Erstellt am: 11. 9. 2012 - 01:12 Uhr
Baby, ich bin zu alt
Als Superpunk sich vor 17 Jahren zum allerersten Mal in einem Proberaum getroffen haben, da hat jeder von ihnen eine Kassette dabei gehabt, mit ein paar alten Hits drauf. Sie haben sich die Stücke durchgehört, und als dann der 70er-Jahre-R'n'B-Hadern von Maxine Nightingale lief, da haben alle gerufen: "Das ist es! Genau so wollen wir klingen!". Obwohl diese Szene frei erfunden ist, klingt es doch irgendwie programmatisch, dass Superpunk zum Abschluss ihres FM4 Überraschungskonzertes und damit, ja tatsächlich, auch zum Abschluss ihrer Bandexistenz, genau diese Nummer spielen: We gotta get right back to where we started from – jedes Ende ist ein neuer Anfang, könnte man sagen, aber das sagt natürlich keiner, denn das wäre doch bei Weitem zu kitschig.
FM4 / Christian Stipkovits
Das Feuerwerk ist vorbei
Als dann der allerletzte Akkord verklungen ist, da schießt Tim Jürgens, der Bassist, noch ein paar Fotos vom hinaus strömenden Publikum. Der Rest der Band ist schon verschwunden, Tim steht am Bühnenrand und knipst. Wer genau hinschaut, sieht seine Augen glänzen.
FM4 / Christian Stipkovits
Während des Konzertes bleiben ähnliche Sentimentalitäten zum Glück aus. Ein letztes Mal Ich bin kein Ignorant? Ein letztes Mal Matula hau mich raus? – nein, von Gefühligkeit ist nichts zu spüren; vom festen Willen, es nochmal krachen zu lassen, viel mehr: ab geht die Sause, vom ersten Ton an.
Ja, ich bereue alles!
Vielleicht deshalb, weil die Hälfte der Superpunk'schen Titel eh wie eine Reminiszenz ans Aufhören klingen. Ja, ich bereue alles, Baby, ich bin zu alt, Das Feuerwerk ist vorbei – oder es haben sich alle schon an den Gedanken einer Welt ohne Superpunk gewöhnt. Jedenfalls ist die Stimmung vom ersten Moment an fröhlich, gelöst und partyfreudig, bei der Band wie beim Publikum. Hey, lass uns nochmal Spaß haben, dieser Moment kommt nie wieder.
FM4 / Christian Stipkovits
Dabei hätten in den riesigen Stadtsaal schon noch ein paar Dutzend Leute gepasst, vor allem weil sich ein Teil gleich auf die Sitzplätze im hinteren Bereich verkrümelt. Dafür bleibt der Crowd vor der Bühne mehr Platz zum Tanzen, und der wird ausführlich genutzt. Und obwohl die Band aus Rücksicht auf die Nachbarn nicht allzu laut spielen darf, macht der kräftige Applaus nach den Stücken klar: die Fans sind vollzählig angetreten. Und auch sie wollen alles geben.
FM4 / Christian Stipkovits
Parties in München
Superpunk danken es ihnen. Bereits das zweite Stück wird für eine ausführliche Konversation untereinander und mit dem Publikum unterbrochen, und so geht das dann auch weiter: wie gut, dass die Soulhadern auch immer so schöne Breaks haben, da kann man auch nach fünf Minuten Smalltalk noch da weiterspielen wo man grade unterbrochen hat.
FM4 / Christian Stipkovits
Die Band ist jedenfalls bestens gelaunt. Ein Kalauer jagt den anderen, und wer jemals an das Klischee geglaubt hat, Deutsche hätten von Natur aus weder Charme noch Humor, der wird heute Abend eines Besseren belehrt: der Schmäh rinnt, dazu flutschen die Soli und der Schweiß beginnt alsbald von Thies Mynthers Hemd zu tropfen, was diesen nicht davon abhält, den einen oder anderen Gummi-Twist Schmidtchen-Schleicher-like aufs Bühnenparkett zu legen.
FM4 / Christian Stipkovits
Rock'n'Roll Will Never Dead
Das Publikum – sagte ich das bereits? – tanzt und singt lauthals mit, nicht nur beim Superhit Man kann einen ehrlichen Mann nicht auf seine Knie zwingen, sondern auch bei weniger bekannten oder älteren Stücken wie Alle lieben dich, Daniela (FM4-Kollegin Dani Derntl ist höchst verzückt) oder Das waren Mods. Zum Knaller wird aber der Slogan "Ich bin nicht böse gebor'n" aus Nur neue Zähne für meinen Bruder und mich. Dutzende Fäuste fliegen in die Luft, und für den Bruchteil einer Sekunde fürchtet man, dass die Nachbarn sich wohl grade das Gegenteil denken.
Als alle draußen sind, steht Tim Jürgens in der Mitte des Tanzparketts. Na, wie war's für euch? frage ich ihn. "Ja, schön wars. Aber nach dem Konzert ist vor dem Konzert!" versucht er noch einen letzten Kalauer. "Ach nee. Das stimmt ja jetzt auch nicht mehr."