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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

23. 8. 2012 - 11:14

Baut wieder auf

Als erste Stadt Österreichs wird Eisenerz derzeit rückgebaut. Beim "Rostfest" besiedeln diverse Bands, DJs und Kunstaktionen die von Abwanderung gezeichnete Region.

Eingeklemmt zwischen den Bergen liegt Eisenerz. Und wenn Franz Lammer vom Ort des kommenden Festivalgeschehens spricht, hat das einen schwärmerischen Unterton. Das Rostfest am 24. und 25. August will die Stadt am Fuße des Erzberges nicht als Kulisse nützen. Vielmehr wird das Rostfest mit den EisenerzerInnen gefeiert, wie der Co-Organisator vorfreudig erzählt.

Auf zu anderen Abenteuern, Bergluft und reichlich engagierter Unterhaltung! Das Rostfest am 24. und 25. August findet bei freiem Eintritt zu allen Konzerten, DJ-Sets und Interventionen statt.

Eisenerz, das war für den Grazer Franz Lammer und seine Freunde seit längerem ein Ort, der ihnen in stressigen Zeiten vor dem geistigen Auge aufblitzte. "Gehen wir halt nach Eisenerz!" war ein Running Gag unter den Freunden. "Schwer zugänglich, irgendwie verschroben und doch so eine schöne Kleinstadt mitten in den Alpen! Es könnte ja ganz anders auch laufen. Man könnte es als einen sehr romantischen Ort sehen", sagt Franz, der das Rostfest mit den Geschwistern Elisa Rosegger-Purkrabek und Rainer Rosegger initiierte.

Eisenerz, Stadtbild

Rostfest.at

"Die Fotos sind nicht absichtlich ohne Menschen. Da trifft man nicht viele Leute", sagt Rostfest-Mitorganisator Franz Lammer.

Kaffeekränzchen und Metal

Allzu romantisch im Sinne von beschaulich wird es beim Rostfest jedoch nicht zugehen: Mehr als ein Dutzend Bands, darunter Kommando Elefant und Effi, werden sich auf Open air-Bühnen und in Lokalen tummeln. Das Kollektiv von Masala Brass wird durch die Straßen blasen, DJs von Physically Fit bis zur Crew von disko404 haben sich angekündigt. Den alten Ballsaal hat das Festivalteam geputzt, da spielt der Sado Maso Guitar Club und Napalm Records gibt sich mit einer DJ Night ein Stelldichein. Metal für das jahrhundertealte Erzabbaugebiet.

Fad wird einem beim Rostfest garantiert nicht: Es gibt Workshops zum Bierbrauen und Live-Sprengungen am Erzberg.

Nach der Mittagspause ist man an gewöhnlichen Tagen in Eisenerz ziemlich alleine. Viele Straßen sind menschenleer. Fühlt man sich verlassen? "Es ist so eine komische Ruhe. Wenn man aus einer hektischen Stadt da ankommt, ist man schnell beruhigt. Die Stadt holt einen runter - und das gar nicht im negativen Sinn! Es ist sehr entspannt! Alles ist ein bisschen gemütlicher. Nachmittags gibt es nichts zu essen in den Gasthäusern, denn die sperren zu", hat Franz festgestellt. Ein Kaffeekränzchen mit Live-Jukebox ist für Samstag geplant.

Wie sich diese Gemütlichkeit übertragen wird, wenn das Rostfest doch einen vergnüglichen Wirbel in die Stadt bringt, wird spannend. Für zwei Tage könnte das Rostfest die Stadt richtiggehend auffüllen. Eisenerz ist in den vergangenen Jahrzehnten geschrumpft, seit den 50er Jahren um mehr als die Hälfte.

Die Band Kommando Elefant, besteht aus vier Männern. Sie stehen in einer Parkgarage. Links neben der Band steht das Bandlogo aus Pappkarton, ein simpel gezeichneter roter Elefant mit weißen Augen.

Ingo Pertramer

Kommando Elefant, Kommando Eisenerz! Das komplette Line-up findet sich hier.

Eine Leere im Raum

Eisenstadt ist die erste Stadt Österreichs, die rückgebaut wird. Die Infrastruktur der Stadt Eisenerz ist auf 13.000 Einwohner ausgelegt. Teilweise lebten 15.000 Menschen in Eisenerz. Heute sind es 4.900. Da müssen vorhandene Strukturen angepasst werden. "Rückbau", das klingt nach Euphemismus.

