Erstellt am: 23. 8. 2012 - 14:14 Uhr
Small Screen Stories: Hausgemachte Irritation
Du siehst kurz hin, zu kurz, um das Geschehen vollends zu erfassen, und noch bevor du denkst, was war denn das, stellt sich ein merkwürdiges Gefühl ein. Was man im Alltag aus den Augenwinkeln nicht lange oder deutlich genug erfasst, erzeugt manchmal beste Irritation. Ins Vertraute schiebt sich ein Detail, das da zuvor nicht war, und bekommt eine irrationale Bedeutung. Das hat seinen Reiz. Es ist ein Zwang, nochmal hinzusehen. Und zwar länger.
In der Fantasie kann sich so ein Moment richtig in Szene setzen und zu einer Geschichte werden. In Videos sind es genau diese minimalen Irritationen, die einen hintereinander auf Rewind klicken lassen. Mit der Dramaturgie der Ereignisse kennen sich auch österreichische FilmemacherInnen bestens aus.
Dass man jedoch Werke wie Adnan Popovic's "TINAMV1" nur auf gewissen Festivals zu sehen bekommt, finden nicht allein Dominik Tschütscher und Katja Jäger schade. Die Beiden haben "Cinema Next" ins Leben gerufen und sich Partnerkinos gesucht. Vorfilm für Vorfilm sowie mit eigenen Filmnächten - erfreulicherweise auch außerhalb Wiens - wollen sie junges österreichisches Filmschaffen ins Bewusstsein des Publikums hieven. Jung, das heißt bei Cinema next, 18 bis 35 Jahre junge FilmemacherInnen wollen präsentiert werden. Bis zum nächsten Leinwand-Termin könnte man auf Full Screen umschalten.
Vertraute Seltsamkeit
Die obligatorische Wirtshaustresenszene aus dem österreichischen Spielfilm der vergangenen Jahrzehnte wird belebt von einer Ansammlung an Nebenfiguren, die so wirken, als seien sie direkt aus einer amerikanischen Serie in diese Gaststätte gekommen. Dabei ist Geschmeidigkeit das oberste Prinzip in Bunny Lakes "Satellite Sky", das Regisseur Richard Wilhelmer zusammen mit dem Kollegen Florian Pochlatko realisiert hat.
Die jungen Ballerinas tanzen, doch da ist die eine, weißgeschminkt oder doch eine ältere Dame? Und was ist das für ein riesen Messer, das in einen Oberarm schneidet? Noch ein Suppenschöpfer, bitte!
ZuschauerInnen, die "Satellite Sky" ansehen, tippen anschließend "Pass this on" und "The Knife" in die Suchmaske. Dann klickt man sich noch kurz zu den Sternen und stellt fest: Auch hier fließen Bilder und Musik ineinander, doch das Video zu "Satellite Sky" holt da mehr heraus. Wie die Ballerina, die der Omi nicht nur den Zehner Trinkgeld abnimmt, sondern die alte Dame umarmt.
LasGafas interessieren sich bei "Countably Infinite" von A.G.Trio anfangs für den Moment, der nach der Katastrophe die Wahrnehmungsebene bremst. Es wird cineastisch und am Ende war der Anfang fast ein Happy-End.
"Warum sollte sie durch die Scheibe fliegen, wenn das Auto mit ihm kollidiert", wirft ein Zuschauerkommentar allerdings berechtigte Zweifel an der Unfallrekonstruktion auf: "So massig schaut er gar nicht aus für mich". Für mich auch nicht.
Doch LasGafas, die beiden Bild-Künstler Luzi Katamay und Christian Dietl mit Produktionsstandort Linz, kennen sich aus mit dem freien Fall. Ihr Video für Textas "Die Dramaturgie der Ereignisse" ist bereits ausgezeichnet mit dem MICA Austria Tonbild Award. "Was willst du tun, wenn alles zusammenfällt, was deine Welt im Alltag zusammenhält?"
Du hast auch ein Video gedreht, das gesehen werden muss? Die Initiatoren von Cinema Next möchten es sehen.
Doppelt verloren und in einem Gedanken wieder aufgefangen werden, das erlebt die Figur in der animierten "Galaxy". Aus den Lyrics zum Song von I Am Ceral schnitten sich Mirjam Baker und Mike Kren augenscheinlich kleine Stücke. Der Tapetenwechsel als Tagtraum. Jegliche Irritation weicht der Faszination, die flugs wieder auf den harten Boden der Realität zurückgeholt wird.
Mirjam Baker und Mike Kren sind keine Unbekannten mehr, seit ihr ebenfalls animiertes Erstlingswerk die Aufmerksamkeit von Zoot Woman gewann.
Ausgezeichnet wurde, wie Karin Hammer und Klemens Hufnagl das Spielen von Elektro Guzzis "Pentagonia" festhielten. Mit dem Hubert-Sielecki-Award 2012 wurde die perfekte Synchronisation der Bildteile gewürdigt. Der Fokus auf Details spiegelt, wie die drei Elektro Guzzi miteinander kommunizieren.
Die Playlist auf der Leinwand ist eine Überraschung
Dominik Tschütscher, Mitinitiator von Cinema Next, hat bereits den nächsten Tipp parat: Diesen Freitag läuft eine Musikvideo-Retrospektive im Wiener Gartenpalais Schönborn beim Sommerkino "espressofilm". Der Eintritt ist frei, und die Video-Playlist eine Überraschung. Fixstarter: Felix Kubin und Cat Power.