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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

31. 8. 2012 - 22:26

Fußball-Journal '12-29.

Was "RAPID IN EUROPA!" alles zudeckt.

Auch in der aktuellen Saison begleitet das Fußball-Journal '12 (wie schon in den Vorjahren) die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das mediale Umfeld.

Heute: Anmerkungen zur heimischen Performance in Europa. Oder dem, was davon überblieb: Rapid.

Siehe dazu auch Fußball-Journal '12-23: Salzburger Destruktionen sowie Fußball-Journal '12-25: Zu den EC-Auftritten im Allgemeinen und der Admira im Speziellen.

Das war eng.
Rapid Wien hat mit einer ultraaussetzerfreien und annehmenbaren Leistung den Sprung in die Gruppen-Phase der Euro-League geschafft und damit vieles gerettet.

Zum einen die ORF-Fernseh-Verantwortlichen, die bewusst voll auf die Europa-League gesetzt hatten und bei Nicht-Qualifikation eines heimischen Teams am Donnerstag trotzdem Live-Fußball hätte übertragen müssen. Die Donnerstag-Nacht für Nix wegräumen - das hätte ohne Rapid schön blöd ausgeschaut.

Zum anderen die künftigen Chancen der Austro-Vereine im europäischen Bewerb. Die Chance auf einem Top 15-Platz im Nationenranking (und nur der garantiert fünf Starter, also zwei Chancen für die Champions League) ist intakt (Dänemark, Schweiz und Israel müssen abgewehrt werden), das Fernziel Platz 12 (ein CL-Fixplatz), das für 2014 gut ausgesehen hatte, ist nicht völlig abzuschreiben.

Gerettet: der ORF, alle Medien, vor allem der Boulevard

Zum dritten auch die anderen Medien, vor allem die TV-Stationen: Die haben mittlerweile alle einen Teil des Kuchens (atv hat die Nationalmannschaft, auswärts; puls4 die österreicherlose Champions League), wollen aber auch heimgestrickte Erfolgsstories vermelden.

Und zum vierten die Bundesliga, vor allem die restlichen drei der großen Vier, die bei einem Scheitern von Rapid und einer europäischen Bilanz noch einmal ordentlich durch den medialen Kakao gezogen worden wären; zurecht.

Zwar hat sich die von Vastic-Unheil gebeutelte Austria unter Konzepttrainer Peter Stöger sportlich durchaus erholt - auf der Ebene darüber regiert aber weiter der dumpfe Hausverstand.

Zwar hat Sturm Graz aus der Bunker-Endzeitstimmung des Cholerikers Foda befreit und das Prinzip der Strukturerneuerung samt eurogerechter Aufstellung als erste kapiert - nur setzt man nichts davon um, sondern schießt sich weiter ins Knie und montiert, wie ein nächtlicher Kupferdrahtdieb, alles wieder ab.

Gerettet: Vorjahrswappler Austria/Sturm; und die Gedüdelten

Zwar hatten Rangnick und Schmidt die lächerlich überschminkte Diva Red Bull innerhalb von sehr kurzer Zeit mit einer spielbaren Notversorgung ausgestattet, aber den lemminggleichen Spieler-Drang in den Fatalismus unterschätzt und sich so dem Düdelingen-Desaster ausgesetzt.

Seitdem benimmt sich die neue Führungs-Crew so wie jede andere davor; so wie die dicke Dame in der Konditorei: sie stopft sich voll, mit lecker aussehendem Naschwerk, sinnfrei.
Kontinuierlicher Aufbau mit selbstgezogenen Talenten - das kommt in die Sonntagsreden. Stattdessen kaufrauscht man hysterisch vor sich hin: zwei Norweger, ein Ghanese, ein Brasilianer, ein Nigerianer, ein Slowene und ein Senegalese sorgen für einen ultraaufgeblähten Kader, aus dem zuvorderst die vorhandenen Talente rauskippen. Das hätte Lothar Matthäus auch zusammengebracht.

All das wird jetzt nicht besprochen. Auch weil gerade die rauschige Endphase der Transferperiode stattfindet, in der Verantwortliche wie besoffen um Schnäppchen ringen - Richtwert: wer da am Wildesten einkauft wird sein Team am Stärksten schwächen. Aber vor allem, weil RAPID IN EUROPA! alles zudeckt.

Gerettet: Rapid selber; vor seinen schießwütigen Fans

Zugedeckt wird vor allem die Unfähigkeit von Rapid selber.
Die Unfähigkeit nach einem Größten Anzunehmenden Unfall (dem Platzsturm der Wut-Hooligans beim Derby vor über einem Jahr) mehr als nur eine gutgemeinte Liste zu produzieren, die schon nach kurzer Zeit nicht mehr das Papier auf dem sie publiziert wurde wert war.

