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Alexandra Augustin

West Coast, wahnwitzige Künste und berauschende Erlebnisse. Steht mit der FM4 Morningshow auf.

21. 9. 2012 - 17:32

"Wir haben keine Freunde"

Die Killers jammern auf hohem Niveau - gehören sie doch zu den größten Rockstars der Gegenwart. Ihr neues Album "Battle Born" ist sehr verwirrend.

Es gibt Interviewsituationen, da möchte man sich als Journalistin gleich wieder umdrehen und den Raum verlassen. Zu den ganz üblen Zeitgenossen gehören gequält wirkende, an der Interviewsituation uninteressierte Menschen, die aber trotzdem Rede und Antwort stehen müssen.

The Killers beim Frequency 2012

Anton Corbijn

Und da sitzen sie vor mir, die Killers aus Las Vegas. Eigentlich sind es nur zwei davon, nämlich Leadgitarrist Dave Brent Keuning und Bassist Mark Stoermer. Sänger Brandon Flowers ist leider nicht da, er wird dafür am nächsten Tag einem Modemagazin ein Interview geben.

Auf eine Band wie die Killers habe ich mich natürlich akribisch vorbereitet. Dutzende andere Interviews gelesen und YouTube-Videos angeschaut. Ich war bei der Vorab-Listening-Session des neuen Albums mit dabei. Die Plattenfirma hatte diese für JournalistInnen einberufen, denn neue Platten einer Band dieser Größenordnung werden verständlicherweise niemanden drei Wochen vor Erscheinen in die Hand gedrückt. Zu groß ist die Gefahr, dass sie irgendwo im Netz auftauchen. Und ich habe mir eine lange Liste mit passenden Fragen überlegt. Doch es nützt alles nichts: Die Killers sind müde und haben die Schnauze voll von Interviews, als ich sie an ihrem Promotag im schicken Hotelzimmer in Wien besuche. Eigentlich wären sie jetzt auch lieber woanders, wie mir Dave erklärt: "Instead of having a press day, which is a necessary evil - nothing against you - I wanted to go to the graveyard to visit Beethoven's gravestone. But we don't have time."

"Na gut", denke ich mir. "Jetzt nur nicht die Ruhe verlieren". Auch ich hab mir das Interview anders vorgestellt und auch ich hasse 10-Minuten Interviewslots, die ungefähr so sexy sind, wie ein vorgekautes Mittagessen in der Mensa auf den Teller geklatscht zu bekommen. Ich versuche noch das eine oder andere Statement aus den beiden herauszuquetschen. Immerhin brauchen wir ja trotzdem ein paar Sager für die Radioberichterstattung, auch wenn sie davor alles schon tausend Mal in anderen Interviews erzählt haben. Und dann ziehe ich meinen Joker aus dem Ärmel. Off Topic-Fragen verschiedenster Natur, auf Postkarten gekritzelt zum selberziehen.

Was die Killers gerade im Kühlschrank haben? Wann sie das erste Mal geknutscht haben? Und welches Konzert für sie das schönste ihres Lebens war? Na, Bitte, es geht ja. Da blüht die Band plötzlich richtig auf. Die Killers plaudern locker-flockig vor sich hin und erzählen unter anderem, dass sie keine besten Freunde haben. It's lonely at the top. Aber nach über 15 Millionen verkauften Platten hält sich das Mitleid in Grenzen.

Das Interview zum Nachhören:

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Der Weg der Killers könnte ja aus dem Rockstar-Bilderbuch stammen. Aus den kleinen Jungs, die einst in Casinos ihre ersten Dollar verdient haben, ist eine Superstarband geworden. In Las Vegas, dort wo man an einem Abend sein ganzes Leben verspielen oder auch mit den Taschen voller Moneten ein neues beginnen kann. Und man weiß, dass sie ihr Handwerk gelernt haben: Sie wissen um alle Tricks der perfekten Inszenierung und Verführung, sie wissen, wie sie die Scheinwerfer auf sich richten müssen, um gebührend zu funkeln.

2004 erschien ihr Debüt "Hot Fuss", auf dem man All-Time-Favorites wie "Somebody Told Me" oder "Mister Brightside" findet. Der Nachfolger "Sam's Town" von 2006 war dafür ästhetisch genau das Gegenteil: Reduziert in Schwarz-Weiß gehalten, Anton Corbijn zeigte sich für das Artwork verantwortlich. Der Großmeister hat die Killers dafür in ein "The Joshua Tree"-ähnliches Setting gepackt. Das war der Band auch recht so, denn U2 gehören zu den Lieblingsbands der Killers. 2008 folgte "Day & Age", das verflixte 3. Album, das kam ein wenig durchschnittlicher daher. Trotzdem ist das Stück "Human" ihre bis heute erfolgreichste Single.

Einige Soloplatten und mittlerweile wieder verflogene Trennungsgerüchte später ist nun die vierte Platte erschienen, sie heißt "Battle Born" und ist sehr verwirrend.

