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Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

16. 9. 2012 - 17:12

Neue Impulse für die Waschmittelreklame

Eier, Butter, Bier - Texte zu Einkaufslisten unbekannter Provenienz (26)

marc carnal

Marc Carnal, der schönste Mann von Wien, sammelt seit geraumer Zeit Einkaufslisten.

Unterstützt wird er dabei von einem stetig wachsenden Kreis an redlichen Helfern, die ihn regelmäßig mit am Wegesrand oder in Supermärkten aufgelesenen Zettelchen beliefern, auf denen Fremde seltsame, amüsante, wirre, ungesunde oder fragwürdige Gedankenstützen notiert haben.

Zu diesen teils zauberhaften Stichwortsammlungen verfasst Herr Carnal dann Texte und trägt diese zwischendurch auch öffentlich vor.

Lesungstermine erfährt man verlässlich, wenn man Eier, Butter, Bier auf Facebook befürwortet.

Interviewt man sich zum Zeitvertreib selbst und fragt sich dabei, ob man empfänglich für die niederen Anregungen der Werbung sei, antwortet man spontan wohl verneinend. Dass man einen Spot sieht, der Kristallzucker anpreist und sofort wie von der Tarantel gebissen hinfort eilt, um Kristallzucker zu kaufen, kommt freilich eher selten vor.

Dass auf Kristallzucker-Säckchen ein best und worst of der Charaktereigenschaften von Sternzeichen-Inhabern geschrieben steht, sieht man dagegen häufig. Auf dem mein Sternzeichen betreffenden Säckchen steht unter anderem "schulmeisternd", und so möchte ich also schulmeisternd darauf hinweisen, dass ich im letzten Absatz nicht "wie von der Tarantel gestochen", sondern "gebissen" geschrieben habe, was zwar korrekt ist, den astrologischen Klugscheißer-Vorwurf aber leider bestätigt.

Bevor nun jemand wissen möchte, was ich denn nun im Sternzeichen bin, kläre ich prophylaktisch auf: Ich bin Jungfrau. Diese gilt auch als kühl, rational und skeptisch.

Das kann ich nur bestätigen. Ich bin sogar so rational und skeptisch, dass ich nicht an Astrologie glaube.

Selbst als großer Gegner von Barth’schen Geschlechtsunterschieds-Olympiastadionfüllungen kann ich nicht gänzlich bestreiten, dass es doch, wenn auch nur in unbedeutenden Nuancen, bemerkenswerte Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Einer davon ist, zumindest meiner bescheidenen Empirie zufolge, dass es viel weniger Männer als Frauen gibt, die sich für Astrologie interessieren.

Die vereinzelten rufen gerne in esoterischen Beratungssendungen im Fernsehen an, deren Faszination ich nicht verstehe, obwohl ich mich ihr nicht konsequent entziehen kann. Wahrscheinlich fesseln mich die Sorgen der Anrufer. Einmal rief eine Frau an und wollte wissen, wie lange ihr Mann wirklich wach bleibe. Sie selbst gehe immer um zehn Uhr zu Bett und ihr Gatte würde hartnäckig behaupten, er ruhe ab elf Uhr. Die Anruferin hegte aber den Verdacht, er könnte klammheimlich bis Mitternacht aufbleiben. Die Astrologin beruhigte die Anruferin, dass sie sich auf die Angaben des Mannes verlassen könne.

Solche Sorgen möchten wir haben!
Und schon ist ein bekannter Reklame-Satz zitiert. Obwohl man sich gemeinhin nicht besonders für Werbung interessiert und meint, nicht anfällig dafür zu sein, ist es doch erstaunlich, wie viele Spots und Slogans man auch noch nach Jahren auswendig kennt und mitunter in ungezwungener Bierseeligkeit zitiert.

marc carnal

Eine Produktgruppe, deren Bewerbung auffallend selten in den kollektiven Reklame-Zitatenschatz Eingang findet, sind Waschmittel. Die Waschmittelwerbung stagniert nämlich seit Jahrzehnten. Seit den Fünfzigern erzählt man die alte Geschichte von der Hausfrau, deren Kinder beim Tollen dazu neigen, ihre funkelnagelweißen Textilien mit besonders hartnäckigen Flecken zu versehen. Die liebende Mutter möchte die Bälger tags darauf natürlich wieder tadellos einkleiden, greift aber wider besseres Wissen zu einem herkömmlichen Waschmittel, auf dessen Verpackung tatsächlich "Herkömmliches Waschmittel" prangt. Doch dann reicht ihr eine Zauberhand hochwertigeres Pulver mit mühevoll entwickelten Power-Perlen, extrastarken Knitter-Kugeln, Vitaminen und Mineralstoffen drinnen und schon erstrahlt die Kluft in neuem Glanze.

Diese Rahmenhandlung wird zwar mitunter ein bisschen variiert, eine progressive Kampagne sucht man in der langen Geschichte der Waschmittelwerbung allerdings vergebens.
Aus reiner Verbundenheit zur Pulverindustrie habe ich einige Werbespots skizziert, die womöglich nicht die Kernzielgruppe ansprechen, aber neue Käuferschichten im Sturm erobern könnten:

1.

