Erstellt am: 10. 9. 2012 - 17:15 Uhr
"Vorwissenschaftliches Arbeiten" als Matura-Fach
Ab 2015 gibt es in Österreich die neue, standardisierte Reifeprüfung, auch „Zentralmatura“ genannt. Erste Pilotversuche gibt es schon seit letztem Jahr. Ein wesentlichter Teil der neuen Matura ist, dass Schülerinnen und Schüler eine verpflichtende "Vorwissenschaftliche Arbeit" (VWA) schreiben müssen - eine Art Fingerübung für spätere Bakkalaureats- oder Diplomarbeiten an der Uni.
Deshalb hat die Psychotherapeutin und Unilektorin Katharina Henz ein Schulbuch geschrieben. In "Vorwissenschaftliches Arbeiten - ein Praxisbuch für die Schule" will die Autorin den Schülerinnen und Schülern u.a. vermitteln, wie man präzise, wissenschaftliche Fragen formuliert.
Nadja Blanchard
Ihr Buch soll Schülerinnen und Schüler auf diese neue Teilaufgabe der Matura, die "Vorwissenschaftliche Arbeit", vorbereiten. Der Untertitel lautet "Ein Praxisbuch für die Schule". Was sollen denn die Schülerinnen und Schüler mit Ihrem Buch genau lernen?
Katharina Henz: Das wichtigste ist, dass sie lernen, alltägliches Denken von wissenschaftlichem Denken zu unterscheiden. Was in der Schule bis jetzt ein bisschen zu kurz gekommen ist, ist tatsächlich das Fragen stellen, das intelligente Fragen stellen. Wir leben schließlich in einer Wissensgesellschaft, wo es auch in Zukunft immer wichtiger sein wird, durch solche intelligente Fragen Schneisen zu schlagen. Antworten gibt das Internet mehr oder weniger von selber. Worauf es ankommt ist: Welche Art von Antwort erzeuge ich und in welcher Präzision und in welcher Fokussierung. Das ist so die Kernkompetenz, die mit diesem Buch transportiert werden soll.
Also eine gute Frage in wissenschaftlicher Hinsicht formulieren zu können. Wodurch unterscheidet sich denn so eine Frage von einer im Alltag gestellten Frage?
Wissenschaftliche Fragestellungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie relativ fokussiert sind und auch beantwortbar. Der Schüler oder die Schülerin arbeitet sich sozusagen an dieser kleinen Fragestallung ab. Ich frage also zum Beispiel nicht "Was passierte im 1. Weltkrieg?", sondern ich könnte fragen: "Wie ging es einem Kriegsveteranen des 1. Weltkrieges an der Isonzo-Front?" Die Frage ist immer sehr winzig und präzise.
Die Schülerinnen und Schüler üben damit sozusagen das wissenschaftliche Arbeiten für spätere Arbeiten an der Universität. In welchen Unterrichtsgegenständne können sie das denn tun?
In allen. Die "Vorwissenschaftliche Arbeit" ist keinem Unterrichtsgegenstand zugeordnet. Das ist neu und das ist gut. Es dürfen durchaus auch fachübergreifende Themen oder solche die auf den ersten Blick überhaupt nicht zuordenbar sind, sein. Wenn ich etwas über Vampire schreiben will oder über die Jagd oder über die Eisenbahn, dann ist ja nicht so klar, welchem Fach das zugeordnet ist. Sie suchen sich dann einen Betreuer oder eine Betreuerin aus, der oder die sich fachkompetent fühlt.
Auch für Lehrerinnen und Lehrer ist die "Vorwissenschaftliche Arbeit" ja ganz etwas neues. Wie sollen die sich denn darauf vorbereiten?
Meistens läuft der Schulalltag ja so ab, dass die Lehrer die Fragen stellen und die Schüler die Antworten produzieren. Jetzt gilt es einerseits, Schüler ein bisschen dazu zu ermutigen, sie einzuladen und zu provozieren, damit sie selber die Fragen stellen. Das ist sicher ein bisschen ein Paradigmenwechsel. Aber es gilt auch, sich aus dieser Intensiv-Betreuung, die man im normalen Schulalltag so hat, ein bisschen rauszunehmen und das eher auf so einer Coaching-Ebene laufen zu lassen. Das ist sicher neu, weil es außerhalb der Unterrichtszeiten stattfindet. Das sind auch ganz neue Formate, die sich in der Lehrer-Schüler-Beziehung entwickeln müssen. Aber ich halte das für spannend und letztlich auch für sehr fruchtbar.
Was war Ihnen denn besonders wichtig, als Sie sich an die Aufgabe gemacht haben, dieses Schulbuch zu schreiben?
Naja, ich habe selber Kinder im einschlägigen Alter, eine 17-jährige Tochter und einen 14-jährigen Sohn, und mir war wichtig, dass das Buch zielgruppenadäquat ist. Dass ich da nichts abgehobenes produziere, sondern dass die Kinder das auch zumindest halbwegs spannend und interessant finden und auch ein bisschen Lust am arbeiten kriegen. Und ich würde mir wünschen, dass ein bisschen deutlicher gesehen wird, dass es gut ist, Kindern mehr Selbständigkeit zu geben und sie früh damit vertraut zu machen, selber zu recherchieren und sich auch ihre Zeit selbst einzuteilen. Und nicht zu sagen, bis sie 18 Jahre alt sind, sind sie in der Komfort-Zone und dann müssen sie auch einmal selbst schauen, wie sie tun. Ich denke, da steckt schon viel Potential in dieser neuen Geschichte.