Erstellt am: 18. 9. 2012 - 15:56 Uhr
Ausgemosert
Der Untersuchungsauschuss mit dem offiziellen Namen "Klärung von Korruptionsvorwürfen" ist das bisher inhaltlich vielfältigste Gremium dieser Art. Er behandelt mehrere Affären, darunter das Lobbying bei der Änderung des Glücksspielgesetzes, dubiose Zahlungen der Telekom Austria an Politiker, den Verkauf der BUWOG-Wohnungen oder die Anschaffung des sogenannten Blaulichtfunks. Der U-Ausschuss tagt seit einem dreiviertel Jahr. Dutzende Zeugen wurden vorgeladen, darunter die Ex-Minister Karl-Heinz Grasser, Hubert Gorbach und Ernst Strasser, oder Lobbyisten wie Peter Hochegger und Alfons Mensdorff-Pouilly. Heute aber hat die Vorsitzende des Korruptions-U-Ausschusses, Gabriela Moser von den Grünen, diese Funktion zurückgelegt - nach einem wochenlangen Streit mit den anderen vier Parlamentsparteien.
Die Grünen
Gabriela Moser hat schon Jahre vor dem Untersuchungsausschuss dazu beigetragen, die Aufklärung von Korruptionsvorwürfen voranzutreiben. So war sie es, die die berühmten Telefonprotokolle zwischen Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger und Ernst Plech an die Öffentlichkeit brachte. Und sie war auch beteiligt an der Aufklärung dubioser Geldflüsse beim Verkauf der Bundeswohnungen. Den Vorsitz im von ihr wesentlich geprägten Korruptions-U-Ausschuss legte die Grün-Politikerin heute zurück, weil sie den anderen Parteien nicht als Vorwand dienen möchte, den ungeliebten U-Ausschuss zu beenden: "Ich gebe den Weg frei, damit der Ausschuss weiterarbeiten kann. Ich räume den Vorsitzsessel, weil ich klebe nicht. Ich sehe nicht ein, warum mich die Regierungsparteien weiterhin als Buhfrau oder als Sündenbock benutzen können sollen, um ihren Willen, Schluss zu machen nach außen hin zu argumentieren".
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Der Konflikt zwischen der Grünen-Vorsitzenden und den anderen Parlamentsparteien hatte sich im Juli an einem Vier-Parteien-Antrag entzündet: SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ wollten, dass Ministerien keine weiteren Akten für die bereits behandelten Unterschuchungsgegenstände an den Ausschuss liefern sollen. Die Grünen-Vorsitzende ließ diesen Antrag nicht zu. Im darauf folgenden Streit ging es zuerst um verfahrensrechtliche Details. Doch bald wurde Gabriela Moser selbst zur Zielscheibe, insbesondere seitens SPÖ und ÖVP, die schließlich den Rücktritt der Vorsitzenden forderten - wohl mit dem Kalkül, dass sie dies keinesfalls tun würde und der U-Ausschuss vorzeitig beendet werden könnte. Dass der Rücktritt heute wider Erwarten doch erfolgt ist, sorgt für Überraschung in allen Lagern. Walter Rosenkranz, U-Ausschuss-Mitglied der FPÖ, ließ sich sogar hinreißen, Moser zu loben: "Ich muss sagen, es ist sicherlich eine menschliche Größe von ihr, dass sie das jetzt gemacht hat". Der Rücktritt diene der Aufklärung. Auch BZÖ-Obmann Josef Bucher zeigt sich zufrieden: "Ich bin heute glücklich darüber, dass dieser Schritt von Frau Kollegin Moser gesetzt wurde. Großer Respekt. Ich weiß, was das einem einzelnen Abgeordneten abverlangt."
APA / Helmut Fohringer
Nach dem Rücktritt Gabriela Mosers wird es für die SPÖ schwieriger, die sogenannte Inseraten-Affäre rund um Bundeskanzler Werner Faymann weiter aus dem U-Ausschuss herauszuhalten. Delikat ist die Situation aber auch für die ÖVP: Sie hat sich bisher aus Rücksicht auf die Koalition gegen eine Ladung Faymanns ausgesprochen. Der unerwartete Rücktritt Mosers, sagt ÖVP-Vorsitzender Spindelegger, sei eine völlig neue Situation: "Das wird der Anlass dafür sein, dass morgen die Fragen zu erörtern sind, wie das weitergehen kann. Ich stehe nach wie vor für eine volle Aufklärung aller Fragen".
Morgen früh treten die fünf Fraktionsführer des U-Ausschusses zusammen. Dabei wird eine neue Vorsitzende oder ein neuer Vorsitzender bestimmt. Er oder sie wird sich wohl auch bald den Kopf zerbrechen müssen über die Forderung, keine neuen Akten mehr im Ausschuss zuzulassen, und über die juristische Frage, ob und wie ein solcher Beschluss überhaupt gefasst werden kann. Das vorzeitige Ende des Korruptions-U-Ausschusses dürfte aber vorerst vom Tisch sein.