Erstellt am: 19. 9. 2012 - 10:52 Uhr
Der Nachhall der Einsamkeit
FM4 Interview Podcast
Efterklang im Gespräch mit Andreas Gstettner
Als Sänger Casper Clausen am Nachmittag den großen Sendesaal betritt, betrachtet er ehrfürchtig den Raum. Als am Ende des selben Tages die sechsköpfige Band Efterklang sich vor tosendem Applaus verneigt, ist eine Spur von Demut in den Gesichtern der Dänen zu sehen. Auch wenn die Wörter "Demut" und "Ehrfurcht" einen religiös unterwürfigen Touch besitzen oder man mit ihnen gerne das Ohnmachtsgefühl gegenüber einer herrschenden Macht kaschiert, passen sie in diesem Rahmen. Schließlich ist der Ausgangspunkt für das neue Album "Piramida", das Efterklang bei dieser FM4 Radio Session präsentieren, eine Geisterstadt in Spitzbergen, mitten im Nirgendwo des arktischen Ozeans. Es ist ein Ort, den sich die Natur zurückerobert hat und die ehemaligen Errungenschaften der Menschen langsam verfallen. Dort entstanden in neun Tagen über tausend Feldaufnahmen, die Rasmus, Casper und Mads als Basis für die neuen Songs dienten. Und in dieser kompletten Isolation, bei einer Witterung, die im August keine Nacht zulässt, mit der Angst vor Polarbären im Nacken, da können schon ein Gefühl von Ehrfurcht und nach der sicheren Rückkehr ins vergleichsweise unkomplizierte Stadtleben ein Gefühl von Demut aufkommen.
Pamela Rußmann
Mit all diesen Erfahrungen im Herzen und all diesen Klängen, die von der dänischen Band in dieser Geisterstadt "Piramida" zum Leben erweckt wurden, verwandeln Efterklang das Radiokulturhaus in einen magischen Ort nordischer Weite und sehnsüchtiger Wunschträume.
Ölfässer, Treibstofftanks und Pop
Die ersten Takte von "Hollow Mountain", die den Senderaum füllen, sind die von Miss Piggy. Einem großen Ölfass mit Spikes an der Außenseite, das in der ehemaligen Bergbaustadt in der Arktis auf die dänische Band gewartet hat. Der filigrane Rhythmus wird von Soundtüftler Mads mit einem Sampler eingespielt, Live-Band Mitglied Peter Broderick lässt eine Geige dazu erklingen und als Casper seine basslastige Stimme erhebt, sind sie wieder da. Die Bilder einer längst vergessenen Stadt am Ende der Welt. Die schneebedeckten Gebirge von Spitzbergen, die man in dem wunderschönen Teaservideo zum Album sieht. Der Sound ist knöchern und doch geschmeidig. Es herrscht viel Platz zwischen den Tönen, der mit einer intensiven Atmosphäre der Einsamkeit gefüllt wird.
Pamela Rußmann
Efterklang live in der Arena Wien am 2.12.2012
Die zweite Nummer "Apples" wird durch einen rollenden Beserlschlagzeugbeat eröffnet. Hinter den Drums sitzt Budgie, der Ex-Siouxsie And The Banshee Schlagwerker. Mit einer unglaublichen Leichtigkeit und Spielfreude gibt er dem Song einen treibenden Popappeal, zwischen all den mystischen Samples scheint der kalte Wind des Nordens durch das Radiokulturhaus zu pfeifen. Nachdem die Liedreihenfolge von "Piramida" streng beibehalten wird, folgt mit "Sedna" das Kernstück des neuen Efterklangwerks. Ein langsames, reduziertes und berührendes Stück, das mit den Klängen des nördlichsten, verstimmten Klaviers der Welt und langem Echo von leeren Treibstofftanks beginnt. Wenn Casper eindringlich die Zeile "your waves are tippin' me over" singt, dann fühlt man sich in das kleine Boot versetzt, mit dem sich die Band drei Stunden durch das raue Eismeer auf den Weg machte, zu ihrem bislang größten Experiment und Abenteuer.
