Erstellt am: 13. 9. 2012 - 16:00 Uhr
Chance für Indie-Gamesdeveloper?
Ähnlich wie am Musiksektor werden Online-Vertriebsplattformen auch für Videospiele immer wichtiger. Der mit Abstand populärste Onlineshop für Games ist „Steam“. Betrieben wird er seit dem Jahr 2003 vom Games-Developer Valve, der mit dem Spiel „Half-Life“ und der daraus entstandenen Modifikation „Counter-Strike“ berühmt geworden ist. Valves Plattform mit etwa 1500 Games gibt es mittlerweile nicht nur für Windows,sondern auch für OS X und Linux. Vor kurzem hat der Betreiber den Steam-Shop um eine demokratische Einrichtung erweitert: „Steam Greenlight“.
Valve
Bei Greenlight können Steam-User darüber abstimmen, welche neuen Indie-Games sie gerne im Onlinevertrieb von Steam sehen wollen. Damit antwortet Valve auf die langjährige Kritik an seiner Plattform, dass der Zugang für kleinere Entwicklerstudios zu schwer möglich sei.
Der österreichische Independent-Gamesentwickler Broken Rules hat bisher ein Spiel veröffentlicht. Es heißt „And Yet It Moves“ und läuft auf Windows, Mac, Linux und Nintendo Wii. Deshalb verkauft Broken Rules das Spiel auch auf verschiedensten Online-Plattformen wie dem Wii-Shop oder auch über die eigene Website. Auch auf Steam ist „And Yet It Moves“ erhältlich. Das Spiel hat sich über einen längeren Zeitraum gut verkauft, zwei Jahre nach der Veröffentlichung ging es sogar besser weg als beim Start. Bei Broken Rules macht man also offenbar etwas richtig in Sachen Onlinevetrieb. Für Indie-Developer, sagt Felix Bohatsch von Broken Rules, sei es sehr wichtig auf Steam präsent zu sein: „Steam erreicht sehr viele Spieler und wächst noch immer. Es gibt nicht viele Online-Plattformen, die noch wachsen. Deswegen ist der Vertrieb auf Steam profitabel. Der eine Nachteil, den man als Developer vielleicht auf Steam hat ist, dass viele Steam-Spieler immer auf Bundles und Aktionen warten, also weniger Geld ausgeben. Aber das wird sofort dadurch wettgemacht, dass viel mehr Leute das Spiel kaufen. Dadurch zahlt es sich immer aus, bei einem Bundle oder Sale auf Steam mitzumachen.“
Broken Rules
Die Masse macht es aus, und sie wird erreicht durch die marktbeherrschende Stellung der Plattform: Auf dem PC-Onlinemarkt für Spiele hat Steam 70% Marktanteil. Gerade deshalb ist aber auch die Kritik an Valves Plattform heftig: Kritik daran, dass Userkonten unrechtmäßig gesperrt werden und Kunden den Zugriff auf ihre gekauften Games verlieren. Kritik wegen umständlicher Kopierschutzmaßnahmen. Und Kritik, dass das Spieleangebot von Steam zu sehr an den Mainstream angepasst sei, wodurch Indie-Developer wenig Chancen hätten, ihre Titel unterzubringen. Felix Bohatsch: „In der Indie-Szene herrscht schon lange Unmut darüber, dass es oft nur von der Laune des Gatekeepers abhängt, ob man in den Steam-Shop reinkommt oder nicht. Greenlight ist nun von Valve eine Antwort auf genau diese Kritik – indem sie sagen, wir lassen User auch darüber entscheiden, welche Spiele auf Steam erhältlich sind. Indem User für sie interessante Spiele ‚reinvoten‘ können.“
Wie gut, dass junge Experiment tatsächlich funktionieren wird, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Erst vor wenigen Tagen, in der zweiten Septemberwoche, hat Valve die ersten zehn Titel angekündigt, die auf Grund des Abstimmungsprozesses in den weltweiten Steam-Vertrieb übernommen werden.
Valve
Etwa 700 Indiegames stehen derzeit zur Bewertung online, mit Beschreibung, Video und teilweise auch mit spielbarer Testversion. Valve versteht das Voting auch als Feedback-Prozess, der den Entwicklern die Behebung von Bugs erleichtern soll. Felix Bohatsch findet Testversionen wichtig, weil dadurch schon vor der Veröffentlichung eine Community rund um ein Spiel enstehen kann. Sein nächstes Spiel namens „Chasing Aurora“, das sich gerade in Entwicklung befindet, will der Gamedeveloper trotzdem nicht auf Greenlight stellen. Denn er habe schon für „And Yet It Moves“ direkt mit den Steam-Managern selbst verhandelt, auch „Chasing Aurora“ werde er der Plattform direkt anbieten. „Das ist ein Credo, das ich bisher immer gehört habe: Dass Entwickler, deren Spiele schon früher auf Steam erhältlich waren, weiterhin den direkten Weg gehen sollten. Falls das nicht klappt, dann kann man es natürlich immer noch über Greenlight versuchen.“
Broken Rules
Das Wiener Independent-Gamesstudio Ovos hat sein Spiel "Ludwig" vor kurzem bei Steam Greenlight zur Abstimmung eingestellt.
Über die Gründe Valves, sich nach neun Jahren des Steam-Betriebs auf die Community als Entscheidungsträger zu besinnen, lässt sich nur spekulieren. Vielleicht haben ein paar Manager sich an James Surowieckis Buchklassiker „The Wisdom of the Crowds“ erinnert. Möglicherweise hat aber auch die enorme Dynamik des Onlinemarktes für Games ein wenig Druck erzeugt: Mit dem Mac Appstore, dem Windows 8 Marketplace oder auch mit Google Play entsteht derzeit viel neue Konkurrenz für Steam. Es wird spannend, ob Valve seine marktbeherrschende Stellung auf diesem Sektor behalten kann. Auf jeden Fall sind mehr Vertriebsmöglichkeiten gut für Indie-Gamesentwickler.