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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

28. 8. 2012 - 18:21

Fußball-Journal '12-28.

Marcel Koller und das Schnitzel. Wer hat da wen weichgeklopft?

Auch in der aktuellen Saison begleitet das Fußball-Journal '12 (wie schon in den Vorjahren) die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das mediale Umfeld.

Heute mit dem schon traditionellen Bericht von der Kader-Bekanntgabe-Pressekonferenz des ÖFB mit Marcel Koller.

Der Kader für das WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland, 9-11, 20Uhr30, Happel-Stadion im Wiener Prater:

Tor: Robert Almer (Düssel-dorf/D), Christian Gratzei (Sturm), Heinz Lindner (Austria). Auf Abruf: Lukas Königshofer (Rapid).

Abwehr: György Garics (Bologna/ITA), Florian Klein, Franz Schiemer (Salzburg), Sebastian Prödl (Werder/D), Alek-sandar Dragovic (Basel/ SUI), Emanuel Pogatetz (Wolfsburg/D), Christian Fuchs (Schalke/D), Markus Suttner (Austria). Auf Abruf: Thomas Hinum (Ried), Manuel Ortlechner (Austria), Martin Hinter-egger, Andreas Ulmer (Salzburg).

Mittelfeld: Yasin Pehlivan (Gaziantepspor/TUR), Veli Kavlak (Besiktas/TUR), Julian Baumgartlinger, Andreas Ivanschitz (Mainz/ D), Christoph Leitgeb, Jakob Jantscher (Salz-burg), Zlatko Junuzovic (Werder/D), Guido Burg-staller (Rapid). Auf Abruf: Stefan Kulovits (Rapid), Marcel Sabitzer (Admira).

Angriff: Martin Harnik (Stuttgart/D), Marko Arnautovic (Werder/D), Marc Janko (Trabzon Spor/TUR), Patrick Bürger (Mattersburg). Auf Abruf: Deni Alar (Rapid), Erwin Hoffer (E. Frankfurt/D), Andreas Weimann (Aston Villa/ ENG), Philipp Hosiner (Admira).

Die Abrufspieler Hinter-egger, Sabitzer, Alar und Weimann sind auch für die U21 nominiert. Auch dort: Daniel Royer (Köln/D), Raphael Holzhauser (Stuttgart/D), Christopher Dibon (Salzburg)...

Verletzt: David Alaba (Bayern/D), Jürgen Säumel, Rubin Okotie, Andreas Hölzl (Sturm), Christopher Drazan, Christopher Trimmel, Roman Kienast (Rapid).

Rücktritt: Paul Scharner (HSV/D) und Martin Stranzl (Gladbach/D). Keine Bemühung um Jonathan Schmid (Freiburg/D).

Nicht berücksichtigt: Daniel Beichler (Hertha/D), Ramazan Özcan, Ümit Korkmaz (Ingolstadt/D), Ronald Gercaliu (Aue/D), Ekrem Dag (Gaziantep Spor/TUR), Markus Berger (Odessa/UKR), Michael Gspurning (Seattle/US), Georg Margreitter (Wolver-hampton/ENG), Tanju Kayhan (Besiktas/TUR), Atdhe Nuhiu (Eskisehir Spor/TUR), Andreas Lasnik (Breda/NED), Helge Payer (AEL Kalloni/ GRE), Daniel Sikorski (Wisla Krakau/POL), Thomas Pichlmann (Spezia/ITA), Robert Olejnik (Peterborough/ ENG), Florian Mader, Tomas Simkovic, Marko Stankovic, Roland Linz (Austria), Michael Madl, Manuel Weber, Haris Bukva, Darko Bodul (Sturm), Stefan Maierhofer (Salzburg), Thomas Reifeltshammer, Anel Hadzic, Rene Gartler (Ried), Manuel Seidl (Mattersburg), Mario Sonnleitner, Thomas Schrammel (Rapid), Stephan Palla (Admira)...

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Der Kader für die U21-EM-Qualifikationsspiele am 7.9. in den Niederlanden und am 10. 9 daheim gegen Schottland:

Tor: Samuel Radlinger (Hannover/D), Jörg Siebenhandl (Neustadt), Richard Strebinger (Werder/D).

Abwehr: Patrick Farkas (Mattersburg), Emir Dilaver, Remo Mally (Austria), Kevin Wimmer (Köln/D), Richard Wind-bichler (Admira), Christo-pher Dibon, Martin Hinteregger (Salzburg), Christian Klem (Sturm). Auf Abruf: Michael Soll-bauer (WAC), Matthias Maak (Neustadt).

