Erstellt am: 16. 9. 2012 - 15:00 Uhr
Fußball-Journal '12-32.
Ab sofort werde ich in der Fußball-Woche (kurz: #fuwo) alles beleuchten, was zwischen einem monothematischen langen Fußball-Journal und einem kurzen Tweet liegt. Das ist - und dies wurde vor allem in den letzten Wochen augenfällig - eine ganze Menge. Und auch dringend nötig, weil Einschätzung, Verortung und Verknüpfung in der größtenteils ohne Vertiefung und Analyse auskommenden News-Überflutung so sehr fehlen. Nicht nur im Fußball, aber das ist wieder eine anderen Baustelle.
Das Fußball-Journal '12 begleitet auch in der aktuellen Saison - wie schon in den Vorjahren - die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das mediale Umfeld.
Sonntag 16.9.2012, 15 Uhr. Die Symbol-Tilger von Salzburg
Ich war so wie letztlich alle an Fußball interessierten Beobachter entsetzt über die jüngsten Ereignisse in Salzburg. Die gerade wegen ihrer Ruhe und ihrer bisher an den Tag gelegten Nachhaltigkeit geschätzte Führung von Ralf Rangnick (samt Schmidt) setzte zur 180-Grad-Kehrtwende an und beging denselben Fehler wie bislang alle Vorgänger bei Red Bull. Da ich Rangnick und Co nicht die Beweggründe einzelner Vorgänger (Geltungssucht, Geldgier, schiere Blödheit...) unterstellen wollte, fiel es mir bis heute schwer den wahren Grund für ihre grotesk-hysterische Last-Moment-Einkaufstour, für ihre arbeitsrechtlich hirnigen Suspendierungen und vor allem für das Brechen des Sonntags-Reden-Versprechens des österreichischen Weges ausfindig zu machen.
Inhaltlich ist das "neue" Salzburg (das etwa schon dritte oder vierte "neue" Salzburg dieses Kalenderjahres) nämlich immer noch eine Baustelle (Außenverteidiger?), die Umstellung auf die Jugend-Forscht-Linie (Berisha, Nielsen, Kampl) fand auch nur an der Oberfläche statt.
Das Ziel des Salzburger Spätsommer-Wahnsinns ist ein anderes: die Zerstörung eines Symbols. Trainer Schmidt und Sportchef Rangnick sind über und über mit unabwaschbarem Düdelingen besudelt. Das kriegen sie nur los, wenn sie einen nachvollziehbaren Neustart hinlegen, einen der nicht nur symbolisch, sondern auch mit den Händen zu greifen ist. Das geht sich mit den vielen Neuen und den vielen Rauswürfen (Cristiano, Douglas, Lindgren) Abgängen (Jantscher, Zarate) und Degradierungen (Sekagya, Maierhofer) aus.
Dazu mimt Rangnick auch noch effektvoll den Hardliner, relativiert (zurecht) die Qualität des letztjährigen Meisterteams, zweifelt (ebenso zurecht) die internationale Reife der Ösi-Kicker an und kriegt so das Gefühl des totalen Wechsels hin.
Künftig werden Rangnick und Schmidt den Beginn ihrer Ära mit September '12 datieren und alle Verheber von davor als getilgt betrachten.
Dabei geht es also in erster Linie um persönliche Eitelkeiten und geschönte Biografien; als Nebeneffekt stellt sich aber auch eine mögliche Zukunftsweichestellung ein.
Der systematische Einkauf von jugendlichen Supertalenten ist nämlich schon mehr Philosophie als alles was in der Mateschitz-Fußballabteilung bislang Platz genommen hatte. Das ist ein Arnmutszeugnis für die Vorgänger und macht es dem bis in die Akademie hinunter runderneuerten Team Rangnick (das aus alten Vertrauten und süddeutschen Homies besteht) leichter. Ihr Ablaufdatum steht aber weiter mit August 2013 fest. Wenn der Meister der Saison 12/13 sich da nicht für die Königsklasse qualifiziert, wird alles bisher Aufgebaute ein weiteres Mal in den Boden gestampft.
Samstag 15.9.2012, 23 Uhr. Apropos Ultras...
... weil heute auf der Westtribüne im Hanappi-Stadion ein großes Transparent zu sehen war, das sich gegen eine kollektive Schuldzuweisung der Öffentlichkeit wendet, was Missetaten Einzelner betrifft...
... und weil mir kürzlich ein paar eher wehleidige Tweets entgegengepurzelt sind, die eine differenzierte Berichterstattung der Medien einfordern, sobald von den Saloniki-Missetätern unter den Rapid-Fans die Rede ist...
... hier ein Link zu einer hervorragenden medien- und selbstkritischen Geschichte (von Zapp, N3) die sowohl die öffentlichen Fehlwahrnehmung von Ultra- und Fan-Kultur als auch die störrisch undifferenziert alle Medien in einen Kollektivschuld-Topf werfende Ultra-Grundhaltung thematisiert und das Dilemma damit exzellent auf den Punkt bringt.
Mehr zum ratlos machenden Salzburg morgen, Sonntag, wenn ich deren erstes Spiel im neuen Kleid nachgeschaut habe.
Samstag 15.9.2012, 20 Uhr. Der erste wertvolle Sieg der ÖFB-Frauen
In einigem ähnelt das aktuelle Frauen-Nationalteam dem der Herren: ganz viele Legionäre, bzw -innen (sieben aus Deutschland, vier von Bayern in der Startformation). Und dann das mit der Augenhöhe gegen den klaren Favoriten (Gegner Dänemark ist die Nummer 6 in Europa, die Nummer 12 der Welt).