Es braucht - und da ist die Rapid-Führung (auch wenn das Edlinger nicht gerne hören wird) so unbelehrbar wie die gruselige Wende-Regierung - erst die nächsthöhere europäische Instanz und die Drohung mit schmerzhaften Sanktionen um die mit Blindheit geschlagenen Verantwortliche und die nach Drei-Affen-Manier betriebsblinde Troika Bundesliga-ÖFB-unterstützende Boulevard-Medien in die Realität zu holen.

Die hatten ja versucht das Problem der Böller-Hools durch nicht-hinschauen wegzuzaubern. Selbst die Berichterstattung aus Saloniki verfuhr nach dieser Methodik. Tagelang waren die Rapid-Fans schiere Opfer, die gemein attackiert wurden.

Nicht aufgefallen: die mediale Saloniki-Vertuschungs-Aktion

Dass ich medientechnisch die Analyse-Blogs, die Watchdog-Portale und zumeist auch explizit die Sport-Redaktion des Kurier ausnehme, ist ein bekanntes Ceterum Censeo des Fußbal-Journals. Da aber Journalismus (auch) Wiederholung ist (um ein klassisches Otto-Schulmeister-Zitat zu verwenden), hat Redakteur Alexander Huber recht, wenn er auf explizite Klarstellung besteht. Er gehört durch seinen Bericht hier und auch am nächsten Tag dann hier zu den Ausnahmen. Den zu wenigen.

Dass es die üblichen Verdächtigen aus der grünweißen Ecke waren, die durch gezielte Provokationen (Raketen in den Gegner-Sektor etc) das Hinspiel zur Hölle machten, wurde in Österreich (mit wenigen Ausnahmen) erst nach der UEFA-Strafe bekannt. Vorher hielt man es mit der seit der Nazizeit bekannten Taktik sich immer zum Opfer zu stilisieren; da haben die üblichen verdächtigen Medien, nicht nur der Bolulevard, sich in punkto Ignoranz, patriotischer Verblendung und, ja, Vertuschung ein echtes Denkmal gesetzt.

Auch diese, dringend nötige Debatte findet jetzt, wo Rapid in Europa gelandet ist, nicht statt.
Wie sich Rapid jetzt, wo man europäisch auffällig geworden ist, aus der Affäre ziehen will, ohne auch auf Liga-Ebene konsequent zu bleiben, wird noch lustig anzusehen sein. Ich schätze aber, dass Edlinger und Co auch hier auf den traditionellen Eiertanz setzen und den Kopf lieber im Sand steckenlassen, wo er es so lange so schön bequem hatte.

Ganz außen vor bleibt der sicher unwesentlichste Punkt.
Dass Rapid nämlich ein echtes Glück hatte (oder zwei). Zuletzt war man zweimal gegen Aston Villa die schwächere Mannschaft, kam aber zurecht weiter, weil der Gegner es einfach zu arrogant anging.

Gerettet: Rapid, vor einer analytischen Bestandaufnahme

Diesmal war man gegen ein Team in Griff/Reichweite über drei Viertel der Zeit die deutlich ideenärmere, spielschwächere und mutlosere Mannschaft; man kam aufgrund von individuellen Glücksfällen (das Auswärtstor von Alar) und der Tatsache, dass PAOK-Coach Donis zweimal denselber Schmäh versuchte und dabei aufflog weiter.

Rapids Trainer Schöttel hatte das erste Match, in dem Rapid kaum auf dem Platz sichtbar war, fast vercoacht. Das Heimspiel wurde dann eher von Donis (der wieder von 4-2-3-1 auf 4-3-3 umstellte; diesmal allerdings war Rapid drauf gefasst) verloren, als von Schöttel gewonnen.
Und wenn man sich die engen Partien gegen Vojvodina Novi Sad noch einmal genau ansieht, wird klar: Zufall ist das keiner.

Für die Metallistas aus Charkiv, die nach der Austria und Salzburg jetzt ihre dritte österreichische Mannschaft in Grund und Boden demolieren könnten, für das stets völlig humorfrei auftretende Werksteam aus Leverkusen, aber auch für die taxfrei unterschätzte Rosenborg-Truppe aus Trondheim muss man sich in allen Bereichen steigern um nicht an die letzte pacultpeinliche Euro-League-Saison anzuknüpfen.
Erst das würde dann durch nichts mehr überschrien werden. Zu spät allerdings. Denn dann, im Winter, wird das alles wieder keinen mehr interessieren.