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Chrissi WilkensAthen

Journalistin in Griechenland

12. 9. 2012 - 19:23

Braunes Gespenst über der Akropolis

Einwanderergemeinden in Athen werden immer öfter Opfer von rassistischen Übergriffen. Im krisengebeutelten Griechenland könnten die Neo-Faschisten von Chrysi Avgi drittstärkste Kraft werden.

Im trüben Neonlicht eines großen Raumes im Erdgeschoss eines Athener Hauses treffen sich Nikodimos, sein Bruder Froumentios und Hala. Im Hintergrund laufen auf einem arabischen Sender Nachrichten über Syrien. Die drei jungen Leute sind besorgt. Hala, eine junge Frau mit einem hellblauen Tuch auf dem Kopf, ist die Vorsitzende des Syrischen Bildungsvereins, Nikodimos und Froumentios sind Mitglieder der Organisation Asante und vertreten unter anderem die afrikanische Jugend in Griechenland.

Sie haben sich getroffen, um zu besprechen, wie sie gemeinsam mit Vertretern der Einwanderergemeinden in Athen gegen die rassistische Gewalt vorgehen können. Es geht um zwei Formen von Gewalt, sagt Nikodimos: sowohl um rassistische Gewalt, aber auch um die Gewalt, die die Polizei gegen Einwanderer ausübt.

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Hala stimmt zu. Sie ist schockiert über die Art und Weise, wie neuangekommene syrische Flüchtlinge von den griechischen Behörden behandelt werden." Im Athener Stadtteil Neos Kosmos befinden sich viele Deserteure der syrischen Armee. Sie sind geflüchtet, weil sie nicht auf ihre Landsleute schießen wollten. Die griechische Polizei behandelt sie sehr schlecht. "Oft höre ich, dass sie die Situation hier an Syrien erinnert, als sie von den Regimekräften verfolgt wurden", sagt Hala.

Bei der Polizeioperation mit den Namen Xenios Zeus, die Anfang August begann, wurden mehr als 16.000 Einwanderer vorläufig festgenommen. Mehr als 2.000 von ihnen wurden wegen illegaler Einreise in Haftlager gebracht. Diese Polizeioperation hat die Stimmung gegen die Einwanderer noch mehr angeheizt, meint Nikodimos. "Sie schmeichelte den Ohren der Menschen, die sich der Partei Chrysi Avgi nahe fühlen. Es ist kein Zufall, dass diese Partei in den aktuellen Umfragen stark zugelegt hat."

Im krisengebeutelten Griechenland spitzt sich die fremdenfeindliche Stimmung immer mehr zu. Wenn jetzt Wahlen wären, könnten die Neo-Faschisten von Chrysi Avgi drittstärkste Kraft werden. Fast zwölf Prozent der Griechen würden jetzt für diese Partei stimmen.

Diese neue Umfrage verleiht den Faschisten Aufwind. Mitglieder und Abgeordnete der Partei sind am Wochenende massiv gegen Einwanderer aus Asien und Afrika vorgegangen. Die schwarz gekleideten Anhänger und Abgeordneten der Partei griffen im Ort Rafina in Attiki sowie im mittelgriechischen Mesolonghi Straßenhändler an und zertrümmerten deren Stände.

Der Pressesprecher von Chrysi Avgi, Ilias Kasiadiaris, antwortete auf die Ankündigung des Ministers für öffentliche Ordnung, Nikos Dendias, die Fälle zu untersuchen, dass jedes Mal, wenn der Minister seinen Mund aufmache, Chrysi Avgi um ein Prozent zulege. Die Partei hat sogar Klage gegen den Minister und den Vorsitzenden der griechischen Polizei erstattet, in der sie deren Reaktion auf die Geschehnisse verurteilt. Man werde die Aktion in ganz Griechenland fortsetzen, kündigten die Neo-Faschisten an. Man betrachte es als Pflicht, für Ordnung zu sorgen, weil die Politik versagt habe und der illegalen Einwanderung keinen Einhalt gebiete.

