Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Meine Freundinnen sind elektrischer als Deine"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

16. 9. 2012 - 16:38

Meine Freundinnen sind elektrischer als Deine

Der Song zum Sonntag: TEEN - Electric

Von den Feinden des Modischen wird der Band TEEN vorauseilend schon einiges an Misstrauen entgegengebracht: Was zu hip ist, kann schon einmal nicht gut sein – das ist das bleierne Gesetz der alten Männer! Das Quartett TEEN ist dann doch meistens recht adrett und schick gekleidet und kommt dann noch dazu of all places aus Brooklyn. Brooklyn is over!? Was die Gruppenchefin und der Band den Namen stiftende Kristina „Teeny“ Lieberson, ihre beiden Schwestern Katherine und Lizzie und die langjährige Freundin Jane Herships da an Gitarre, Bass, Drums, Synthies und gurrenden Mehrstimmigkeitsgesängen zusammenmusizieren, hat dann eben auch tatsächlich schon ziemlich top alle Coolnesszeitgeister von heute bis vorgestern gefressen. Was dabei auf dem gerade erschienenen, über weite Strecken dann doch sehr guten Debütalbum von TEEN namens „In Limbo“ am Ende herauskommt, ist ein mal oberschlau, mal munter unbedarft zusammengeschusterter Pastiche der hottesten Referenzen.

Auf „In Limbo“ gilt es bonbonfarbenen 80er-Wave zu erleben, ebenso wie aufgekratztes, nervöses Postpunk-Gequängel, das super an Bands erinnert, in denen für gewöhnlich vor dreißig Jahren in England immer so ein hibbeliges Saxophon schief durch den Song gequietscht hat. Saxophon haben TEEN leider keines im Repertoire, dafür aber noch ein paar andere Arten von Songs: beispielsweise solche, die schweben, gleiten und leise brodeln, sozusagen „atmosphärische“ Stücke, die den Dream Pop angezapft haben und sich immerhin stimmungstechnisch und meditativ von den Geistern der immer noch seltsam aktuellen Cocteau Twins beseelen haben lassen. Das ist fast durchgehend sehr schön gemacht und hat genug eigene Note, da und dort haben TEEN dann aber doch ein wenig zu frech geklaut und lassen ein bisschen eine überwältigte Orientierungslosigkeit im endlosen Reich der Möglichkeiten durchblitzen: Mal schauen, was es da alles gibt im großen, bunten Selbstbedienungsladen.

TEEN

TEEN

TEEN

In einem Song von TEEN jedoch - man muss gar nicht groß übertreiben, um ihn insgesamt für einen besten Song des Jahres zu halten – fügen sich die Elemente wie von Geisterhand geführt zu einer einzigen geschmeidigen, rhythmischen Vorwärtsbewegung: „Electric“ heißt das Stück, und Stücke, die so oder so ähnlich heißen, können meist von vornherein keine schlechten sein. „Electric“ – alleine schon das Wort, es glüht vor Pracht und vibriert, fast schon möchte man sagen, „elektrisch“. Dass Kristina „Teeny“ Lieberson vor ihrer Band TEEN in der famosen Gruppe Here We Go Magic an den Tasten tätig war, kann aus dem Stück „Electric“ logisch leise herausgeahnt werden: Da wie dort bestand und besteht großes Interesse am Krautrock der späten 60er und der 70er, und hier im Speziellen an der immer wieder gerne aus dem Hut gezauberten Düsseldorfer Band Neu!, die die Monotonie in Hypnose verwandeln konnte.

So beginnt TEENs „Electric“ mit einem schlichten Beat, der wie direkt aus dem Standschlagzeug einer Phil-Spector-Girl-Group oder den frühen, im besten Sinne primitiven The Jesus and Mary Chain abgelauscht scheint. Er wird sich im Lauf des Stückes nicht mehr groß verändern und so einen motorischen, einen einlullenden Pulsschlag imitieren. Darüber liegen ein ebenso simpler Basslauf, die entrückt-gelangweilten Stimmen der Musikerinnen und ein sphärisch zwitscherndes Keyboard. Der Song nimmt ohne strukturelle Veränderungen große Fahrt auf, indem in ihm immer neue Schichten des Krachs eingezogen werden: Immer störrischer und gewaltiger darf die Gitarre dröhnen, die Orgel böser fiepsen und zischen. Am Ende steht ein großer kosmischer Freak-Out. Der dann aber auch so unaufdringlich, wie er gekommen ist, wieder – ganz unvermittelt – abbricht. Wir alle werden Freundinnen im Groove.