In anderen Dingen aber nicht: die ÖFB-Ladies konnten ihr Match nämlich gewinnen. Obwohl sie in der 1. Halbzeit schön unter Druck kamen. Mit ein bissl Glück (eigentlichen Elfmeter nicht bekommen; Lattenkopfball aus einem Meter) und viel zu hoch. Zudem ging es für den Gegner (siehe Eintrag weiter unten) noch nicht um alles: den Däninnen reicht ein Heimsieg gegen einen Underdog für den Gruppensieg.
Aber trotzdem verliert der Favorit nicht freiwillig. Mit 3:1 schon gar nicht (hier die Matchanalyse von ballverliebt.eu). Man hatte die jungen Österreichinnen wohl doch ein wenig unterschätzt - im Hinspiel hatte man noch klar (auch 3:0) gewonnen.
Die seit schon einiger Zeit von Dominik Thalhammer konsequent betreuten ÖFB-Frauen waren gut präpariert, spielten ein enges 4-4-1-1, versuchten sich im schnellstmöglichen Umschalten, hatten ein gut entwickleltes Pressing-Konzept und legten eine recht gute Selbst- und Passsicherheit an den Tag.
Wie überlegt dieses Team arbeitet, zeigten die reizvoll ausgeführten Varianten der Standard-Situationen. Da brachte man seitliche Crosses schon einmal flach heran, da tummelten sich bei einem Corner plötzlich alle Feldspielerinnen im Fünfer, da tricksten vier Damen beim Abspiel, dass es eine Freude war.
Natürlich war die eigentliche (heute nicht auspielbare) Überlegenheit der dänischen Gegnerinnen spürbar. Und das macht diesen ersten großen Sieg der Österreicherinnen über ein echtes Top-Team auch so wertvoll.
Ob es für die EM-Quali reicht, hängt von einer weiteren Extra-Leistung ab, wohl gegen einen wieder besseren Gegner (Russland, Spanien, Island...). Erst dieser Play-Off-Sieg im Oktober wird das Frauenfußball-Wunder greifbar machen.
Beeindruckend: Torfrau Kristler, das ruhige selbstsichere Spiel der Deutschland-Legionärinnen Wenninger, Aschauer, Puntigam oder Tieber, Nina Burger, die die Leader-Rolle gut ausfüllte und vor allem die ständig bohrende Laura Feiersinger.
Samstag 15.9.2012, 17 Uhr. Frauenfußball und die Marketing-Karotte
Zugegeben, ich habe diesen Hype selber benutzt; um Aufmerksamkeit zu gerieren, um etwas drastischer darzustellen, als es ist; für die gute Sache, für die sich ein Teil des verkumpelten Austro-Journalismus gern gemein macht (immer noch besser als für die üblen Machenschaften, für die sich der weitaus größere Teil des Austro-Journalismus hergibt).
Die gute Sache: der Frauenfußball, besser: seine österreichische Variante. Der ist in den letzten Jahren deutlich besser geworden, hat inhaltlich und formal zugelegt und steht jetzt vor einem ersten Interessens-Peak, der nichts mit großen Turnieren und den deutschen Schwestern zu tun hat, sondern rein homegrown ist. Es geht um die Chance sich erstmals für ein großes Turnier zu qualifizieren. Für die Euro 2013 in Schweden nämlich, die von einem recht exklusiven Zwölferfeld bestritten werden wird.
Österreichs sehr junges Damenteam (getragen von Spielerinnenen, die in der qualitativ hochstehenden deutschen Liga unterwegs sind) ist in seiner Quali-Gruppe dem klaren Favoriten knapp auf den Fersen. Und jetzt, heute, das direkte Duell in St.Pölten.
Bei einem Sieg winkt die Tabellenführung.
Und, so insinuiert der ÖFB, so verbreiten es die kritiklos jeden Schas übernehmenden Mainstream-Medien, so hab auch ich es (als Teaser, im Bewusstsein seiner Halbwahrheit) während der Herren-Euro gern erzählt, der Gruppensieg, die Qualifikation.
Ab 17h50 wird live übertragen, auf Sport plus (und auch im Livestream) - erstmals ein österreichisches Frauenmatch mit echter Relevanz.
Ist in echt nur nicht ganz so heiß.
Selbst wenn die ÖFB-Frauen gewinnen und damit einen Punkt von den Däninnen liegen würden: die haben noch ein Heimspiel gegen einen Außenseiter in der Hinterhand; und werden die Gruppe wohl gewinnen, wurscht wie es heute ausgeht.
Auch für den besten Gruppen-Zweiten (der wäre auch fix bei der EM) geht es sich nicht mehr aus: die Niederländerinnen in der Gruppe 6 sind nicht mehr einzuholen.
Die medial hochgepimpte Quali-Chance ist also nur eine Marketing-Karotte.
Österreichs Ladies sind fix Gruppen-Zweite und damit im Play-Off. Das wird dann der Elch-Test, und da drohen mit Russland oder Island echte Kaliber. Aber da geht's dann echt um die Wurst.
Also: heute zuschaun, im Wissen, dass es nicht wirklich um so viel geht, wie alle tun. Und sich freuen, dass die junge Mannschaft sich schon einmal unter die besten 16 in Europa gespielt hat; das kann nämlich schon einiges. Und auch abchecken, ob die jungen Frauen sich für das Play-Off gut präsentieren.
Und dann bei diesen Spielen (die am 20./21. und 24./25. Oktober stattfinden werden) wirklich aufregt sein.