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Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

28. 8. 2012 - 15:33

Von Wehrpflicht und Katastrophenschutzkür

Die ewige Debatte rund um ein mögliches Berufsheer ist Bewegung gekommen. Inklusive Volksbefragung.

Die Sommerpause des Nationalrats ist noch nicht zu Ende, der erste Ministerrat tagt erst heute, aber die Regierung scheint bereits konstruktiv zu arbeiten - zum gefühlt ersten Mal seit langer Zeit. In den Bereichen Gesamtschule und Zugangsbeschränkungen an Unis wird an gemeinsamen Lösungen gearbeitet, wiewohl letzteres der ÖH naturgemäß weniger gefällt.

Und dann bahnt sich eine endgültige Entscheidung beim ewigen Streitpunkt Einführung eines Berufsheeres bzw. Beibehaltung der Wehrpflicht an. Ins Rollen gebracht hat die Diskussion der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll, der vielleicht einflussreichste Politiker in der ÖVP. In einem Interview im Kurier wünscht er sich so bald als möglich eine Volksabstimmung über ein mögliches Berufsheer. Und seitdem sind ihm praktisch alle ÖVP-Landeshauptleute gefolgt.

ÖVP glaubt an Ablehnung eines Berufsheers

Dass die ÖVP insgesamt und die Landeshauptleute im Besonderen keine Freunde der Idee eines Berufsheeres sind, ist kein Geheimnis. Sie sind sich aber sicher, dass die Bevölkerung ein reines Berufsheer ablehnen wird. Die massiven Überschwemmungen im Jahr 2002 sind im kollektiven Gedächtnis verankert. Tausende Soldaten haben damals bei den Aufräumarbeiten geholfen, darunter jede Menge Grundwehrdiener. (Eine Nachlese der damaligen Ereignisse aus Sicht des Bundesheeres gibt es hier.) Die ÖVP verlässt sich also auf das Gefühl, dass ein Berufsheer zum Beispiel bei Überschwemmungen und anderen Katastrophen nicht schnell genug und ausreichend helfen kann.

Bunderheerler beim Aufräumen nach Mure

HBF/BUNDESHEER/ANDY WENZEL

Bundesheer bei Aufräumarbeiten nach einer Mure vergangenen Juli in der Steiermark.

Diese Bedenken könnte man aber durch Einrichtung einer Zivilschutzorganisation nach Vorbild des Technischen Hilfswerkes in Deutschland lösen, die dann mit den freiwilligen Feuerwehren zusammenarbeitet. Weitaus größere Probleme könnte ein Ende der Wehrpflicht aber vor allem jenen Organisationen bringen, die auf die billigen Zivildiener angewiesen sind. Ob das ein freiwilliges soziales Jahr o.ä. abfedern kann, darf bezweifelt werden.

"Die Zeit arbeitet für mein Modell"
Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) im Interview zum aktuellen Stand in der Debatte rund um die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht.

SPÖ versteht absichtlich falsch

Verteidigungsminister Norbert Darabos von der SPÖ versteht den Volksabstimmungswunsch der ÖVP-Landeshauptleute wohl absichtlich falsch und wertet die Forderung nach einer Volksabstimmung als Schwenk der ÖVP auf SPÖ-Linie. Er scheint sich seinerseits sicher zu sein, dass die Österreicherinnen und Österreicher ein Berufsheer möchten. Immerhin haben die meisten EU-Staaten bereits auf eine Profi-Armee umgestellt, wenngleich sich die deutsche Armee nach dem Ende (eigentlich nur einer Aussetzung) der dortigen Wehrpflicht 2011 schwer getan hat, ausreichend Rekruten anzuwerben. In ein paar Kasernen probt Darabos schon versuchsweise, wie so ein Berufsheer aussehen könnte.

Darabos beim Heer, er schaut durch ein Fernglas

APA/Peter Lechner/BUNDESHEER

Darabos besucht die Heerestruppenschule Zwölfaxing

Keine Volksabstimmung, sondern Befragung

Die von Pröll angedachte Volksabstimmung wird es aber nicht geben. Dafür bräuchte es einen konkreten Gesetzestext zur Umwandlung in ein Berufsheer, über den die Bevölkerung dann abstimmt. Und den bekommen SPÖ und ÖVP selbst im augenblicklichen Arbeitseifer nicht hin - zu unterschiedlich sind die Interessen.

Deshalb soll es nun laut Vizekanzler Michael Spindelegger im kommenden Jänner eine "bindende Volksbefragung" geben, in der dann einfach die Frage "Wollen Sie ein Berufsheer oder die Beibehaltung der Wehrpflicht?" gestellt werden kann. Was bei einem Entscheid für das Berufsheer die Konflikte um die genaue Umsetzung nicht leichter lösbar macht.

Ganz nebenbei steht ein besonderes, sozialdemokratisches Interesse der Einführung eines Berufsheeres ideologisch im Wege: Die soziale Durchmischung und die immer hohe Zahl an Grundwehrdienern soll verhindern, dass die Armee wie im Bürgerkrieg gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wird. Von dieser Absicherung hat sich die SPÖ aber offenbar gelöst, mittlerweile wird das Argument eher von ÖVP-Politikern genannt.

Ist ein Profiheer professioneller?

Ganz gleich, wie die Entscheidung fällt, ob so ein Profiheer denn auch professioneller ist - und zwar in jeder Hinsicht von Organisation bis zu den politischen Entscheidungen - darf aber bezweifelt werden. Meine Erfahrungen als Grundwehrdiener beim Panzerbataillon 33 im niederösterreichischen Zwölfaxing haben einen verheerenden Eindruck hinterlassen.

Bundesheerübung mit Panzern im Grünen

APA/Herbert Neubauer

Ein besonders krasses von vielen Beispielen, die teilweise nur persönlich schockierend, teilweise wirklich gefährlich waren: Damals war der neue Kampfpanzer Leopard gerade angeschafft worden, offenbar aus Kostengründen hat man aber an Ersatzteilen und Infrastruktur gespart. Ein Abschleppteam, dem ich angehört habe, hat unter anderem kaputte Panzer mit einem auf 50 Tonnen zugelassenen Tieflader älteren Semesters zur Reparatur nach Wels gebracht. Dass der Leopard aber 55 Tonnen wiegt und daher alle paar Kilometer einer der 16 Reifen des Tiefladers geplatzt ist, war nebensächlich: Wir hatten einen eigenen LKW voller Ersatzreifen als Begleitschutz mit. Aber vielleicht macht genau dieses Improvisationstalent im Umgang mit politischen Entscheidungen das Österreichische Bundesheer im (unwahrscheinlichen) Verteidigungsfall und bei Katastropheneinsätzen ja besonders effizient.