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Susi Ondrušová

Preview / Review

27. 8. 2012 - 12:07

Artist Of The Week: Cat Power

Auch mit ihrem neunten Album "Sun" ist Chan Marshall noch immer "The Greatest".

Der beste Song vom neuen Cat Power Album ist an die zehn Minuten lang, heißt "Nothing But Time" und ist inspiriert von einer traurigen aber wahren Mobbing-Geschichte unter Teenagern. Cat Power hat "Nothing But Time" für die Tochter ihres Ex-Partners geschrieben. Die zum Teil flehenden aber auch mahnenden und vor allem bestärkenden Sätze von Cat Power vermischen sich gegen Ende mit einem "You wanna live!"-Schlachtruf von niemand geringerem als Iggy Pop - dem Godfather of Punk himself. Der Song ist so ergreifend und lebensbejahend, dass man sich nur noch fragt: "Warum nicht schon viel früher?"

Catpower Albumcover "Sun"

http://www.facebook.com/CatPowerSun

Delta Blues Band

Auf dem 2008 erschienenem Album "Jukebox" ist Cat Power noch einmal mit ihrer Delta Blues Band zu hören. Wie der Titel unschwer verrät, handelt es sich - genauso wie beim 2000 erschienenen "The Covers Record" - auf "Jukebox" um Neuinterpretationen ihrer Lieblingssongs. Hank Williams zum Beispiel, der von ihr über alles geschätzte Bob Dylan und Joni Mitchell. Auch einen ihrer eigenen Songs, nämlich "Metal Heart", hat sie neu überarbeitet.

2012, vier Jahre später, ist die prominente dahinslidende Gitarre in den neuen Songs von Cat Power in den Hintergrund gerückt. Cat Power hat sich noch einmal gewandelt und statt den "Sumpfiger Süden"-Assoziationen werden nun "Flackernde Großstadtlichter"-Gedankenketten gesponnen. Cat Power hat am neuen Album "Sun" mit dem französischen Produzenten Philippe Zdar (Cassius) zusammengearbeitet, der die Tracks teilweise mit Autotune-Stimmverfremdungen angereichert hat. Und Chan Marshall hat in der zweiten Demophase angefangen, mit Synths zu spielen. Denn nach der ersten Demophase bekam sie von einer mitlerweile vielzitierten Person aus ihrem Freundeskreis zu hören: "Das ist die alte, deprimierende Cat Power!"

Jukebox

2006 ist das letzte Cat Power-Album mit originärem Songmaterial der heute 40-jährigen Musikerin erschienen: Für "The Greatest" ist Chan Marshall nach Memphis, Tennessee gereist, um dort ihre Vorliebe für Soul und Blues zu dokumentieren. Die schöne, aber eben schon auch seit ihrem Debüt 1995 bekannte Herangehensweise ("die an der Gitarre zupft") war mit einem Album-Veröffentlichungs-Schlag Geschichte. Cat Powers Image wurde oft als das einer verheulten, betrunkenen, unsicheren Musikerin breitgetreten; aber mit "The Greatest" holte Chan Marshall zur großen Umarmung aus und präsentierte sich in Muhammad Ali-Trainingsjacke und mit goldenen Boxerhandschuhen.

Cat Power am Primavera 2008

Wikicommons

Cat Power am Primavera Festival 2008

Cat Power hätte das durchziehen können. Alles beim Alten behalten. Cat Power hört man einfach gerne zu, sie vertont nicht wenig hässlichstes Seelenleid auf wunderschönste Weise. Es tut weh, aber es zieht einen mit. (Man will sich nicht auf die Waage stellen, aber man tut es halt trotzdem.)

She Loves You More

Aufregend oder spannend wäre so ein Album nicht geworden und man hätte getitelt: "Zurück zu den Wurzeln". Und in der Rezeption hätte man noch stärker ihre Sucht, ihren Alkoholkonsum, ihr Lampenfieber, ihre gebrochenen Herzen und überhaupt ihr leidendes Alles von gestern und vorvorgestern ausgestellt. Dass ihr das mit dem neuen Album "Sun" trotzdem passiert, obwohl die Cat Power von früher gar nicht soooo gut in den Songs wiederzuerkennen ist, sagt mehr über die Medien und ihre Skandalgier aus, als über diese neuen kraftvollen Songs. ("Silent Machine" oder "Sun", anyone?)

Klar, man kann eine Biographie sicher nicht vom Werk trennen und Cat Power hat an all den obengenannten Problemherden gleichzeitig ihre dämonischen Psycho-Suppen gekocht. (Wer nicht, frag ich mich?) Cat Power ist in Interviews noch dazu - im Vergleich zu PJ Harvey oder Joan As Police Woman - unglaublich offen, als ob es keine Grenze zur Privatsphäre gäbe. Bei einem kurzen Interviewzusammentreffen mit Chan Marshall 2006, das mit dem überraschenden Satz "I just killed a fly" angefangen hat, habe auch ich eine "stream of consciousness"-Passage mit ihr aufgenommen. Etwas, das keine Antwort auf irgendwas geliefert hat, was auf meinem Schummelzettel war. Eindrücke habe ich bekommen, das ja. Eindrücke von jemandem, der sich selber laut in Frage stellt, und die Antwort im Gespräch oder dem Gegenüber sucht. (Und so gern ich die BFF von Chan wäre und sie mich auch immer anrufen kann, bin ich als Journalistin dafür eindeutig nicht das passende Gegenüber.) Es waren Eindrücke eines Zusammentreffens, die ich natürlich nicht tauschen möchte. Nicht gegen einen kindlich aufgeregten Dave Grohl, einen erwachsen gefassten Nick Cave oder einen flüsternd bescheidenen Jason Pierce.

Catpower/Chan Marshall

http://www.myspace.com/catpower

In der ersten Single "Ruin" singt Chan Marshall von ihren (teilweise auf ihrem Twitter/Instagram-Account dokumentierten) Reisen und tauscht das "ich" gegen "wir" aus. Sie macht etwas sehr hippieskes und fragt: Warum sich beschweren, wenn es kein Essen auf der Welt gibt? "We're sitting on a ruin!"

Im NY-Times-Interview erzählte Chan Marshall vor kurzem die schöne Geschichte von ihrem Zusammentreffen mit Patti Smith, die zu ihr gemeint hat: Künstlerinnen haben eine Verantwortung ihrem Publikum gegenüber. "Please don't tell me that, Patti, because you're cool and strong!" erinnert sich Cat Power an ihre Gedanken bei diesem Zusammentreffen und ermahnt sich Jahre später, dass Patti Smith natürlich Recht hat und so sagt sie über ihre heutige Rolle als Musikerin und Songschreiberin: "It's the only language left, where you can say what you want. Because you're nuts. The jester always lived because he told the truth like a joke!"

Auch wegen diesem wahren Satz ist Cat Power noch immer "The Greatest". Jedenfalls in meinem Universum und das ist wie bei jedem anderen manchmal ganz schön verwirrend und genauso oft unfreiwillig komisch wie herrlich.