Erstellt am: 19. 9. 2012 - 19:00 Uhr
Small Screen Stories aus der Twilight Zone
Ich spreche nicht von grunzenden halbverwesten Zombies, deren Hirne sich schon längst zersetzt haben, sondern von tragischen Figuren, die nicht realisiert haben, dass ihr Licht schon erloschen ist bzw. in für Menschen nicht wahrnehmbaren Spektralfarben erscheint. Sie sind nicht mehr fassbar, obwohl sie neben uns an der Bar stehen. Sie sind auch noch keine Geister im klassichen Sinne, da sie noch nicht zur anderen Seite gehören. Manchmal ist ihr letzter Besuch ein dramatischer Abgang, ein Exzess der Auflösung, manchmal ein poetisches hinübergleiten, manchmal fallen sie ganz plötzlich aus dieser Welt.
Die unten stehenden Musik-Videos sind ein Abschied von jemanden, der noch da ist, aber schon in eine andere Welt gehört.
brainfeeder/Khalil Joseph
Mit dem oben beschriebenen Problem schlägt sich auch die Hauptfigur in Haruki Murakami´s 1Q84 herum, das soeben als Taschenbuch erschienen ist.
"Nicht ich bin verrückt, die Welt ist es. Ja, so kommt es hin, dachte sie. Zu einem gewissen Zeitpunkt ist die Welt wie ich sie kannte, verschwunden oder hat sich zurückgezogen, und eine andere ist an ihre Stelle getreten. Als sei eine Weiche umgestellt worden. Das hieße, mein gegenwärtiges Bewusstsein wäre noch der ursprünglichen Welt verhaftet, die jedoch bereits einer anderen gewichen ist. Die Veränderungen, die stattgefunden haben, sind im Augenblick noch begrenzt. Der größte Teil der neuen Welt wurde aus der ursprünglichen mir bekannten Welt übernommen. [...] Die Unterschiede werden sich nach und nach vermehren, und von Fall zu Fall wird die Logik meiner Handlungen leiden, und ich werde fatale Fehler begehen. Es wäre buchstäblich tödlich, wenn es so käme."
Die erste junge Dame nicht literarischen Ursprungs, die mir unterkam und die nicht akzeptieren will, dass sie bereits eine Schattengestallt ist, stammt aus dem Video von Father John Misty "Hollywood Forever Cemetery Sings". Aubrey Plaza, die April Ludgate aus der brillanten Comedy-Serie 2Parks and Recreations" im finalen Furor.
Ein poetischer, großer und trauriger Abschied ist der Trailer zu "Until the Quiet comes", dem neuen Album von Flying Lotus und hier gehen Schmerz und Schönheit Hand in Hand. Selten, ich glaube eigentlich noch nie, habe ich einen Promotionsfilm gesehen, der so für sich steht. Drei Songs des am 1. Oktober erscheinenden Flying Lotus Albums sind zu hören: "See Thru To U" auf dem Erykah Badu zu hören ist, "Hunger" und "Getting There". Der Film wurde von Kahlil Joseph in Watts gedreht und Flying Lotus selbst hat einen kurzen Gastauftritt als die nicht von dieser Welt stammende Figur, die den jungen Mann mit dem "Dilla changed my life"-T-Shirt abholt. Die Verbindungen von Kurzfilm und Musik, die Kahlil Jospeh in den letzten zwei Jahren unter anderem für Aloe Blacc oder Shabazz Palaces gemacht hat, gehören momentan zum ästhetisch ansprechendsten und spannendsten, was auf den Videoportalen unterwegs ist. Ich wäre sehr glücklich, wenn ich den auf 35 mm Film gedrehten "Until the Quiet comes" auf einer Kinoleinwand sehen könnte
2010 erschien "I´m New Here" von Gil Scott-Heron, das Video zu "Me and the Devil" stammt von dem Duo Codie and Chike, die auch das ach so kontroverse Erykah Badu´s "Window Seat" gedreht haben.
Die Voodoo Skate Gang aus dem Video zeigt uns, dass die Spirits längst die Einsamkeit verlassen haben und dass das Unheimliche prächtig im Herzen der Zivilisation gedeiht.