Erstellt am: 14. 9. 2012 - 17:11 Uhr
Die Welt ist schlecht
Eine Frau versucht wieder ein wenig Fuß im Leben zu fassen, nachdem ihre Tochter von unbekannten Kidnappern ermordet wurde, ihre Ehe daran zerbrochen ist und sie in der Depression dahindämmerte. Als aber eines Morgens das Telefon läutet und eine vertraute Kinderstimme "Mama, I'm alive" flüstert, beginnt der Terror erneut.
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Mit dieser Ausgangsposition eröffnet Jaume Balagueró anno 1999 sein Spielfilmdebüt „Los Sin Nombre - The Nameless“. Und definiert damals, zumindest für meine Wenigkeit, das Unheimliche im Kino wieder einmal neu. Denn der Spanier meidet die bequemen und ausgetretenen Fantasy-Pfade und fesselt stattdessen mit einer beklemmenden Story rund um eine okkulte Sekte und deren finstere Philosophie. „Los Sin Nombre“ erweist sich letztlich, neben all der nervenaufreibenden Spannung, als eine grundsätzliche Untersuchung über das Böse im Menschen.
Weitaus konventioneller angelegt sind dann die beiden Folgefilme Balaguerós, für eine ordentliche Gänsehaut sorgen sie aber auch. Sowohl in „Darkness“ (mit dem späteren „True Blood“-Star Anna Paquin) als auch in „Frágiles“ (mit der TV-Ally-McBeal Calista Flockhart) begibt sich der Regisseur auf geisterhaftes Terrain. Das Schema der klassischen Spukgeschichten unterläuft er aber auch mit einem brutalen Pessimismus anstelle der genreüblichen Melancholie. Hoffnungslosigkeit und absolute Dunkelheit umgeben die Charaktere.
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Wackelkamera-Wahnsinn
Seinen größten Erfolg feiert Jaume Balagueró 2007 zusammen mit dem Coregisseur Paco Plaza. [REC] beginnt mit dem Routineeinsatz einer spanischen Feuerwehrtruppe. In einem Mehrfamilienhaus hat sich eine alte Frau eingesperrt, schreckliche Schreie ängstigen die anderen Mieter.
Die Feuerwehrleute sind nicht allein bei ihrer Aktion. Ein Kameramann und eine Moderatorin folgen ihnen auf Schritt und Tritt, die beiden arbeiten für einen lokalen Fernsehsender. Die TV-Leute wollen bloß einen normalen Rettungseinsatz filmen, aber sie bekommen mehr zu sehen, als ihnen lieb ist. Denn in dem Mietshaus ist ein mysteriöser Untoten-Virus ausgebrochen.
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Klaustrophobie macht sich breit, keine Flucht ist möglich, Rassismus blitzt auf, in der Panik werden Sündenböcke gesucht. Am Ende führen alle Spuren in eine muffige Dachkammer, hin zu einer Wendung, die den Atem stocken lässt.
Schwankende Digitalbilder, Tonaussetzer, Störungen: [REC] ist ein weiterer Beitrag zum eher schwierigen Mockumentary-Genre, bei dem wir das schaurige Geschehen einzig aus dem subjektiven Blickwinkel des TV-Kameramanns sehen. Aber der billig inszenierte Streifen von Balagueró und Plaza wirkt konsequenter, härter, desolater als die meisten Fake-Horror-Dokus aus Hollywood.
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Der Feind unter deinem Bett
Nach dem eher schwächeren Sequel [REC]2 kommt Balaguerós neuer Thriller frei von jeglichen Wackelbildern daher. „Mientras duermes – Sleep Tight“ präsentiert nach all den Zombies und Gespenstern ein ganz anderes Gesicht des Bösen. César ist ein unauffälliger Durchschnittstyp Ende Vierzig, der in einem Altbau in Madrid als Portier arbeitet. Als guter Geist kümmert er sich um sämtliche Anliegen der Mieter – und hat auch einen Schlüssel für deren Appartments parat. Spätnachts, wenn die Bewohner sich im Schlaf wälzen, bekommen sie Besuch von einem höchst ungebetenen Gast.
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César ist viel mehr als ein Einbrecher und Voyeur. Er greift in die Leben der Bewohner ein, nur zu deren Nachteil, versteht sich. Denn der einsame, verbitterte Mann hasst Menschen abgrundtief. Besonders die junge Clara ist César mit all ihrer Fröhlichkeit ein Dorn im Auge. Er beschließt ganz unauffällig den Alltag der Frau zur Hölle zu machen.
Ganz behutsam inszeniert der Regisseur diese Studie in Sachen Niedertracht, die an den großen Alfred Hitchcock denken lässt. „Sleep Tight“ ist ein schleichendes Psychogramm eines freundlich grinsenden Sadisten, das unter die Haut geht. Wer unruhig schlafen will, der kann sich also auch weiterhin auf Jaume Balagueró verlassen.
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