Erstellt am: 13. 9. 2012 - 16:20 Uhr
Abseits von Pussy Riot
Als feministische Gruppen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion kennt man bei uns hauptsächlich Pussy Riot und Femen. Die einen wurden gerade in einem sehr öffentlichkeitswirksamen Prozess wegen eines Auftritts in einer Kirche hinter Gitter gebracht, die anderen kennt man wegen spektakulärer Oben-Ohne-Proteste gegen Prostitution. Abgesehen von diesen beiden mittlerweile "berühmten" Gruppen hört man hier im Westen wenig von feministischem Engagement in Ländern der ehemaligen Sowjetunion.
CC-BY-SA-3.0 / Igor Mukhin / Wikipedia
"Man hört von diesen beiden Gruppen, weil sie auf die Straße gehen", sagt Jeanna Krömer, belarussische Journalistin. "Und Straßenaktivismus ist in postsowjetischen Ländern nicht sehr entwickelt, weil es zum Beispiel in meinem Herkunftsland, in Belarus, sehr gefährlich ist."
Jeanna Krömer wird am Samstag, den 20 September, einen Workshop zum Thema Feminismus in postsowjetischen Ländern halten. Der findet im Rahmen der FrauenSommerUni auf der Uni Wien statt. Dort gibt es auch noch mehr Workshops, Vorträge, Filme zum Thema "Feminismen Leben".
Dort kann man nämlich schon für geringste Formen des Protests im Gefängnis landen. Vergangenen Sommer haben Menschen Flashmobs wie "Eis essen" oder "Gemeinsam auf der Straße in die Hände klatschen" organisiert. "Man trifft sich auf der Straße und klatscht in die Hände. Man stört niemanden, hält keine Autos auf zündet nichts an. Man trifft sich und klatscht. Oder schweigt sogar. Dafür kommt man in unserem Land schon in den Knast! Unter solchen Umständen ist es schwer, sich zu trauen, auf der Straße aktiv zu werden. Man muss fast schon - im guten Sinne - verrückt sein, um auf die Straße zu gehen!"
Aus diesem Grund fehlen aus diesen Ländern die medienwirksamen Bilder von großen Protesten, oder eben von Feministinnen, die auf die Straße gehen. "Viele riskieren das nicht, deswegen ist Feminismus in Belarus, Russland oder der Ukraine meistens intellektueller Feminismus", sagt Jeanna Krömer. Das heißt, man betreibt Online-Communities, bringt Zeitschriften heraus oder schreibt Bücher. Teilweise ist der Feminismus sehr theoretisch, oft an den Unis beheimatet. Jeanna zum Beispiel leitet eine junge feministische Gruppe "Belarussische Brennessel". Die existiert seit zwei Jahren und gibt eine PDF-Zeitschrift zu Fragen der Gleichberechtigung heraus, verleiht "Antipreise" an Sexisten und versucht, eine eigene Podcasting-News-Site FEM.FM zu machen.
Pussy Riot und Femen - Feministinnen oder nicht?
Ähnliche Initiativen im Netz oder an den Unis gibt es viele, sie werken aber meist abseits der großen Medienöffentlichkeit. Deswegen sind Gruppen wie Pussy Riot oder Femen im Westen eben umso bekannter, sagt Jeanna Krömer. Pussy Riot können - entgegen den Unkereien des westlichen Feuilletons - auch tatsächlich als Feministinnen gesehen werden: "Pussy Riot kämpfen gegen Gewalt, Klerikalismus, Religion in der Politik, Sie sprechen laut für Frauen und nennen sich selbst Feministinnen."
Was man von Femen aus der Ukraine nicht behaupten kann, so Krömer. Die geben sich auf ihrer englischsprachigen Website - für die AusländerInnen - zwar als "Womens Movement" aus, in russischsprachigen Interviews sagen sie aber etwas ganz anderes. "Wenn sie direkt darauf angesprochen werden sagen die Frauen von Femen 'Wir sind keine Feministinnen - wir hassen die Männer doch nicht'. Das zeigt doch schon, was sie vom Feminismus wissen - wissen nicht halten - denn zu wissen scheinen sie nicht viel!" meint Jeanna Krömer.
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Und ob ihr nominales Ziel - gegen Prostitution zu kämpfen - mit den von ihnen angewendeten Mitteln erreicht werden kann, dessen ist sich Jeanna auch nicht so sicher "Die Männer in den Foren kommentieren ihre Aktivität mit 'Was für sexy Bitches! Ich muss mal in die Ukraine fahren!' So wie sie sich präsentieren, möchte ich wirklich wissen, wie viele Sex-Reisende ihre 'Proteste' von der Ukraine ferngehalten und wie viele sie angelockt haben."