Eine Familie beim Frühstück: Während Frau und Kind voller Hingabe speisen, sieht man einen fahrigen Vater. Schwitzend stochert er in seinem Mahl umher, bis er mit einer gemurmelten Entschuldigung aufsteht und ins Badezimmer stürzt. Dort legt er sich eine Line eines herkömmlichen Waschmittels und inhaliert sie durch die Nase. Daraufhin sieht man das beworbene Produkt mit dem Slogan: "Endlich clean."

(Zugegeben, eine seltsame Idee, der Konkurrenz zu unterstellen, ihre Erzeugnisse würden zum berauschenden Missbrauch verleiten. Man sollte die Leichtgläubigkeit der Gesamtbevölkerung aber niemals unterschätzen!)

2.

Man sieht eine Gruppe Nudisten, die auf einer Waldlichtung im Reigen tanzen. Ein Nackter verlässt den Kreis, tritt in den Vordergrund und sagt:

"Wir können unseren Neigungen nur in unserer knapp bemessenen Freizeit nachgehen. Im Alltag arbeiten wir alle bis auf Werner im Kundendienst einer renommierten Versicherung und akzeptieren selbstverständlich die Konventionen unseres Kulturkreises, indem wir mit gewichstem Schuhwerk, Maßanzügen und weißen Hemden, die wir alle bis auf Gertrud mit XXX waschen, zur Arbeit erscheinen. Dass also gerade wir Waschpulver anpreisen, ist also gar nicht so erzwungen ironisch, wie Sie vielleicht im ersten Moment gedacht haben. Aus Liebe zur Vollständigkeit möchte ich noch abschließend anmerken, dass Werner als Bademeister arbeitet und Gertrud ein herkömmliches Waschmittel verwendet."

Der Mann reiht sich wieder in den tanzenden Kreis der Nudisten ein.

3.

Eine Frau muss feststellen, dass die weiße Kleidung ihrer Kinder beim Spielen schmutzig wurde. Sie befüllt die Waschmaschine und greift zu einer Schachtel, auf der gut leserlich "Herkömmliches Waschmittel" geschrieben steht. Schnitt. Man sieht das Ergebnis: Die Flecken wurden größtenteils einigermaßen, aber nicht zur Gänze entfernt.

Frau: "Wird ja ohnehin gleich wieder dreckig."

(Dieser Spot wäre freilich nur mit dem zeitgleichen Release eines Produkts sinnvoll, das tatsächlich "Herkömmliches Waschmittel" heißt. Die Kunden würden den Mut zum Risiko verbunden mit einem attraktiven Preis garantiert zu schätzen wissen! Slogan-Vorschlag: "Das Waschmittel zum Zweck")

4.

Niki Lauda betritt mit einem strahlend weißen Hemd ein Restaurant. Er nimmt Platz. Ein Herr am Nebentisch blickt in die Kamera und spricht: "Eigentlich wollte ich Herrn Lauda gerade fragen, ob sein Hemd neu sei, habe mir aber in letzter Sekunde auf die Zunge gebissen. Vor allem, weil Prominente ein Recht auf Privatsphäre haben. Zweitens, weil ich mit einem Multimillionär, der keine Gelegenheit auslässt, seine knausrige Lebensweise zu unterstreichen, gar nicht sprechen möchte. Der alte Sparefroh hat sich wohl ohnehin seit Jahrzehnten keine neuen Hemden mehr gekauft. Und höchstwahrscheinlich greift er aus lauter Geiz auch zu einem herkömmlichen Waschmittel."

Man sieht, wie Lauda sein Glas Rotwein ausschüttet - Auf seinem Hemd prangt ein großer Fleck. Lauda sieht verdrießlich drein.

Darauf der Tischnachbar: "Herr Lauda, zuerst wollte ich sie gar nicht ansprechen, aber ihr Malheur veranlasst mich zu dem Hinweis, dass Ihr schönes Hemd mit dem neuen XXX im Nu wieder blütenweiß wird."

Darauf Lauda: "Ich danke Ihnen für den Hinweis, allerdings bin ich auf keine Reinigung angewiesen, da eine meiner Vertragsbedingungen bei dieser Werbekampagne war, von XXX regelmäßig mit neuen Hemden beliefert zu werden. Was mich betrübt, ist der edle Wein, den ich nun im Gewebe meiner Kleidung verloren weiß."

Der Tischnachbar: "Aber Herr Lauda, der Rotwein ist doch nur ein Dreh-Requisit für diesen Werbespot, den wird uns doch wohl auch XXX spendieren!"
Lauda lacht erleichtert auf. Er umarmt den Tischnachbarn. Man sieht beide einem Sonnenuntergang entgegen reiten.

Ich verbitte mir Kommentare über Umsetzbarkeit und Erfolgsaussichten meiner Spots und möchte sie nur als Anregung für die uninspirierte Waschmittelwerbeindustrie verstanden wissen, ihre Zielgruppe nicht länger auf jene Hausmütterchen zu beschränken, die ihre Kampagnen seit Ewigkeiten bevölkern. Die Menschheit ist schließlich so bunt wie ihre Wäsche.
(Was für ein entsetzlicher Satz!
)