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Burstup

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20. 9. 2012 - 11:12

E-Books aus Osutoria

Der ehemalige Videospiele-Entwickler Niki Laber hat einen E-Book-Verlag gegründet und in weniger als zwei Monaten sechzig Bücher veröffentlicht.

Seit dem Jahr 2011 kaufen Menschen beim Online-Buchhändler Amazon mehr E-Books als gedruckte Bücher. In Großbritannien kommen derzeit auf 100 Printausgaben bereits 114 E-Books. Eine andere Zahl, die der Großhändler gerne publiziert, wirkt noch beeindruckender: Kunden, die Amazons E-Book-Reader "Kindle" besitzen, kaufen angeblich vier mal mehr Bücher als vorher. Im deutschen Sprachraum hinken wir dieser Entwicklung noch ein wenig hinterher, die Tendenz ist aber ähnlich. In Österreich hat jetzt ein Pionier der Videospiele-Entwicklerszene die Branche gewechselt. Die Rede ist von Niki Laber, ehemals Chef von "Neo" und "Rockstar Vienna", wo z.B. die Xbox-Versionen von "Max Payne" und "GTA III" sowie dutzende Eigenentwicklungen entstanden sind. Der Spiele-Veteran hat jetzt einen E-Book-Verlag gegründet. Eines der ersten Projekte des frischgebackenen Publishers: Das Romanexperiment "Face".

Face

Face

Osutoria Publishing

Harry Maloy ist Ende dreißig und führt ein langweiliges Leben. Eines Morgens wacht er in einer menschenleeren Einöde auf. Er ist verkatert, gekleidet wie ein Obdachloser, und hat weder Geld noch Ausweise. Auf dem Weg zurück in die Zivilisation sieht er sein Spiegelbild in einem See und erkennt: er hat ein völlig anderes Gesicht und auch sonst ist sein Äußeres komplett verändert. Bald realisiert er, dass sein neuer Körper einem gesuchten Mörder gehört.
So beginnt das erste Kapitel von "Face", geschrieben vom US-amerikanischen Autor George Rebal - und es wird das einzige Kapitel bleiben, das der Autor zu dem Roman beisteuert. Ab dann wird das Buch von Lesern weitergeschrieben. Die Frist zur Einsendung von Kapitel zwei endete vor wenigen Tagen, sagt Niki Laber: "Eine Jury bei uns sucht nun die beste Einsendung aus. Der Gewinner bekommt einen Verlagsvertrag. Nach der Veröffentlichung bitten wir die Leser, das dritte Kapitel zu schreiben und einzureichen."

"Face" ist der erste Titel der Reihe "Open Book Projects". Auf deren Website erschien das Einleitungskapitel sowohl auf Englisch, als auch auf Deutsch. Zweisprachig ist auch die Bewertung der Einsendungen: Sie erfolgt durch je eine Jury in Österreich und in den USA - so werden wohl auch zwei verschiedene Versionen des Romans entstehen.

Osutoria Publishing

Man kann die "Open Book Projects" als eine neue Form des Crowdsourcing im Buchsektor verstehen. Und es ist nicht das einzige Experiment des Verlags. Das macht sich schon im Namen bemerkbar, den der bekennende Japan-Fan Niki Laber gewählt hat: "Osutoria" ist das japanische Wort für "Österreich". Ein E-Book für den Markt im fernen Osten war deshalb auch einer der ersten Versuche des jungen Publishers - ein Kochbuch mit Tiroler Rezepten für Japaner. Der Osutoria Verlag ist erst seit eineinhalb Monaten am Markt, hat in dieser kurzen Zeit aber schon sechzig eigene Titel veröffentlicht, bei denen er direkt mit den Autoren zusammenarbeitet. "Weitere 200 bis 300 E-Books stehen jetzt in der Pipeline. Sie kommen von Partnerverlagen, mit denen wir kooperieren." Für diese Partnerverlage übernimmt Osutoria das digitale Publishing und die Vermarktung von Büchern, die bereits als Printausgabe erschienen sind.

Alessandra Ravanelli und Niki Laber

Osutoria Publishing

Alessandra Ravanelli und Niki Laber von Osutoria Publishing

Die E-Books bei Osutoria erscheinen in verschiedensten Formaten und für vier der wichtigsten Reader bzw. Plattformen: Kindle, iBooks, Nook und Kobo. Niki Laber ist überzeugt, dass sich im Buch-Verlagswesen derzeit die Geschichte der Musikindustrie wiederholt: "Wenn man Schüler fragt: Wieviele Songs hast du? Welche CDs kaufst du? Dann sagen die: 'Keine Ahnung, auf meinem mp3-Player sind 5000 Songs. CDs verwende ich gar nicht.' Diese Entwicklung hat sich im Filmbereich wiederholt. Sie wiederholt sich jetzt gerade bei den Computerspielen, mit Downloads von Plattformen wie Steam oder anderen. Und diese Entwicklung wird in Zukunft auch den Buchmarkt betreffen." Mit Spannung werden wir wohl aber auch die Entwicklung des Buchs selbst verfolgen können: Neue Reader und Tablets erlauben ja nicht nur, tausende Bücher in einem kleinen Gerät herumzutragen, sondern sie bieten auch Möglichkeiten für technische Innovationen. Diese reichen von immer ausgefeilteren Möglichkeiten der Suche (sehr nützlich bei Studium, Recherche und Forschung) bis hin zur Einbindung komplexer Multimedia-Inhalte. Auch bei Osutoria werden sich zu den "Open Book Projects" wohl bald weitere Experimente gesellen.