In einer Pressemitteilung rechtfertigten die Mitglieder der Partei ihr Vorgehen damit, dass sie nur Verkaufsbänke von Immigranten ohne Verkaufsgenehmigungen attackierten. Wie der Bürgermeister von Rafina feststellte, verfügen allerdings sämtliche ausländischem Kleinverkäufer in der Region über eine reguläre Genehmigung für den Verkauf ihrer Waren. Minister Dendias entzog den Abgeordneten von Chryi Avgi den Personenschutz Damit wolle man verhindern, dass diese Sicherheitskräfte möglicherweise unverschuldet gesetzwidrige Taten dulden müssen. Dendias kündigte auch an, dass die Strafen für rassistische Angriffe härter werden.

Schäden nach Molotow-Cocktail-Anschlag auf ein Gebäude mit syrischen Flüchtlingen

Chrissie Wilkens

Fast täglich finden rassistische Angriffe in Griechenland statt. Am Sonntag wurde in Athen ein Gebäude, in dem syrische Flüchtlinge untergekommen sind, von Unbekannten mit einem Molotow-Cocktail attackiert. Am Montag wurden in Kalamata auf dem Peloponnes Immigranten, die an Verkehrsampeln ihre Dienste anboten, von Faschisten attackiert. Am Dienstag haben Unbekannte einen Griechen, der sich bei einem pakistanischen Friseur die Haare schneiden ließ, mit Messern attackiert und haben die Möbel im Geschäft des Pakistaners verbrannt.

Diese erschreckenden Meldungen erinnern in frappierender Weise an die ersten Gewalttaten der Nationalsozialisten zu Beginn ihres Aufkommens in der Weimarer Republik. Beobachter befürchten, dass je auswegloser die harte Sparpolitik der griechischen Regierung wird, desto mehr radikalisiert sich die griechische Gesellschaft, desto mehr werden Ausländer als Sündenböcke dargestellt und desto mehr Anhänger gewinnen die Neo-Faschisten.

Im Verein der afghanischen Migranten und Flüchtlinge im Zentrum von Athen spricht Präsident Mohammadi Yunus, aufgeregt in sein Handy. Er wurde gerade benachrichtigt, dass die Polizei seinen Bruder verhaftet hat, obwohl er seine Aufenthaltserlaubnis bei sich hatte. Täglich ist Yunus mit solchen und ähnlichen Problemen afghanischer Familien konfrontiert. Im Nebenzimmer warten mehrere seiner Landsleute, um von ihm beraten zu werden. "Zurzeit werden nur Männer verhaftet", sagt Yunus während er auf die Straße eilt, um seinen Bruder zu finden. "Die Frauen und die Kinder bleiben alleine zurück, ihre Männer werden in Haftlager gebracht. Dort können sie keinen Asylantrag stellen und haben keinen Zugang zu juristischer Hilfe", fügt er hinzu.

Ein paar Straßen weiter, im Stadtviertel Exarchia, sitzt Loreta Makolei auf einer Bank. Sie wirkt erschöpft. Ihre kleine Mietwohnung liegt ein paar Meter weiter. Exarchia, bekannt als Hochburg der Autonomen, ist einer der wenigen Stadtteile, in dem sich Einwanderer in Athen sicher vor rassistischen Angriffen fühlen. So auch Loreta, sie ist Vorsitzende des Vereins der Afrikanischen Frauen. "Die Fremdenfeindlichkeit und den Rassismus schafft der Staat selbst, wegen der mangelhaften Flüchtlings- und Migrantenpolitik", meint sie. Sie selbst ist bereits seit dreißig Jahren in Griechenland, besitzt aber nur eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis. "Der Staat produziert Papierlose, indem er die Einwanderer ohne Status lässt. Die Politiker hier in Griechenland stellen uns als schwarze Schafe dar. Sie haben es geschafft, dass die Griechen Angst vor uns haben, und wir Angst vor den Griechen."

Griechischen Medien zufolge leben in Griechenland mehr als 500.000 Papierlose. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese einen legalen Status bekommen, ist gering. Die griechische Regierung hat angekündigt, so viele Papierlose wie möglich in ihre Länder auszuweisen und das Einbürgerungsgesetz viel strenger zu gestalten. Einwanderer, die bereits eine Aufenthaltserlaubnis haben, könnten diese verlieren, wenn sie nicht die nötigen Wertmarken vorweisen, die sie von ihren Arbeitgebern erhalten.