Mittelfeld: Tobias Kainz (Heerenveen/NED), Raphael Holzhauser (Stuttgart/D), Manuel Prietl (Mattersburg), Stefan Schwab (Admira), Marco Meilinger (Ried), Daniel Royer (Köln/D), Lukas Grozurek (Rapid), Marco Djuricin (Regensburg/D), Marcel Sabitzer (Admira). Auf Abruf: Marcel Ziegl (Ried), Marcel Ritzmaier (PSV/NED), Daniel Schütz, Christopher Wernitznig (Innsbruck), Christoph Kröpfl (Sturm).

Angriff: Deni Alar (Rapid), Andreas Weimann (Aston Villa/ENG), Michael Gre-goritsch (Hoffenheim/D). Auf Abruf: Dario Tadic (Neustadt).

U21 spielberechtigt wären die ins A-Team berufenen Lindner, Dragovic, Alaba und Sabitzer. Verletzt: Florian Kainz (Sturm), Michael Schimpelsberger und Christopher Drazan (Rapid).

Es fehlen: Kevin Stöger (Stuttgart/D), Christoph Knasmüllner (Ingolstadt/ D), Moritz Moser und Alexander Aschauer (Burghausen/D), Manuel Sutter (St. Gallen/SUI), Dejan Stojanovic (Bologna/ITA), Lukas Spendlhofer (Inter/ITA), Robert Gucher (Frosinone/ ITA), Florian Hart (Sönder-jyskE/ DEN), Philipp Prosenik (Milan/ ITA), Marcel Büchel (Siena/ITA), Toni Vastic (Bayern/D), Radovan Mitrovic (Utrecht/ NED), Georg Teigl, Stefan Hierländer (Salzburg), Dieter Elsneg (KSV), Lukas Rath (Mattersburg), Thomas Dau, Momo Ildiz (Rapid), Lukas Rotpuller (Austria), Daniel Offen-bacher (Neustadt), Robert Zulj (Ried), Christoph Riegler (St. Pölten)...

Auf der Fahrt zu dem Marktschreier-Interview, dessen überbordende Drastik dann seinen Untergang befördern sollte, sei es ihm eingefallen, erzählte Paul Scharner später stolz, das mit dem Schnitzel, dem weichgeklopften.

Paul Scharner ist kein Idiot, er weiß, dass es nötig ist, kraftvolle, plastische Bilder auszusenden, wenn man wahrgenommen werden will. Eine Kunst, die so gut wie keiner seiner Kollegen beherrscht, auch weil man ihnen das in den sogenannten Rhetorik-Kursen auftreibt, den Kickern, die individuell gefärbte Ausdrucksweise, weshalb sie zu stromlinienförmigen Öd-Fuzzis verkommen, deren Interviews man weder hören noch lesen kann, ohne ob des Fadgasgehalts innerhalb von Sekunden wegzudösen.

Marko Arnautovic passieren diese plastischen Sager zufällig, weil er allzu oft sein Stammhirn sprechen lässt. Ein paar andere, die sich noch nicht verbraucht haben und nur kurze One-Liner absondern, wie David Alaba zum Beispiel, haben sich ihre Individualität bewahrt. Schlagzeilen machen sie nicht, das gelingt nur den Scharners und ihren Schnitzel-Bildern.

Nur, ganz abseits der Wucht, die dieser Spruch entwickelt halt - die Frage, was Scharner damit eigentlich sagen will, hat sich interessanterweise kaum jemand gestellt. Denn so wirklich gemainstreamt, so echt austrifiziert, so richtig öfb-gemorpht kam Marcel Koller niemandem vor. Und da Scharner keine Begründung für seine Schnitzel-Attacke lieferte, blieb sein an sich mächtiges Bild im medialen Treibsand der Lächerlichkeit stecken.

Ruhe in der Personalentwicklung als erste Koller-Pflicht

Koller hat Scharner nämlich, ganz im Gegensatz zu seinen Vorgängern, bis zum überflüssigen Eklat ausnehmend gut behandelt, mit durchaus über den üblichen österreichischen Tellerrand hinausgehenden weitsichtigem Respekt.