"Natürlich gibt es da eine Leere im Raum", sagt Elisa Rosegger, die seit fünf Jahren in das Projekt "Redesign Eisenerz 2021" involviert und mit den hiesigen Gewohnheiten bestens vertraut ist. "Es ist auch eine der ältesten Städte Österreichs - auf den Altersdurchschnitt der Bevölkerung bezogen. Und die haben einen anderen Rhythmus als junge Menschen, klar."

Nachmittags und abends ist wenig los, doch vormittags gibt es reges Treiben: Bei der Bank, im Supermarkt, bei der Post. Die Infrastruktur gibt es, doch sie wird immer weniger. Einen Bäcker gibt es nicht mehr – das hat jedoch auch mit anderen wirtschaftlichen Strukturen zu tun.

Als das erste Haus zu Beginn des Rückbaus abgerissen wurde, war das
ein harter Schlag für die Bevölkerung, erinnert sich Elisa Rosegger. Rückbau bedeutet aber auch, dass bestehende Gebäude anders genützt werden.

Urban Camping in zukünftiger Feriensiedlung

Die Siedlung Münchtal steht nahezu leer. Die meisten BewohnerInnen zogen aus. Nun will eine Investorengruppe daraus eine Feriensiedlung machen. Zuvor allerdings können FestivalbesucherInnen beim Rostfest in den Wohnungen campen. Gut wird das, denn in Eisenerz können auch Sommernächte recht frisch sein, und es wird trotz Decke über dem Dach ein Abenteuer: In den Wohnungen gibt es keinen Strom und dreht man den Wasserhahn auf, wird kein Wasser fließen. Doch nur nicht abschrecken lassen: Sanitäranlagen stehen im Hof zur Verfügung. Empfangen werden FestivalbesucherInnen an einer eigens eingerichteten Rezeption. Einzupacken wären dann: Isomatten, Decken und vor allem eine Taschenlampe. Wie beim klassischen Campen also. Nur das Zelt kann zuhause bleiben.

Münichtal - eine fast leerstehende Siedlung in Eisenerz in der Steiermark

Rostfest.at

Heavy Metal Frühschoppen und Wasserkraft für Visuals

Bleiben sollte man tatsächlich über Nacht. Denn Samstagmittag gibt es "Heavy Metal Frühschoppen" inklusive der Wahl zum Mister und zur Misses Heavy Metal im Schichtturm.

Architekt Markus Jeschaunig baut ein Mini-Wasserkraftwerk am Trofengbach

Claudia Gerhäusser

In Eisenerz kommt so manche und so mancher ins Grübeln. Weil all das Erz eines baldigen Tages abgetragen sein wird, überlegen sich viele neue Formen der Resourcennutzung. Die Architektin Claudia Gerhäusser und der Architekt Markus Jeschaunig haben sich in Eisenerz umgesehen und den Trofengbach entdeckt. Bis Freitag werken sie an einem Mini-Wasserkraftwerk, das die Energie für Visuals für die Location "Gartenhaus" liefern soll. Im "Fiskatenhaus" wird der Künstler Christian Eisenberger ausstellen, auch die Künstler Josef Wurm und der Theatermacher Lorenz Kabas u.a. eignen sich den Ort an.

"Es fließt eine irre Wasserkraft vorbei", sagt Markus Jeschaunig. "Die Energiewende steht bevor, da kommt keiner drumherum", sagt er und spricht dabei von der globalen Situation. Beim Rostfest ist es ein spielerischer Versuch: Markus und Claudia bauen ein oberschlechtiges Wasserrad, wie man es von Jahrhunderten zuvor kennt. Dieses wird zwei Lichtmaschinen von Autos antreiben. "Ein Wasserkraftwerk ist kein neuer Gedanke, das ist Standard in alpinen Regionen. Aber der kleine Versuch ist interessant", erklärt Markus. Ein Kleinwasserkraftwerk an dieser Stelle könnte 31 Haushalte mit Strom versorgen.

Vor Ort zu zeigen, sich unabhängig von bestehenden Strukturen zu bewegen, darum geht es beim Rostfest. Die Möglichkeit zur Eigeninitiative ist immer gegeben.