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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

12. 9. 2012 - 19:00

Der Mikrokosmos des Glücks

Der österreichische Autor Thomas Sautner hat mit seinem neuen Buch "Der Glücksmacher" eine aberwitzige Satire und gleichzeitig einen federleichten Roman geschrieben, der sogar glücklich machen kann.

Mit einem einnehmenden Lächeln sitzt er mir gegenüber. Zwischen uns zwei Tassen Kaffee und zwei Gläser Wasser. Das Sonnenlicht fällt schräg durchs Fenster auf Thomas Sautners Gesicht. Seine Augen strahlen und vermitteln den Eindruck, dass der Autor und Maler mit seiner ganzen Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt ist. Ein untergründiges Gefühl der Vertrautheit macht sich bemerkbar und man möchte dem jungen Schriftsteller beinahe gleich sein ganzes Leben anvertrauen.

Weitere Buchvorstellungen

Genau dieser erste, kurze Moment der Wahrnehmung fügt sich perfekt zu einem stimmigen Gesamtbild, das während dem Lesen von seinem neuen Roman entsteht. Es ist kein Wunder, dass ausgerechnet dieser Mensch ein Buch schreibt, das den Titel "Der Glücksmacher" trägt. Wobei Thomas Sautner nicht sich selbst, sondern seinen Protagonisten Sebastian Dimsch in das große Rennen um die Suche nach dem Lebensglück schickt.

Ihr Glück ist unser Geschäft

Es ist ein großer, moderner Bau, in den Sebastian Dimsch jeden Morgen geht. Die "Secur AG", die mächtigste Versicherungsanstalt des Landes, verschlingt um acht Uhr unzählige Mitarbeiter in ihrem Betonbauch, die dann ab Abend ganz benommen von ihrem stressigen Alltag nachhause wanken.

Buchcover "Der Glücksmacher" von Thomas Sautner

Aufbau Verlag

Der neue Roman "Der Glücksmacher" von Thomas Sautner ist im Aufbau Verlag erschienen.

Sebastian fügt sich zuerst geschmeidig mit blitzweißem Hemd in den Reigen der Schlipsträger ein, um durch seine scheinbare Berufung, Abteilungsleiter für Meinungsforschung und Statistik, ein erhöhendes Gefühl zu bekommen. Doch das alles hilft nichts und so entschließt sich Dimsch, auf die Suche nach dem Glück zu gehen. Einem, das für immer anhält. Während der Versicherungsbeamte statt zu arbeiten Tonnen von Glücksbüchern und philosophischen Werken wälzt, überlegt sich die Chefetage den Sonderling aus dem Unternehmen sauber und einfach zu entfernen.

Schließlich hat der Marketing-Chef Rainer Torberg die zündende Idee, wie man ganz legal den Abteilungsleiter für Meinungsforschung und Statistik los werde könne. Man befördert ihn einfach zum Leiter eines großen Projekts, das zum Scheitern verurteilt ist. Nämlich zum Entwickler und Verantwortungsträger einer "Glücksversicherung". Doch was zum sicheren Crash führen soll, überrascht alle Versicherungsangestellte, die Chefetage und Sebastian Dimsch selbst. Hat er womöglich wirklich die Zauberformel für ewiges Glück gefunden?

Minimalismus als Prinzip

Wer hat sich schon nicht auf die Suche nach dem Glück gemacht? Oder sich zumindest gefragt, ob er oder sie gerade glücklich ist, ein glückliches Leben führt oder was es dazu "wirklich" bräuchte. Thomas Sautner ist clever genug, diese Glückssuche seinen fiktiven Freund durchleben zu lassen. Wobei all die Versuche, Glücksgefühle heraufzubeschwören und all die obskuren Begegnungen und Entwicklungen, die so eine Suche mit sich bringt, dürfte der Waldviertler wohl auch selbst schon erlebt haben. Schließlich kündigte er nach vielen Jahren den nach dem Studium begonnenen Journalistenjob, um ein Jahr lang "nichts" zu machen. Die in weiterer Folge gesammelten Lebenserfahrungen als Aushilfskraft in einer Stahlfabrik, als Forstarbeiter, Fischereigehilfe und Sanitäter dürften einen reichen Fundus an Beobachtungen, intensiven Gefühlen und Ideen gebracht haben. Und aus diesem schöpft Thomas Sautner auch in dem neuen Buch "Der Glücksmacher".

Autorenportrait Thomas Sautner

© Alexandra Eizinger

Seine Protagonisten, die fast alle in der Welt der Versicherungsgesellschaft verhaftet sind, wirken erdig, ehrlich und recht geradlinig. Sautner verzichtet auf eine komplexe Erzählstruktur oder vertrackte Dialoge. Die schlichte Sprache und die lebensnahen Beschreibungen und Dialoge verschaffen einem sofort Zugang zu Dimschs Welt. Vor allem die witzigen und satirischen Momente lassen sofort Bilder im Kopf entstehen, von denen man glaubt, sie nicht nur einmal schon im realen Leben gesehen zu haben. Etwa wenn der Glücksmacher Sebastian peinlich berührt den neuesten Glücksschmöker in die Hand nimmt und dabei den ganzen Stapel von Lebenshilfewerken in der Buchhandlung umstößt. Oder wenn die Chefs der Versicherung einschließlich des Querkopfs Dimsch auf ein Führungskräfteseminar geschickt werden, dessen Coach sich eher als sektenhafter Guru entpuppt. Oder wenn Sebastian bei seiner noch inoffiziellen Glückssuche keinen Arbeitsfinger mehr rührt und dadurch plötzlich alle Mitarbeiter in seiner Umgebung annehmen, er habe ein Geheimprojekt und so viel um die Ohren, dass er deshalb auf jede kleinste Störung mit scharfem, grantigem Ton reagiert. Ruhe findet der Glückssuchende nur in den mikroskopisch kleinen Momenten seines Lebens.

Tipp:
Thomas Sautner präsentiert sein Buch "Der Glücksmacher" mit einer Lesung am Mittwoch 19. September im MOYA - Museum Of Young Art, Renngasse 4 (auf der Freyung Wien).

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Thomas Sautner spielt in seinem federleichten, luftigen Roman "Der Glücksmacher" mit philosophischen Zitaten, mit alten Lebensweisheiten und klugen Sprüchen, die er oft kurz darauf durch Sebastian Dimschs Handlungen ganz lapidar demontiert. Es ist für seine Figuren eine stürmische Fahrt durch die hohe See der Emotionen, bei der wir schmunzelnd mitsegeln können, ohne dass uns die Anker der Lebenstipps und Ratschläge auf den Grund des Leichtigkeitsmeeres zieht. "Der Glücksmacher" ist ein unbeschwertes Lesevergnügen. Und ganz nebenbei weckt Thomas Sautner sehr sanft auch unser Glücksgefühl, in dem er uns in Erinnerung ruft, dass es eigentlich die ganz kleinen Momente im Leben sind, die zählen.

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