Koller hat sich dem Großteil der davor gepflogenen Folklore, die zwischen Mainstream-Medien und ÖFB so vor sich hinwabert, verschlossen, er hat keine Rücksicht auf Erbhöfe genommen, sich niemanden aufschwatzen lassen, eine sachliche, ruhige Personalentwicklung unternommen.
Personal, das seinem System (einem, das jeder Akteur mit Herz, Verstand, entsprechender Technik und Grundschnelligkeit sowie mit strategischem Verständnis verstehen und mitspielen kann) entspricht.

Das ist unaufregend, wenig spannend und wäre ohne die Scharner-Auszucker auch genau null schlagzeilenträchtig.

Und das ist auch die Absicht dahinter.
Ruhe.
As schweizerisch as can be.

Eigentlich hat Marcel Koller, wenn wir schon beim Schnitzel sind, den Klopfer in der Hand. Und damit unmerklich, fast lautlos gearbeitet, und seine Umgebung so subtil zurechtgeklopft, dass sich (zieht man Scharner ab) ein fast reibungsloser Umgang entwickelt hat.

Es ist Koller, der die anderen weichgeklopft hat. Nicht umgekehrt. Marcel Koller ist der Schnitzelklopfer. Und alle anderen sind seine Schnitzel.

Umfassende Befüllung seines Systems als 2. Koller-Pflicht

Koller will diese Ruhe, weil er in ihr den Schlüssel zum möglichen Erfolg sieht. Eine Analyse, die angesichts der Horror-Zeiten davor absolut schlüssig ist.

Da standen nämlich die Teamchef-Egos im Vordergrund, da waren die Ränkespiele zwischen den Seilschaften von primärer Bedeutung, und die wurden über Intrigen auf Spielerrücken und verwandten Unsinnigkeiten ausgetragen.

Wenn man dann noch, wie früher Krankl oder zuletzt Constantini, außerhalb der Ego-Pflege keine eigene Idee, keine Philosophie und schon gar keinen Plan hat, ist ein strategischer und personeller ZickZack-Kurs die automatische Folge. Wer sich (philosophisch gesehen) von der Hand im Mund nährt, kann nichts gezielt aufbauen.

Koller hat ein (einfaches) System, das er seit Anbeginn durchzieht, das zu spielen er der Nationalmannschaft seitdem beibringt, bei jedem Lehrgang. Koller sucht sein Personal für dieses System und er bildet es dafür aus - alles andere interessiert ihn nicht. Weil er über ein paar strategisch doch recht begabte Kicker verfügt (von Ivanschitz über Alaba bis hin zu Kavlak), kann er auch mit einer leichten Variante, einem Plan B herumspielen.

Das ist etwa auf dem Level von Erik Hamren bei Schweden und weit über den Möglichkeiten, die Giovanni Trapattoni bei Irland zulässt. Kann sich also ausgehen, auch schon für 2014; wenn einiges mitspielt, wenn in zwei, drei Matches einiges über Gebühr gut ausgeht.

Koller ist kein Schnitzel, sondern der beharrrliche Klopfer

Marcel Koller ist auch insofern kein Schnitzel, kein Österreicher, indem er sich den himmelhochjauchzenden Boulveard-Trotteln und ihren debilen Trompetenstößen ("jetzt muss aber schon Platz 1 in der Gruppe das Ziel sein, oder?") widersetzt.
Er tut das fast schon provokant, mit Gegenfragen - und kommt damit durch.
Erstaunlich.

Sowas gelingt keinem Weichgeklopften, sondern nur einem Weichklopfer. Einem, der sich die Ruhe mit aller Macht bewahren will. Das macht Koller, den Konzepttrainer, zum Gegenpol der Konzepttrainer der Marke Klopp; scheinbar. Denn dort scheint alles auf Emotion und Reibung aufgebaut, wo es im schweizerischen ÖFB Gelassenheit und Gmiatlichkeit regnet; scheinbar. Ist alles nicht so: auch der Kloppismus funktioniert in erster Linie über inhaltliche Ruhe.

Man kann diese Übergewichtung des großen Narrativs, diese überaus aufgepumpte Erzählung der Ruhe auch kritisch sehen. Habe ich vor einigen Wochen getan. Denn natürlich schafft diese personelle Statik, diese Vorgehensweise, als hätte man wie bei einem Verein einen fixen Kader, alle unangenehmen Begleiterscheinungen einer geschlossenen Gesellschaft herbei: keinerlei Durchlässigkeit, keine Würdigung von akuter Leistung, Ausreden-Rechtfertigungen.

