völlig nutzlos gewordenem System fest. Vor (den heute deutlich unter Form spielenden) Innenverteidigern Sonnleitner und Gerson standen der statische Heikkinen und der unendlich elegante, aber hinten angebundene Ildiz; im Offensivfall alle noch vor der einzigen gegnerischen Spitze. Die Aktionen des offensive Mittelfeld-Trios Trimmel-Hoffmann-Katzer wurde von fünf Rosenborgern, die der Angriffsreihe Alar-Boyd-Burgstaller von weiteren vier abgefangen.

Problemlosest.

Auch weil Rosenborg über die zentrale Rapid-Schwachstelle (die starre Interpretation des Doppelsechsers) ausgezeichnet Bescheid wusste.

Ballbesitz ohne Torchance ist wie Eunuch sein im Harem

Genaugenommen hatte Rapid gar keine Chance.
Und kaum Torchancen.
Keine Torszene in der 1. Halbzeit.
Und genau ein einziges hartnäckiges Zufallsding von Ildiz, das zu einem Corner führte, aus dem Katzer das einzige Rapid-Tor erzielte.
Und das war's auch wieder (denn die Szene, die zum Elfer führte, war auch keine Torchance; und Alars Schusserl, bei aller Liebe, auch nicht).
Rosenborg hingegen bekam noch drei, vier exzellente Kontermöglichkeiten.
Und kam defensiv nie in echte Gefahr.

Und: Ballbesitz ist, wenn er hirnlos verwaltet wird, keine Tugend, sondern Last.

Erst der EinszuEins-Wechsel Prager-Ildiz in der 70. Minute änderte eine Kleinigkeit: Prager durfte seine Rolle eine Spur offensiver als Ildiz (bis dorthin trotz seiner kurzen Leine bester Rapidler) interpretieren. Aus dem seltsamen 4-3-3 bis dorthin wurde ein allerdings ebenso steckenbleibendes 3-4-3, dem sich Rosenborg mit genau derselben (vorhin bereits beschriebenen) personellen Überzahl entgegenstellen konnte.
Weiterhin recht problemlos.

Mit der Leistung des ÖFB-Team hat das alles nichts zu tun. Nicht das geringste.
Rapid spielte keinesfalls ein Offensiv-Pressing, erlangte nie eine spielerische Überlegenheit im Mittelfeld (dessen Beherrscher trug vielmehr die gegnerische Nummer 42) und vermochte kaum jemals sinnvoll aus der Abwehr rausspielen. Und die starr-angebundenen Sechser des Peter Schöttel gibt es bei Koller nicht.

Der Vergleich mit dem Deutschland-Spiel: krasser Blödsinn

Rosenborg ist auch keinesfalls Deutschland.
Die höhere taktische Klasse dieser Mannschaft (und ihres Trainerstabs) war zwar spürbar: was Körperlichkeit, individuelle Fähigkeiten oder Spielwitz anbelangt, stehen die Norweger aber maximal ganz leicht vor Rapid.

Die Rapid-Verantwortlichen hatten ihren Spielern zwar mitgegeben, dass die gegnerische Schwachstelle, der kleine Rechtsverteidiger Gamboa, anzubohren wäre - mehr als der nämliche Elfer und zwei letztlich eh wieder geblockte Vorstöße kamen aber nicht dabei raus.

In diesem Zusammen-hang war es lustig den Ex-Coach Pacult als Co-Kommentator zu hören. Der sah nichts und hatte außer "des wird schon" und "mir haben genug Zeit" nichts zu melden.
Im Vergleich zu ihm ist Schöttels Reaktionszeit (minimale Umstellung in der 70. Minute) die von Yohan Blake.

Insgesamt ist/war das also zu schwach: ungenügende statregische Vorgaben, ungenügende taktische Variantenbreite, ungenügende Ausrichtung des Matchplans, ungenügende Einflussnahme auf offensichtlich nicht funktionierende Mannschaftsteile, ungenügende Reaktionsfähigkeit.

Das steht im krassestmöglichen Gegensatz zu dem, was das Team Koller beim ÖFB mittlerweile kann und (mit begabtem und bei guten Vereinen gut geschultem Personal) auch ausführt.

Nach dem A auch noch das B und C lernen

Für Rapid ist das noch Zukunftsmusik.
Die Ansätze sind zwar da, gegen strategisch deutlich bessere Teams reicht es aber noch ganz klar nicht. Zudem sind heute auch alle Special-Team-Tricks von Hickersberger Junior schiefgegangen.

Das zentrale Problem nach dieser Niederlage sind wieder einmal Mainstream-Medien und die sogenannten Experten: die heulen jetzt wie immer den Mond der Dolchstoß-Legenden an, ergehen sich in wehleidiger Ausredensuche, sind nicht eine Sekunde an echter Analyse interessiert, sondern sondern populistische Sprüche ab.
Peter Pacult etwa gibt dem leeren Stadion die Schuld. Und die ersten Medien-Kommentare schwadronieren von dummen Toren und bemühen das Länderspiel-Beispiel samt Vergleich einer Art gottgebenen Glücklosigkeit.

Das sind Ausreden.
Erbarmunsgwürdig-peinliche.
Es hat die reifere und variantenreichere Mannschaft, auch noch die mit den besseren Torchancen gewonnen; und die strategisch ärmere hat verloren.

Nie wäre ein Plan B so wertvoll wie heute gewesen. Von Plan C von Coach Jönsson gar nicht erst zu reden.