Erstellt am: 8. 9. 2012 - 15:01 Uhr
Autorin, made in FMAustria
2003, 08 und 09 war Anna Weidenholzer unter den Top Ten von FM4 Wortlaut, 2010 kam ihr Kurzgeschichten-Band "Der Platz des Hundes" heraus. Als wir uns anlässlich dieses zum Interview trafen, meinte sie, ihre nächsten Pläne würden in jeden Fall mal was Längeres inkludieren, aber so ganz konkret sei das noch nicht.
Residenz
Jetzt ist es das, auf 230 Seiten. "Der Winter tut den Fischen gut" heißt der soeben erschienene Roman-Erstling von Anna Weidenholzer. Mit seinen Themen hat sich die Autorin nicht gerade die leichtesten ausgesucht: (Langzeit-)Arbeitslosigkeit, Einsamkeit, (gesellschaftliches) Abseits-Stehen.
Wobei: letzteres ist typisch für Weidenholzers ProtagonistInnen - ihre literarische Welt ist die der Eigenbrötler, Eremiten, Erdentflohenen und -innen. So sieht das auch die Autorin selbst und erzählt im Interview, dass sie im Fall von "Der Winter tut den Fischen gut" eben auch das Thema Arbeitsverlust schon länger beschäftigt habe.
Wahre Geschichten
Den Ausschlag gab dann ein Theaterprojekt, dem Gespräche mit langzeitarbeitslosen Frauen folgten. Der Roman und seine Protagonistin sind gewissermaßen Verdichtung all dieser Erfahrungen und Schicksale.
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Maria Beerenberger heißt Weidenholzers literarische Entsprechung. Eine arbeitslose Textilfachverkäuferin und Endvierzigerin. Alleinstehend, sehr geordnet, eigentlich sogar etwas zwänglerisch. Nach langen Jahren in einem familiär geführten Betrieb verliert sie überraschend ihre Stellung. Ihr Mann ist zu diesem Zeitpunkt schon tot. Der Freundeskreis beschränkt, die Möglichkeiten sowieso und irgendwie auch Marias - sagen wir mal - Bewegungsfreude. Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss. Der Traum vom Sängerin-Sein begraben, das Arbeitsamt schlägt eine "Karriere" in der Lebensmittelbranche vor.
Weidenholzers Sprache ist schlicht, reduziert, natürlich - ohne Schnörkel. Ja, sagt sie im Interview, sie hätte wohl einen eher minimalistischen Zugang zur Sprache. Schnell seien ihr Worte zu viel oder auch zu aufgesetzt für eine Figur. Dabei beschreibt sie (fast wie als Antithese) detailverliebt und wahrnehmungsintensiv. So akribisch sind ihre Illustrationen (etwa, wenn Marias Wohnung geschildert wird), dass die schnelle Zirka-Anordnung der Phantasie nicht mit dem Gelesenen übereinzustimmen scheint und nochmal überdacht werden muss.
Marias Geschichte ist übrigens rückwärts geschildert; die Romanheldin wird im Verlauf des Buches also immer jünger, hat noch ihren Job, ihren Ehemann, ist das erste Mal verliebt.
FM4 / Alex Wagner
Live gelesen
Buchpräsentationen am 14.9. in der Tabakfabrik Linz und am 26.9. im Literaturhaus Wien. Viele weitere Lesetermine unter
Zusammengesetzt
Diese Erzählrichtung hat sich ebenfalls aus Weidenholzers Interviews ergeben, die sie als intensive, berührende Momente beschreibt. Traf sie ihre Gesprächspartnerinnen, kannte sie lediglich deren Namen und wußte von ihrer Arbeitslosigkeit. Bestenfalls kamen noch ein paar Details über frühere Beschäftigungen hinzu. Im Laufe der Unterhaltung fügte sich dann Steinchen an Steinchen und am Ende saß Anna Weidenholzer stets ein völlig anderer Mensch gegenüber, erzählt sie.
Im Grunde ein natürlicher Prozess, wie frau jemanden kennenlernt. Auch das wollte die Autorin abbilden. Wie sich kleine Mosaike zusammensetzen und ein Gesamtbild machen, das aber auch nie wirklich eines ist, weil es immer davon abhängt, welche Geschichten man erzählt, welche Splitter hineingenommen werden, meint die Autorin.
Anna Weidenholzer wird nicht nur die nächste Zeit viel mit ihrem Debüt-Roman unterwegs sein, sie war es schon zuvor. Weidenholzer ist stark in der jungen Literaturszene vernetzt. Der Austausch, gemeinsame Lesungen und Projekte, das sei ihr wichtig und befruchte sich, sagt sie. Sie brauche das - als quasi einsame Schreibtisch-Arbeiterin.