Pamela Rußmann
Wenn die Dänen seit mehr als zehn Jahren nicht ihren Bandnamen tragen würden, man müsste ihn für dieses neue Album und die daraus resultierenden Songs und Konzerte erfinden. Einerseits ist efterklang der technisch-akustische Begriff für Nachhall. Dieser war besonders stark, als die Band ein kleines Schlagzeug in Spitzbergen in den verlassenen Turnsaal der Geisterstadt zum Leben erwecken. Dieser verhallte, etwas stolpernde Sound bildet die Grundlage für "Told To Be Fine", dem rhythmisch komplexesten Stück. Andererseits kann efterklang mit Erinnerung übersetzt werden. Inhaltlich bezieht sich Casper auf "Piramida" auf eine gescheiterte Beziehung, deren Erinnerungen sich mit dem intensiven Trip in die Arktis zunehmend vermischten. So ist auch die Geisterstadt ein Sinnbild für das Relikt einer Liebe. Und so scheint der charismatische Sänger bei "Told To Be Fine" sich im schwärzesten Moment selbst davon zu überzeugen, dass doch alles in Ordnung ist. Gegen Ende der Nummer, als die Band immer mehr in Fahrt kommt, stellt sich Casper an den Rand des Saals zum Publikum, um seine eigenen Bandmitglieder zu beobachten. Eine kleine Geste, die den respektvollen Umgang innerhalb dieses Kollektivs verdeutlicht.
Pamela Rußmann
Der Geist von Piramida
Nach dem sphärischen "The Living Layer", bei dem Soundarchitekt Mads sein ganzes Können unter Beweis stellt, unterbrechen Efterklang ihr Konzert für eine kleine Fotoshow. Trotz der über zweihundert Menschen kommt man sich vor wie bei einem Familientreffen, bei dem Freunde ihre Urlaubsbilder zeigen. Nur dass in diesem Fall gleich das erste die Band in "survival suits" zeigt, mit angefrorenen Schibrillen, auf denen die Wellen ihre eisigen Muster zeichnen.
Pamela Rußmann
Die beeindruckenden Landschaftsaufnahmen und Fotos von den Aufnahmeprozessen werden spontan von Casper moderiert und dienen als geistige Vorlage für das im Anschluss gespielte "The Ghost". Bei diesem treibenden, von Bläsersounds begleiteten Popstück wird der Geist dieser verlassenen Stadt heraufbeschwört, der eigentlich durch alle Songs des neuen Werks wandelt. Das Klavier von "Black Summer", das sehnsuchtsweckende Akkorde im Sendesaal verklingen lässt, hypnotisiert trotz seiner extremen Dynamiksprünge und filigranem Arrangement.
Pamela Rußmann
Das Einspielen und Generieren der Samples vermischt sich mit der beeindruckenden Opern-Stimme von Sängerin Katinka, die dem ganzen Konzert eine berührende Intensität verleiht. Immer wieder ist das kribbelnde Spannungsfeld zwischen Zerbrechlichkeit und enormer Energie zu spüren. Auch wenn es das erste "Piramida"-Konzert in sechsköpfiger Bandbesetzung ist, spürt man diese wortlose Kommunikation in den Songs, diese gefühlsmäßige Übereinstimmung zwischen allen Musikerinnen und Musikern, die aus jeden Moment ein emotional einzigartiges Erlebnis entstehen lassen.
Pamela Rußmann
Und als nach dem epischen "Between The Walls" die letzte Nummer erklingt, sind Efterklang zu einer symbiotischen Einheit verschmolzen. "Monument", der emotionale Höhepunkt des neuen Werk, treibt einem langsam aber sicher Tränen in die Augen. Denn die schlichte Schönheit dieser Nummer ist wie eine innige, wärmende Umarmung. Und sie entlässt uns in die kühle Nacht mit der Sicherheit, auf dieser Welt nicht alleine zu sein.
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Efterklang wären keine perfektionistischen Sound- und Klangforscher, würden sie nicht nach dem eigentlichen Konzert einige Nummern noch einmal spielen, um für die kommende Radioübertragung möglichst fehlerlose Songs präsentieren zu können. Aber selbst dabei ist das Publikum andächtig lauschend im Saal geblieben, bis der letzte arktische Ton verklungen ist. Und das ist wohl das größte Zeichen für Freude und Dankbarkeit, das man einer Band entgegen bringen kann.
In der FM4 Homebase und im Videostream
Am Montag, 24. September 2012 wird ein Mitschnitt der FM4 Radio Session mit Efterklang im Rahmen der FM4 Homebase zu hören sein. Parallel zur Ausstrahlung geht dann auch der Videostream online, der hier 7 Tage lang zu sehen sein wird.