Koller als Chefkoch mit Ablaufdatum 2016?

Die mittel- und langfristig nachhaltigste Beschädigung tritt ein, weil sich auch Koller nicht für die Nachwuchs-Nationalmannschaften und eine vernünftige, übergreifende Struktur verantwortlich fühlt. Diese sportdirektoriale Philosophie lässt er ganz bewusst beiseite.

Und weil sich der Sportdirektor irgendwie auch nicht zuständig fühlt, und der eigentliche Koordinator jetzt mehr Teamchef-Assistent ist, gibt es die jetzt eben gar nicht.

Dass Marcel Sabitzer (Jahrgang 94, der könnte noch U19 spielen) jetzt für die beiden letzten Quali-Spieler der U21 zur Verfügung steht: purer Zufall, nicht Teil eines übergreifenden Plans zur Stärkung der Junioren in ihrem aktuellen Zwei-Jahres-Plan.
Eine Abstimmung nach unten (zur U19) gibt es auch nicht, von einer Systematisierung des Anforderungs-Profils für Nachwuchs-Trainer (die ÖFB-Juniorenteamtrainerjobs sind immer noch Versorgungsposten für Alt-Internationale, nicht mehr) ist auch keinesfalls die Rede.

Lange Jahre schwebte über den ÖFB-Jugendmannschaften sowas wie eine durchgehende Idee, gab es eine Handschrift. Aktuell gibt es nichts, nur das, waas rauskommt, wenn gefrustete, abgeschobene Ex-Größen und überforderte Newbies das Heft des Handels überanwortet wird.

Das alles ist Koller piepegal.
Aus seiner Sicht durchaus zurecht. Er wird ausschließlich an seinen eigenen Ergebnissen gemessen werden.
Und da rechnet er mit nicht mehr als maximal zwei Perioden, also bis maximal 2016. Und dafür zahlt sich eine Langfrist-Investition nicht aus.

Andernfalls würde sich Koller nämlich spätestens jetzt für eine gezielte ÖFB-Förderung von rechten Außendeckern einsetzen, und entsprechende Programme ins Leben rufen oder zumindest Patrick Farkas adoptieren. Sowas schaffen ja selbst schwächer aufgestellte Vereine. Im echten Leben nominiert er hinter Garics, dem einzigen, den er hat, einen müden Bankdrücker und stellt einen braven Handwerker auf Abruf. Irgendwie wird es sich, so lautet das Credo des Schnitzlklopfers, schon ausgehen, auf dieser kritischen Position, die nächsten paar Jahre.
Immer noch besser als Action und Zirkus, der die Ruhe stören könnte.

Der Kader gegen Deutschland nun...

... und um den zu präsentieren, war Koller heute vormittag angetreten (dass der ÖFB, sehr nebenbei, wie immer ohne Nachdruck auch den U21-Kader für die beiden letzten Quali-Spiele der aktuellen Campaign bekanntgab, auf Raten und halbherzig, war ihm sowie den versammelten Medienvertretern genauso egal wie dem Teamchef) - der Kader umfasst die zuletzt Erprobten.

Hochzeiter Franz Schiemer darf Scharner beerben, keine schlechte Idee, weil er zuletzt ja auch tatsächlich Innenverteidiger spielte.

Die Verletzung von Rubin Okotie stellte Patrick Bürger auf; Deni Alar darf ebenso wie Sabitzer zur U21, was sofort Spekulationen um dessen kroatische Zweitstaatsbürgerschaft nährt. Ob Mark Janko bei Porto oder bei Trabzonspor gemeldet ist - auch zurecht kein Thema.

Koller interessiert das alles nicht.
Er hat alle Positionen in seinem flexiblen 4-2-3-1 zweifach besetzt, auch ohne den verletzten Alaba und Scharner. Manche qualitativ hochwertig, andere nur mit Bauchweh; insgesamt aber mit einer halbwegs runden Mischung aus Egos und Teamworkern, aus Könnern und Zauderern, aus Machern und Tüftlern, aus Schönwettertaftern und Kampfschweinen.

Eine Mischung, die für Ruhe in der Küche sorgt, wo der Teamchef seine Schnitzel klopfen und danach panieren will, ohne dass irgendwelche Sous-Chefs oder gar Kellner oder noch schlimmer, Shareholder, ihm was reinquatschen.