Baby, We Were Born To Run

Philipp L'Heritier hat den Killers am vergangenen Frequency rote Rosen gestreut.

Noch vor Erscheinen wurden ja himmelhochjauchzende Lobeshymnen auf "Battle Born" gesungen. Da war es fast nicht mehr möglich, die Platte objektiv zu betrachten. Und grundsätzlich kann man natürlich sagen: Die Killers wissen sehr gut, was sie tun. Wie sie sich inszenieren müssen und wie sie Songs schreiben, die Chartsmaterial sind. Und so klingen die zwölf Songs auf "Battle Born" auch allesamt recht vertraut. "Runaways", der im Sommer erschienene Vorbote, war für viele sowieso DER Sommerhit 2012.

Weglaufen, ausreißen, irgendwo ein neues Leben beginnen. Mit der großen Liebe hinten am Motorrad sehnsüchtig durch Amerika cruisen. Das sind die Bilder, die dieses Lied vor unserem geistigen Auge entstehen lässt. Ein unbändiger Bombast, ein Monstersong. Eine lange, schwere Pathos-Referenzkette zwischen Bruce Springsteen's "Born To Run" und Meat Loaf zieht die Harley da hinter sich her.

Und auch die elf weiteren Lieder auf "Battle Born" bedienen sich an den großen Helden der Popmusikgeschichte: Der Killers-Song "Heart of a Girl" ist das heimliche Bastardkind von Lou Reed's "Walk on the Wild Side", dem L'Amour-Hatscher "Crimson and Clover" von Tommy James and The Shondells und U2's "Ultraviolet". Darauf können sich alle einigen.

Die Killers wollen mit Songs wie diesen Amerikanische Poeten sein. Wenn doch auch die restlichen Lieder auf "Battle Born" so gestrickt wären. Tja, wenn. Denn die schlechten Seiten der Platte lassen sich unter zwei, drei guten Liedern nicht verbergen.

Baby, Baby, Baby, Love, Love, Love

Da wäre zum Beispiel ein Lied mit dem Titel "Miss Atomic Bomb". Man fragt sich doch ein wenig, wie eine Band auf so einen Titel für ein Lied kommt. "Miss Atomic Bomb"? Seriously? Was haben sich die vier gedacht, als sie in ihrem Studio zusammengesessen sind und sich den Songtitel überlegt haben?

Und nicht nur hier, auch an vielen anderen Stellen ist "Battle Born" halt doch ein wenig over the top, seelenlos und blutleer, gespickt von leeren Worthülsen und gefällig zusammengestöpselten Sätzen.

"Baby, baby, baby, baby"...ja, ja, ja.

Nur weil man sich die emotionalsten Momente der Popmusik zusammensucht, dazu noch gängige und passende Wörter einstreut und das zu technisch einwandfreien Liedbombasten auftürmt, heißt das noch lange nicht, dass das Album durchwegs großartig ist. Auf "Battle Born" findet man leider auch ganz schlimme Bon Jovi-Momente. "Wohooo"-Superchöre, fast so schön wie in "Livin' On A Prayer". Ich glaube nicht, dass die Welt auf ein Lied wie „A Matter of Time“ gewartet hat.

You Give Love a Bad Name

Cover Battle Born

The Killers

"Battle Born": Ein Muss für Fans der Killers, für Freunde von Bruce Springsteen, U2, den Scorpions, Kate Bush, Meat Loaf, einsamen Road Trips durch die USA und Deep Dish Pizza.

Erschienen ist die Platte via Island/Vertigo.

Ist die neue Platte also schlecht? Also: Fans der Killers werden mit "Battle Born" sicher ihre Freude haben. Es geht auch nicht darum, ob hier etwas gut oder schlecht wäre, sondern darum, ob man sich als Band weiterentwickeln möchte oder halt nicht. Und man fragt sich natürlich, wieso die Killers das neue Album nicht als Chance genommen haben, sich auf interessantere Weise neu zu erfinden.

Die zwölf Songs auf der neuen Platte weisen leider nicht einmal ansatzweise Homogenität auf. Außer, dass sie alle tiptop überproduziert sind. Aber braucht es dafür gleich ein ganzes Album? Da kann man gleich ein paar EPs und Singles veröffentlichen und fertig. Richtig, wer braucht heutzutage überhaupt noch ein Album? Aber wenn man schon mit Retro-Schlüsselreizen vergangener Tage und Helden spielt, dann wäre ein stimmiges Gesamtkunstwerk dazu schon ein Muss.

Und wenn ich mich jetzt wieder an das Interview zurück erinnere: Da saßen eben zwei Musiker, die sich in keinster Weise über ihre Musik unterhalten wollten. Die eigentlich auch nicht wirklich dafür brannten, so mein Gefühl. Aber so ist das wahrscheinlich in Las Vegas: mehr Schein als Sein. Jedenfalls ist "Battle Born" im wahrsten Sinne des Wortes eine schwere Geburt. Auch beim Zuhören - wenn man sich die Platte in einem Stück anhören will.